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Klare Indikationen für den Hormonersatz

Lange Zeit hatte die Hormonersatztherapie in den Wechseljahren einen schlechten Ruf. Zurzeit erlebt sie ein Revival: Insbesondere bioidentischen Hormonen werden zahlreiche Vorteile für die Gesundheit zugeschrieben. Was kann die HRT – und was nicht?
Clara Wildenrath
25.05.2023  11:00 Uhr

In ihrer rund 60-jährigen Geschichte erlebte die Hormonersatztherapie (HRT) für Frauen in den Wechseljahren manchen Imagewandel. In den 1960er-Jahren wurden konjugierte Estrogene aus Stutenurin als »Jungbrunnen« gefeiert. Nach ein paar Jahren stellte sich heraus, dass unter einer Estrogen-Monotherapie das Risiko für Endometriumkarzinome steigt. Die Entdeckung, dass sich dieses Risiko durch die Kombination mit einem Gestagen senken lässt, führte in den 1990er-Jahren zur Hochphase der HRT. Sie galt für Frauen ab der Lebensmitte als Standard – nicht nur zur Behandlung menopausaler Symptome, sondern auch zur Prävention von Osteoporose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Im Jahr 2002 wurden die Ergebnisse der großen WHI-Studie (Women᾿s Health Initiative) veröffentlicht. Nach einem Follow-up von rund fünf Jahren zeigte sich in der Gruppe mit einer kombinierten HRT ein erhöhtes Risiko für Brustkrebs, Thrombosen und Schlaganfälle. Wegen eines negativen Nutzen-Risiko-Profils wurde die Studie vorzeitig abgebrochen. Schlagartig ging die Verordnung von Hormonen zur Behandlung klimakterischer Beschwerden zurück.

Nachdem die HRT zwischenzeitlich verteufelt und in Fachkreisen vereinzelt sogar mit dem Contergan-Skandal verglichen wurde, begann vor einigen Jahren ein erneuter Aufschwung. Ein Grund ist die Neuinterpretation der WHI-Ergebnisse. Weil das durchschnittliche Alter der Studienteilnehmerinnen mit 63,3 Jahren sehr hoch lag und die eingesetzten konjugierten Estrogene weder hinsichtlich der Dosis noch des Applikationswegs modernen Präparaten entsprachen, gilt die Studie heute nur noch als eingeschränkt aussagekräftig.

Einen regelrechten Hype in der populärwissenschaftlichen Literatur und in den sozialen Medien erleben derzeit die bioidentischen Hormone, zunächst in den USA und zunehmend auch in Deutschland. Prominente wie die amerikanische Talk-Ikone Oprah Winfrey propagieren sie sogar als Lifestyle- und Anti-Aging-Mittel, das Hitzewallungen und Schlafprobleme verschwinden lässt, Haut und Gewebe strafft, die Knochen stärkt, Liebesleben und Stimmung verbessert und vor Demenz schützt. Unabhängig von der Art der eingesetzten Hormone: Als Lifestyle-Medikament ist die HRT in Deutschland nicht zugelassen.

Was sind bioidentische Hormone?

Konjugierte equine Estrogene (CEE), wie sie in der WHI und vielen anderen Studien zur Anwendung kamen, enthalten ein Gemisch verschiedener Steroide, die im Urin trächtiger Stuten vorkommen. Sie ähneln zwar zum Teil humanen Hormonen und können in vivo in Estradiol umgewandelt werden, sind aber in ihrer Wirkung nicht identisch. Das synthetisch hergestellte Estradiolvalerat wird nach der gastrointestinalen Resorption zu Estradiol und Valerinsäure gespalten. Ebenfalls zur HRT zugelassen ist das synthetische Steroid Tibolon, das estrogene, progestogene und androgene Wirkungen hat.

