Kleine Kinder sind Top-Energieverbraucher |
Annette Rößler |
27.08.2021 07:00 Uhr |
Im Alter von einem Jahr ist der Energiebedarf des Menschen bezogen auf sein Körpergewicht am höchsten: Einjährige verbrennen Kalorien um die Hälfte schneller als Erwachsene. / Foto: Adobe Stock/Oksana Kuzmina
Was waren das doch für herrliche Zeiten, als man essen konnte, was man wollte, ohne zuzunehmen. Spätestens wenn sich im mittleren Erwachsenenalter die ersten unerwünschten Pölsterchen am Körper manifestieren, denkt so mancher wehmütig an seine Jugendzeit zurück. Doch die landläufige Annahme, dass Teenager einen besonders hohen Energieverbrauch haben, stimmt so wohl gar nicht. Ein Team um Professor Dr. Herman Pontzer von der Duke University in Durham (USA) räumt jetzt im Fachjournal »Science« mit diesem und anderen Vorurteilen zum menschlichen Metabolismus auf.
Für ihre Publikation werteten die Forscher die Daten von mehr als 6600 Personen aus, deren Gesamtenergieverbrauch mithilfe von sogenanntem doppelt markierten Wasser (Doubly Labelled Water, DLW) gemessen worden war. Dabei handelt es sich um Wasser, dessen Gehalt an schwerem Wasserstoff (Deuterium, 2H) und Sauerstoff-18 (18O) künstlich erhöht und auf einen definierten Wert eingestellt ist. Beide Komponenten dieses Wassers sind also markierte Isotope, daher der Name der Methode.
Den Gesamtenergieverbrauch eines Probanden kann man mithilfe von DLW ermitteln, indem man ihn dieses Wasser trinken lässt und anschließend den Gehalt von 18O und 2H im Urin über den Zeitverlauf misst. Sauerstoff wird überwiegend als CO2 über die Atemluft und als H2O über den Urin ausgeschieden, Wasserstoff nur über den Urin. Die Messung der 2H-Ausscheidung dient also als Korrekturfaktor, um die 18O-Ausscheidung über die Atemluft – und damit den Energieverbrauch – zu berechnen.
Die DLW-Methode hat den Vorteil, dass der Proband nicht an irgendwelche Geräte angeschlossen werden muss, sodass sein Energieverbrauch gemessen werden kann, während er den normalen Verrichtungen des Alltags nachgeht. Dies tut sie laut Informationen auf der Website der DLW-Datenbank der internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) mit hoher Genauigkeit: Die Abweichung von der tatsächlichen CO2-Produktion betrage im Durchschnitt lediglich 3 Prozent. Der Nachteil der DLW-Methode ist jedoch, dass sie sehr teuer ist. Damit die kostspieligen Experimente nicht jedes Mal neu gemacht werden müssen, sammeln verschiedene Labors ihre Messergebnisse in der DLW-Datenbank der IAEA.
Für die vorliegende Arbeit konnten die Forscher um Pontzer somit Messungen des Energieverbrauchs von Menschen im Alter zwischen acht Tagen und 95 Jahren heranziehen. Was sie herausfanden, überraschte sie selbst, wie Pontzer in einer Mitteilung seiner Universität einräumt. Denn sie identifizierten zwar deutliche Veränderungen des Energieverbrauchs im Verlauf des Lebens, diese fanden aber zu anderen Zeitpunkten statt als erwartet. »Das Älterwerden geht mit einer Reihe von physiologischen Veränderungen einher, zum Beispiel der Pubertät oder der Menopause. Merkwürdigerweise stimmt das Timing dieser typischen Meilensteine nicht mit dem der metabolischen Lebensabschnitte überein«, so Pontzer.
Laut der Studie steigt der Energieverbrauch eines Babys nach der Geburt steil an und erreicht im Alter von etwa einem Jahr seinen Höhepunkt. Zu diesem Zeitpunkt verbraucht der kleine Körper sogar 50 Prozent mehr Energie als ein Erwachsener. Bis zum Alter von etwa 20 Jahren nimmt der Energieverbrauch dann kontinuierlich um etwa 3 Prozent pro Jahr ab, bleibt zwischen 20 und 60 Jahren stabil und geht erst dann weiter langsam (um etwa 0,7 Prozent pro Jahr) zurück. Bemerkenswerterweise haben somit weder Teenager einen besonders hohen Kalorienbedarf noch Schwangere – wenn man ihr wachsendes Körpergewicht mit einbezieht.
Ein Grund für den ab 60 sinkenden Energiebedarf könnte der bekannte Rückgang der Muskelmasse im Alter sein, denn Muskeln verbrauchen mehr Energie als Fettgewebe. Allerdings bezogen die Autoren die Muskelmasse als Korrekturfaktor in ihre Berechnungen mit ein. Pontzer zufolge wird somit wohl tatsächlich der Metabolismus auf Zellebene langsamer. Die Ergebnisse deuteten darauf hin, dass die Arbeit, die die Zellen verrichten, sich im Laufe des Lebens stärker verändere, als man das früher für möglich gehalten habe, so der Autor.