Keime mit Keimen bekämpfen? |
Carolin Lang |
05.05.2022 15:00 Uhr |
Durch probiotische Reinigungsmittel sollen sich harmlose Keime in Räumen ausbreiten und mit Krankheitserregern um Platz und Nahrung konkurrieren. / Foto: Getty Images/Guido Mieth
Dazu führte die Arbeitsgruppe um Erstautor Dr. Tilman E. Klassert für jeweils 13 Wochen die tägliche Flächenreinigung in neun Zimmern einer neurologischen Station der Berliner Charité mit einem üblichem Desinfektionsmittel, einem Haushaltsreiniger und einem probiotischen Reinigungsmittel durch. Das Prinzip hinter Letzterem: Enthaltene harmlose Keime – in diesem Fall verschiedenen Stäbchenbakterien – sollen sich in Räumen ausbreiten und mit Krankheitserregern um Platz und Nahrung konkurrieren.
Nach einer sechswöchigen Umstellungszeit nahm das Team dann wöchentlich Abstriche von Türklinken, Fußböden und Waschbecken der Räume. Auch von den Patientinnen und Patienten in den Zimmern wurden Nasen- und Rektalabstriche genommen. Mithilfe von Sequenzierungsverfahren und PCR-Analysen bestimmte das Team die Menge der Bakteriengemeinschaften und deren Artenzusammensetzung. Die Ergebnisse erschienen kürzlich im Fachjournal »Clinical Microbiology and Infection«.
Im Waschbecken fand das Team demnach die größte Bakterienmasse vor, gefolgt von der Türklinke und schließlich dem Boden. Im Vergleich zu den anderen Reinigungsmethoden veränderte die probiotische Reinigung die ortstypische Umgebungsbesiedlung jeweils leicht. Im Waschbecken war der Effekt verglichen mit der Anwendung von Desinfektionsmitteln signifikant. Hinsichtlich der Mikrobenvielfalt stellte die Arbeitsgruppe fest: Im Vergleich zur probiotischen Reinigung führte die Desinfektion auf den untersuchten Oberflächen auf Ebene der vorkommenden Bakterienarten und -Stämme zu einer deutlich geringeren Mikrobenvielfalt .
»Wir beobachten in den Krankenzimmern eine signifikante Verschiebung der Umgebungsmikrobiota nach Anwendung einer probiotischen Reinigungsstrategie. Die daraus resultierenden Strukturen der mikrobiellen Ökosysteme sind komplexer und stabiler«, sagt Klassert in einer Mitteilung der Universität Jena. Das Patientenscreening belegte, dass dieser Effekt tatsächlich von den Putzregimes herrühren musste.
Der interessanteste Effekt jedoch, den das probiotische Reinigungsregime laut der Jenaer Arbeitsgruppenleiterin Professor Dr. Hortense Slevogt bewirkte, war »eine signifikante Reduktion insbesondere jener Antibiotikaresistenzgene, die in den multiresistenten MRSA-Bakterien gefunden werden.«
Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass die probiotische Reinigung eine interessante Strategie für das Hygienemanagement in Krankenhäusern darstellt, schlussfolgern die Autoren und Autorinnen. Es seien randomisierte klinische Studien mit dem Endpunkt nosokomialer Infektionen erforderlich, um die Auswirkungen weiter zu validieren.