Die sogenannten bioidentischen Hormone haben dieselbe chemische Struktur wie die im menschlichen Körper produzierten Botenstoffe. Dadurch passen sie exakt zu den jeweiligen Rezeptoren und entfalten dieselben Wirkungen. Bei der systemischen HRT handelt es sich im Wesentlichen um Estradiol (E2) und Progesteron. Für die vaginale Anwendung steht außerdem bioidentisches Estriol (E3) zur Verfügung.

Ein potenzieller neuer Kandidat für die bioidentische HRT ist Estetrol (E4) – ein Estrogen, das während einer Schwangerschaft in der Leber des Fetus gebildet wird. In klinischen Studien konnte oral eingenommenes Estetrol Hitzewallungen in der Postmenopause reduzieren und den Knochenabbau hemmen. Das Gerinnungssystem scheint Estetrol im Vergleich zu anderen Estrogenen dagegen kaum zu beeinflussen. Anfang 2022 wurden positive Ergebnisse des Phase-III-Studienprogramms berichtet. Die Zulassung von Estetrol zur HRT steht noch aus; als Bestandteil eines kombinierten Kontrazeptivums ist es bereits seit 2021 erhältlich.

In Deutschland wird in der HRT – anders als in den USA– schon seit Jahren vorwiegend das bioidentische 17β-Estradiol (E2) eingesetzt, ist also Standard. Ausgangsstoff für die Herstellung ist Diosgenin aus der Yamswurzel oder Stigmasterin aus Sojabohnen.

Aus den gleichen Grundstoffen lässt sich auch bioidentisches Progesteron synthetisieren. Da dieses eine relativ geringe systemische Bioverfügbarkeit hat, enthält die kombinierte HRT oft eine synthetische Gestagenkomponente wie Norethisteronacetat, Levonorgestrel oder Dienogest. Diese Gestagene unterscheiden sich in ihrer Bioverfügbarkeit und Wirkung auf verschiedene Steroidrezeptoren zum Teil beträchtlich. Nachdem es durch die Mikronisierung der Substanzpartikel gelang, die Resorption von bioidentischem Progesteron zu verbessern, kommt dieses zunehmend auch in der HRT zum Einsatz.

Vorteile der transdermalen Anwendung

Hormone lassen sich nicht nur oral anwenden, sondern auch transdermal – als Gel, Pflaster oder Spray. Die Applikation von Estradiol über die Haut umgeht den First-Pass-Metabolismus in der Leber. Das erhöht zum einen die Bioverfügbarkeit, weshalb in der Regel deutlich geringere Dosierungen wirksam sind. Zum anderen legen Beobachtungsstudien nahe, dass das Risiko für venöse Thromboembolien im Gegensatz zur oralen Gabe nicht steigt.

Progesteron ist als Gestagenkomponente der HRT allerdings nur in oraler Form zugelassen. Hier reicht die transdermale Aufnahme nach bisherigen Erkenntnissen nicht aus, um der Estrogen-vermittelten Risikoerhöhung für Endometriumkarzinome entgegenzuwirken. Off Label werden zur HRT gelegentlich auch vaginale Progesteron-Präparate eingesetzt; für diese Indikation liegen jedoch keine gesicherten Studienergebnisse vor.

Wann ist eine HRT indiziert?

Der Großteil der verfügbaren Evidenz zur HRT stammt aus Studien, in denen konjugierte equine Estrogene und synthetische Gestagene verwendet wurden. Groß angelegte randomisierte Studien zur bioidentischen Hormontherapie mit ausreichend langem Follow-up fehlen bislang. Bei den drei zugelassenen Indikationen einer HRT wird nicht nach Herkunft der Hormone unterschieden.

