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ALBVVG im Bundestag

Kippels kämpft für Apotheken

Erstmals hat der Bundestag am gestrigen Mittwochabend über den Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Lieferengpässen beraten. Das glühendste Plädoyer für die Apotheken hielt in der Aussprache Georg Kippels (CDU). Er hält ihren Einsatz als »heroisch« und bezeichnete sie als »die Kämpfer an der Theke«.
Jennifer Evans
25.05.2023  09:30 Uhr

Am gestrigen Mittwochabend hat der Bundestag erstmals über das sogenannte Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) beraten. Zehn Gesundheitspolitikerinnen und -politiker äußerten sich zu den Plänen des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), die Änderungen im Bereich der Festbeträge, Rabattverträge und der Versorgung mit Kinderarzneimitteln vorsehen.

Die Debatte eröffnete Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) unter anderem mit den Worten, dass es sich um ein »sehr wichtiges« und »lange überfälliges Gesetz« handele und gab zu, zu lange an der Ökonomie-Schraube gedreht zu haben.

»Überfällig« trifft es nach Ansicht von Georg Kippels (CDU) nicht. Er lässt Lauterbach nicht aus der Verantwortung. Die bereits seit Längerem angespannte Lage im Arzneimittelmarkt sei bekannt gewesen. »Warum erst jetzt?«, kritisierte er. Ein Pharmagipfel –  wie von der Union immer wieder angeregt – hätte womöglich Lösungen entwickeln können. Doch auch dieser habe nie stattgefunden, bemängelte der CDU-Apothekenexperte.

Wer »laut schreit«, gewinnt nicht mehr

Ohnehin kämen die Apothekerinnen und Apotheker aus seiner Sicht im Entwurf zu kurz. Sie seien schließlich »die Kämpfer an der Theke«, die mit »heroischem Einsatz« Lösungen für die Patienten suchten. Die im Gesetzentwurf angedachten 50 Cent für das Lieferengpass-Management hätten nichts mit einer »realistischen Kompensierung« zu tun. Er rät Lauterbach daher, sich den Beschluss des Bundesrats »zu Herzen zu nehmen«. Mit diesen Änderungen ließe sich dann noch »ein gutes Gesetz machen«. In den Beschluss waren viele Anträge der Länder eingeflossen, die sich vor allem mit der Stärkung der Vor-Ort-Apotheke befassten.

Die Grünen-Politikerin und Berichterstatterin für Arzneimittel, Paula Piechotta, stellte zum wiederholten Male klar, dass die Regierung nicht vorgehabt habe, das ALBVVG als ein »Alles-Sorglos-Gesetz« zu konzipieren. Und das sei auch »okay so«. Sie betonte mit Blick auf Kippels glühendes Plädoyer, dass es neben den Apothekern noch andere Akteure im Gesundheitsmarkt gebe und sich zudem nicht jedes Problem im Markt über die GKV-Finanzen lösen ließe. Dennoch werde die Ampel-Koalition weiter prüfen, wo etwaige Fehlanreize lägen. Eines versprach sie aber sicher: Im Zentrum der Überlegungen stehe nicht der, »der am lautesten schreit« oder »großformatige Briefe an die Abgeordneten« versende, sondern der Patient.

FDP will Nullretaxationen abschaffen

Auch der Gesundheitspolitiker Jörg Schneider (AfD) tadelte angesichts der zunehmenden Lieferengpass-Problematik die »Trippelschritte« der Regierung. Für die Mehrarbeit in den Apotheken hält er ebenfalls die vorgesehenen 50 Cent für nicht angemessen. Auch wegen anderer Punkte, die der AfD nicht schmeckten, will seine Fraktion dem Gesetz laut Schneider »nicht zustimmen«.

Eine komplette Abkehr von Nullretaxationen wünscht sich die FDP. Allerdings wies der apothekenpolitische Sprecher Lars Lindemann hinsichtlich der Vorhaben im ALBVVG auch auf die »engen Spielräume beim Finanzrahmen« hin. Das ruft seiner Auffassung nach einen Zielkonflikt hervor. Oder anders: Es sei schwierig, Stabilität in die GKV-Finanzen zu bringen, die Patienten bestmöglich zu versorgen und gleichzeitig Kosten einzusparen. Grundsätzlich pocht die FDP aber auf mehr Flexibilität beim Austausch von Arzneimitteln und weniger Bürokratie in den Apotheken. Grundsätzlich würde er gern all die Erleichterungen verstetigen, die während der Coronavirus-Pandemie geschaffen worden waren.

Auch der SPD-Abgeordnete Dirk Heidenblut ist der Ansicht, dass Apotheken Retaxationen nicht befürchten müssen sollten. Nullretaxation sei etwas, das »nicht mehr in die Zeit gehört«. Während Lindemann im Zusammenhang von Abgabefehlern von anteiligen Honorarkürzungen sprach, brachte Heidenblut »Bagatellgrenzen« ins Spiel. Damit will der SPD-Gesundheitspolitiker sicherstellen, dass die Post nicht am Ende teurer wird als der Korrekturwert.

Apotheken können Angestellte so nicht bezahlen

Die größte Schieflage in Lauterbachs Entwurf sieht Kathrin Vogler (Die Linke) darin, dass der Minister sich lediglich auf Kinderarzneimittel konzentriert. Sie hob zudem hervor, dass die 50 Cent für das Engpass-Management in den Apotheken gerade einmal 90 Sekunden Arbeitszeit eines Mitarbeiters in der allerniedrigsten Gehaltsstufe abdeckten. Damit könne keine Apotheke ihre Angestellten bezahlen, so Vogler.

Mit einem kurzfristigen Antrag wollte die Linksfraktion das ALBVVG noch nachschärfen. Konkret ging es um die Abschaffung der Rabattverträge sowie der Importförderklausel. Und für die Industrie sollte nach Ansicht der Linken sowohl ein fünfmonatiger Arzneimittelvorrat für wichtige Präparate verpflichtend sein als auch die Meldung bestehender und erwarteter Engpässe inklusive entsprechender Gründe. Um die Anbietervielfalt zu erhöhen, wollte sie zudem Rabattverträge durch »eine maßvoll verschärfte Festbetragsregelung« ersetzen. Vogler zählte während der Debatte die Forderungen noch einmal auf. 

Deutlich zurückhaltender äußerte sich Martina Stamm-Fibich. Die SPD-Politikerin hält das ALBVVG wie Piechotta nicht für den großen Wurf, doch: »Es trägt zur Lösung des Problems bei«, sagte sie. Was die Apotheken angeht, versprach Stamm-Fibich zumindest, sie bürokratisch entlasten zu wollen. Man werde die bestehenden Regelungen flexibilisieren und unnötige bürokratische Schritte abbauen, betonte sie.

Anders sah das CDU-Gesundheitspolitiker Dietrich Monstadt. Er will hingegen an der Präqualifizierung festhalten, um andere Leistungserbringer nicht zu benachteiligen. Außerdem ersetzen die Regelungen in der Apothekenbetriebsordnung seiner Ansicht nach keine Präqualifizierung.

Nach dieser Aussprache im Bundestag wird der Gesetzentwurf zusammen mit dem Antrag der Linksfraktion zur Beratung dem Gesundheitsausschuss übergeben. 

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