  • Klar ist: Die HRT – egal ob bioidentisch oder nicht – ist das wirksamste Mittel gegen vasomotorische Beschwerden in den Wechseljahren. Die Frequenz der Hitzewallungen geht im Schnitt um 75 Prozent zurück. Die S3-Leitlinie »Peri- und Postmenopause– Diagnostik und Interventionen« (Stand September 2020) spricht deshalb eine klare Empfehlung aus, Patientinnen mit vasomotorischen Beschwerden eine HRT anzubieten.
    Frauen, deren Gebärmutter operativ entfernt wurde, erhalten in der Regel eine reine Estrogentherapie. Bei allen anderen ist eine Gestagenkomponente zum Schutz des Endometriums erforderlich. Sie wird entweder kontinuierlich oder sequenziell über mindestens zehn Tage pro Monat eingenommen. Letzteres empfehlen viele Experten für Frauen vor der Menopause, die noch menstruieren. Gemäß Leitlinienkommission sollten Ärzte bevorzugt transdermale Estrogenpräparate verschreiben, da diese mutmaßlich ein günstigeres Risikoprofil haben.
  • Unabhängig von eventuellen Symptomen ist die Substitution der Sexualhormone zudem bei Frauen mit einer vorzeitigen Menopause (prämature Ovarialinsuffizienz) indiziert – wenn also die Eierstöcke, zum Beispiel aufgrund einer Chemotherapie, ihre Funktion schon vor dem 40. Lebensjahr einstellen. Der unphysiologisch lange Estrogenmangel erhöht das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und osteoporotische Frakturen. Alternativ zur HRT können die Frauen bis zum natürlichen Menopausenalter auch ein kombiniertes orales Kontrazeptivum einnehmen. Studien weisen jedoch darauf hin, dass der kardioprotektive Effekt der HRT höher ist.
  • Einzige weitere Indikation einer systemischen HRT ist die Prävention und Behandlung von Osteoporose bei Frauen mit hohem Frakturrisiko, wenn sie unter Wechseljahresbeschwerden leiden oder wenn Unverträglichkeiten oder Kontraindikationen gegenüber anderen Osteoporose-Medikamenten bestehen. Dass eine HRT das Risiko von osteoporotischen Schenkelhals-, Wirbelkörper- und nicht vertebralen Brüchen signifikant senkt, gilt durch zahlreiche Studien als hinreichend belegt.

Kardiovaskulärer Nutzen contra Risiken

Weniger eindeutig ist die Studienlage zur Prävention anderer chronischer Erkrankungen. Insbesondere die Erwartung, dass sich durch die HRT das Herz-Kreislauf-Risiko senken lässt, erfüllte sich bisher nicht. Sie speist sich aus der Beobachtung, dass Frauen vor der Menopause deutlich seltener einen Herzinfarkt erleiden als Männer, die Inzidenz danach aber ansteigt. Einen signifikanten Einfluss der HRT auf das koronare Risiko belegen jedoch weder die WHI-Studie noch eine große Cochrane-Metaanalyse von 19 randomisierten Interventionsstudien mit mehr als 40.000 Teilnehmerinnen.

Allerdings fanden sich Hinweise, dass eine vor dem 60. Lebensjahr beziehungsweise innerhalb von zehn Jahren nach der Menopause begonnene HRT die Wahrscheinlichkeit eines Herzinfarkts vermindern kann. In der WHI-Studie war das kardiovaskuläre Risiko unter einer reinen Estrogentherapie in allen Altersgruppen niedriger als unter der kombinierten HRT. Vor allem Medroxyprogesteronacetat in hohen Dosen scheint sich nachteilig auszuwirken. Deshalb liegt die Annahme nahe, dass die Gestagenkomponente hier einen entscheidenden Einfluss hat. Der Effekt von modernen Gestagenen oder bioidentischem Progesteron sei bisher nur ungenügend durch randomisierte Interventionsstudien geprüft, erklären die Leitlinienautoren.

In der WHI-Studie ergab sich unter der kombinierten HRT darüber hinaus eine signifikante Risikosteigerung um 87 Prozent für tiefe Beinvenenthrombosen und um 37 Prozent für Schlaganfälle. Verantwortlich dafür ist mutmaßlich vor allem das Estrogen, das bei oraler Einnahme in hohen Konzentrationen in die Leber gelangt und die Synthese von Gerinnungsfaktoren stimuliert. Die Zugabe von Medroxyprogesteronacetat scheint diesen Effekt noch zu verstärken, während bioidentisches Progesteron und neuere Derivate wie Dydrogesteron und Medrogeston offenbar neutral wirken. Für das individuelle Risiko spielen darüber hinaus Faktoren wie Alter, Gewicht und genetische Prädisposition, zum Beispiel eine Faktor-V-Leiden-Mutation, eine wichtige Rolle.

Bei einer transdermalen Estrogenanwendung ergab sich in großen Beobachtungsstudien bisher kein Hinweis auf ein erhöhtes thromboembolisches Risiko. Eine britische registerbasierte Fall-Kontroll-Studie fand allerdings ein erhöhtes Schlaganfallrisiko für hoch dosiertes transdermales Estrogen (über 50 µg). Valide Daten aus randomisierten Interventionsstudien fehlen auch hier.

Wegen der geringen Evidenz für einen Einfluss auf das kardiovaskuläre Risiko und wegen des möglichen Thromboserisikos ist eine HRT laut Leitlinienempfehlung zur Prävention koronarer Herzerkrankungen ungeeignet. Zur Behandlung klimakterischer Beschwerden sollte sie aus denselben Gründen vor dem 60. Lebensjahr begonnen werden.

Demenz und Depressionen: Effekt unklar

Ähnlich wie die Herzinfarktrate steigt nach der Menopause auch die Rate an Demenzerkrankungen bei Frauen deutlich an. Auch hierfür wird der sinkende Estrogenspiegel mitverantwortlich gemacht. Ob sich durch eine Hormonsubstitution das Demenzrisiko beeinflussen lässt, ist ebenfalls unklar.

Daten aus der WHI-Studie legen nahe, dass es bei Beginn einer HRT nach dem 65. Lebensjahr sogar steigt. In elf großen Kohortenstudien ließ sich dagegen kein Zusammenhang nachweisen – unabhängig von Dauer und Startzeitpunkt der HRT. Lediglich in einer retrospektiven Studie fand sich ein signifikant reduziertes Demenzrisiko für Frauen, die Hormone bekommen hatten.

Viele Frauen belasten in den Wechseljahren nicht nur Hitzewallungen und Nachtschweiß, sondern auch Antriebsmangel, Niedergeschlagenheit und depressive Episoden. Eine Hormontherapie kann psychische Symptome unter Umständen lindern. Es gibt Hinweise auf eine antidepressive Wirkung der HRT – allerdings ist die Datenlage spärlich und nicht eindeutig. Nach Ansicht der Leitlinienautoren kann sie zur Behandlung von Stimmungsschwankungen (off Label) erwogen werden, wenn ein zeitlicher Zusammenhang mit der Menopause besteht. Eine kleinere randomisierte Studie belegt darüber hinaus, dass eine zwölfmonatige HRT mit transdermalem Estradiol und mikronisiertem Progesteron auch zur Prävention depressiver Symptome beitragen kann.

Lässt die Libido aufgrund des sinkenden Hormonspiegels nach, kann eine HRT (off Label) ebenfalls helfen. Manchmal reicht die klassische Kombination von Estrogen und Gestagen jedoch nicht aus, um das sexuelle Verlangen wieder zu wecken.

Wenn die Patientin sehr unter ihrer Unlust leidet und andere Ursachen wie etwa Beziehungsprobleme ausschließt, besteht die Möglichkeit einer Off-Label-Testosterontherapie. Da transdermale Präparate in adäquater Dosierung in Deutschland nicht zur Verfügung stehen, kann der Arzt dafür eine Magistralrezeptur aus der Apotheke anfordern. Für sinnvoll hält die Leitliniengruppe beispielsweise mikronisiertes Testosteron in einer Liposomengrundlage in einer Konzentration von 3 mg pro Hub im Dosierspender. Dabei sollte der Arzt regelmäßig überprüfen, dass der Testosteronspiegel im weiblichen Normbereich bleibt und keine klinischen Zeichen einer »Vermännlichung« auftreten (etwa Veränderungen der Stimme oder der Behaarung).

Vaginale Symptome besser topisch behandeln

Sind sexuelle Probleme dagegen in erster Linie durch Scheidentrockenheit (vulvovaginale Atrophie) bedingt, ist eine systemische HRT nicht die erste Wahl. Sie erzielt insbesondere in niedrigen Dosierungen oft keine ausreichende Wirkung auf das Vaginalepithel. Stattdessen – bei behandlungsbedürftigen vasomotorischen Beschwerden auch zusätzlich – rät die Leitlinie zur lokalen Estriol-Therapie mit Vaginalcremes, -tabletten, -zäpfchen oder -ringen. Ebenfalls zugelassen ist Prasteron, das mit dem humanen Prohormon Dehydroepiandrosteron (DHEA) biochemisch identisch ist. Nach Applikation der Vaginalzäpfchen wird es in Estrogene und Androgene umgewandelt.

Hormonfreie Befeuchtungs- oder Gleitmittel konnten vaginale Schmerzen, Juckreiz und Trockenheit in Studien in etwa demselben Maß lindern wie ein topisches Estrogenpräparat. Auf den hormonell bedingten Abbau der Vaginalschleimhaut und den pH-Wert wirkten sie sich allerdings nicht aus.

Eine systemische HRT kann eine Harninkontinenz in und nach den Wechseljahren nicht nur nicht verhindern, sondern im Gegenteil sogar fördern. Das belegt unter anderem ein großer Cochrane-Review: Eine orale Estrogen-Monotherapie vervierfachte das Risiko einer Belastungsinkontinenz, eine kombinierte HRT verdreifachte es knapp. Bestehende Symptome einer Blasenschwäche verschlechterten sich mit einer Wahrscheinlichkeit von 10 bis 30 Prozent. Über dieses Risiko sollten Ärzte und Apotheker Frauen vor Beginn einer HRT informieren.

Eine vaginale Estrogentherapie wirkt sich dagegen nachweislich positiv auf Inkontinenzbeschwerden aus – unabhängig vom Zustand der Scheidenschleimhaut. Auch bei einer überaktiven Blase mit Drangsymptomatik und bei häufigen Harnwegsinfekten kann topisches Estrogen (off Label) helfen.

Einfluss auf das Krebsrisiko

Viele Frauen mit menopausalen Beschwerden könnten von einer HRT profitieren, wenden die verordneten Präparate jedoch nicht an, weil sie Angst vor Brustkrebs haben. Hier kann das Apothekenteam viel zur Aufklärung beitragen.

Zwar belegte eine 2019 publizierte umfangreiche Metaanalyse von Interventions- und Beobachtungsstudien, dass jede Form der HRT das Brustkrebsrisiko erhöht. Die absoluten Zahlen sind jedoch im Vergleich zu anderen beeinflussbaren Risikofaktoren, etwa Übergewicht und Rauchen, nicht hoch (Kasten). Und sie hängen stark von der Behandlungsdauer ab. Eine HRT von maximal einem Jahr steigert das Risiko offensichtlich nicht. Bei einer Dauer von mehr als zehn Jahren ist es etwa doppelt so hoch wie bei fünf Jahren. Nach dem Ende der Hormontherapie sinkt die Gefahr einer Krebserkrankung wieder.

Unter einer sequenziellen Gestagengabe scheint das Risiko geringer zu sein als unter einer kontinuierlichen. Epidemiologische Daten weisen darauf hin, dass synthetische Gestagene mit einem höheren Risiko verbunden sind als bioidentisches Progesteron.

Eine Estrogen-Monotherapie erhöht das Brustkrebsrisiko – wenn überhaupt – in weitaus geringerem Maß als die kombinierte HRT; in der WHI-Studie zeigte sich sogar ein schützender Effekt. Topisches Estrogen in der Vagina hat nach bisherigen Erkenntnissen auch bei einer langjährigen Anwendung keinen Einfluss auf das Krebsrisiko.

Die Zugabe eines Gestagens gilt zwar prinzipiell als effektiver Schutz vor der Entstehung eines Endometriumkarzinoms, bei einer Therapiedauer von mehr als sechs Jahren kann das Risiko dennoch leicht ansteigen. Medroxyprogesteron scheint gegenüber Dydrosteron oder Progesteron sogar einen ausgeprägteren protektiven Effekt zu haben.

Auch das Risiko für ein Ovarialkarzinom erhöht sich unter der HRT geringfügig. Pro 1000 über fünf Jahre behandelte Frauen erkrankt laut einer Metaanalyse von 52 Studien eine Frau zusätzlich daran.

Dagegen reduziert die Hormontherapie das Risiko für Darmkrebs. In der WHI-Studie erhielten in der Placebogruppe 16 von 10.000 Frauen die Diagnose Darmkrebs, in der Gruppe mit einer kombinierten HRT waren es nur zehn. Auch in fast allen neueren Studien zeigte sich eine Risikoreduktion – im Schnitt etwa um ein Viertel. Eine Indikation für einen präventiven Einsatz der HRT ergibt sich laut Leitlinie daraus jedoch nicht.

Individuelle Nutzen-Risiko-Analyse

Je nach persönlicher Vorgeschichte, familiärer Belastung, Begleiterkrankungen und individuellem Leidensdruck kann die Nutzen-Risiko-Bewertung einer HRT für jede Patientin unterschiedlich ausfallen. Für Frauen, die bereits Brustkrebs hatten, kommt sie in der Regel nicht infrage. Zwar belegen Studien nicht eindeutig, dass das Rezidivrisiko durch eine HRT steigt – die Evidenz reicht jedoch auch nicht, um das auszuschließen.

Die Leitlinienautoren sprechen daher eine »Soll«-Empfehlung aus, nach einem Mammakarzinom auf eine HRT zu verzichten. Lediglich im Einzelfall könne sie erwogen werden, wenn nicht hormonelle Therapien versagt haben und die menopausalen Beschwerden die Lebensqualität der Patientin erheblich einschränken. Für vertretbar halten sie die vaginale Applikation von ultraniedrig dosiertem Estriol (0,03 mg dreimal pro Woche) bei urogenitalen Symptomen.

Auch ein behandeltes Endometrium- oder Ovarialkarzinom gilt nicht als absolute Kontraindikation für eine systemische HRT. Arzt und Patientin sollten den zu erwartenden Nutzen bei belastenden Symptomen sorgfältig gegen das mögliche Rezidivrisiko abwägen.

Nur mit Vorsicht eingesetzt werden soll eine HRT bei Vorerkrankungen mit erhöhter Flüssigkeitsretention, zum Beispiel Herz- oder Niereninsuffizienz, sowie bei Asthma oder Migräne, erklären die Leitlinienautoren. Kontraindiziert ist sie bei Leberfunktionsstörungen mit erhöhten Leberenzymwerten.

Die Applikationsform kann die individuelle Nutzen-Risiko-Relation beeinflussen. Insbesondere bei Frauen mit höherem Thromboserisiko – etwa bei Raucherinnen oder stark Übergewichtigen – ist eine transdermale Anwendung vorteilhaft. Auch Patientinnen mit einer Neigung zu Gallenwegserkrankungen und -steinen profitieren möglicherweise von der transdermalen Applikation, weil diese einen geringeren cholestatischen Effekt zeigte. Dagegen kann sich eine orale Therapie günstig auf den Lipidstoffwechsel auswirken: Sie führt zu einer relativen Erhöhung der HDL-Cholesterol-Fraktion. Bei Frauen mit Diabetes kann eine orale HRT die Blutzuckerwerte (Nüchternglucose, Insulin, HbA1c) verbessern. Das scheint bei transdermalen Präparaten nicht der Fall zu sein.

Eine Empfehlung, die HRT so kurz und so niedrig dosiert wie möglich durchzuführen, gibt es in der aktuellen Leitlinie nicht mehr. Sie sollte jedoch möglichst vor dem 60. Lebensjahr begonnen werden. Die Länge richtet sich nach den Beschwerden. Nach Therapieende können die vasomotorischen Beschwerden erneut auftreten – darauf sollten Ärzte und Apotheker die Frauen vor dem Start hinweisen. Durch allmähliches Ausschleichen lässt sich das kurzfristig möglicherweise reduzieren. Langfristig ist das Wiederauftreten von Symptomen jedoch unabhängig davon, ob die Frau die Hormone plötzlich oder langsam absetzt.

Hormonfreie Alternativen

Für Frauen, die eine Hormontherapie ablehnen oder wenn diese für sie aufgrund von Kontraindikationen nicht infrage kommt, können pflanzliche Arzneimittel eine Alternative sein. Allerdings ist der Nutzen der meisten Phytotherapeutika in Studien nur unzureichend nachgewiesen.

Am besten ist die Datenlage zum Einsatz der Traubensilberkerze (Cimicifuga racemosa) bei Hitzewallungen und anderen Wechseljahrsbeschwerden. In einer kleineren Studie war ein Cimicifuga-Präparat ebenso wirksam wie eine niedrig dosierte HRT. In einem Cochrane-Review fand sich zwar eine Tendenz zur Wirksamkeit, aber keine Signifikanz. Die Leitlinie spricht deshalb eine »Kann«-Empfehlung aus.

Einen »möglichen Nutzen« attestiert sie aufgrund der Studienlage auch Phytoestrogenen wie Genistein (30 bis 60 mg/Tag), Isoflavonen (> 30 mg/Tag), Rotklee-Extrakten und Rhapontik-Rhabarber (Rheum rhaponticum). Frauen, die bereits an Brustkrebs erkrankt waren, sollten sie wegen ihrer Wirkung auf die Estrogenrezeptoren jedoch nicht einnehmen. Cimicifuga-Arzneimittel scheinen der aktuellen Datenlage zufolge dagegen auchfür diese Patientinnen sicher zu sein.Gleiches gilt für Johanniskraut (300 mg/Tag) und die kognitive Verhaltenstherapie, die in klinischen Studien ebenfalls die Frequenz von Hitzewallungen reduzierten.

Fazit

Der Vorteil der bioidentischen Hormone liegt im Wesentlichen in der transdermalen Anwendung von Estradiol. Sie umgeht den First-Pass-Effekt und reduziert dadurch im Vergleich zur oralen Gabe das thromboembolische Risiko. Die Leitlinienautoren empfehlen daher, transdermale Applikationsformen zu bevorzugen. Die Evidenz für Nutzen und Risiken der HRT stammt jedoch fast ausschließlich aus der Behandlung mit oralen synthetischen Hormonen. Hinweise, dass sich bioidentisches Progesteron möglicherweise weniger nachteilig auf das Herz-Kreislauf- und Brustkrebsrisiko auswirkt als ältere synthetische Gestagene, sind bislang nicht ausreichend durch randomisierte Studien belegt.

Egal, ob bioidentisch oder nicht: Für eine Hormontherapie in den Wechseljahren gibt es klare Indikationen – im Vordergrund der systemischen Behandlung steht die Reduktion belastender Hitzewallungen. Bei der gemeinsamen Entscheidungsfindung sollten Arzt und Patientin sorgfältig die individuellen Risiken und den erhofften Nutzen gegeneinander abwägen.

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