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Neuer Bundesgesundheitsminister

Karl Lauterbach und die Apotheker

Professor Karl Lauterbach (SPD) wird neuer Bundesgesundheitsminister. Was bedeutet das für die Apotheker? Eigenen Aussagen zufolge schätzt der Medizin-Professor die Arbeit der Pharmazeuten. Allerdings hat er gerade im Versandhandelskonflikt mehrfach eine Liberalisierung befürwortet. Eine Reform des Apothekenhonorars könnte mit Lauterbach kommen. Eine Analyse.
Benjamin Rohrer
06.12.2021  18:00 Uhr

In normalen Zeiten ist das Bundesgesundheitsministerium (BMG) eher ein Ministerium, das man Politikern aufdrücken muss, weil es dort wenig zu gewinnen gibt. Sowohl Jens Spahns als auch Hermann Gröhe (beide CDU) hatten sich andere Posten erhofft, bevor sie von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in den Gesundheitsbereich versetzt wurden. Bei Lauterbach ist das anders: Der SPD-Gesundheitsexperte und Mediziner antwortet auf die Frage, ob er denn Minister werden wolle, schon seit Jahren offenherzig, dass er das Amt gerne übernehmen würde.

Dass Lauterbach diesmal nun wirklich Bundesgesundheitsminister wird, ist sicherlich auch seiner unbestritten großen epidemiologischen Expertise geschuldet. Lauterbach diente nicht nur der Gesellschaft als Pandemie-Erklärer, sondern beriet auch die Bundesregierung. Seine epidemiologischen Prognosen zur Virus-Ausbreitung bewahrheiteten sich oft. Und so kam Bald-Kanzler Olaf Scholz (SPD) nicht mehr an ihm vorbei. Viele Bürger hätten sich Lauterbach als Minister gewünscht, so Scholz bei der heutigen Vorstellung der SPD-Regierungsmannschaft. »Jetzt wird er es.«

Aber auch abseits der Pandemie gibt es viele Baustellen im Gesundheitswesen, bei denen sich Lauterbach als Gesundheitspolitiker beweisen muss. Für Apotheker stellt sich natürlich die Frage, wie sich der SPD-Politiker in apotheken- und arzneimittelpolitischen Fragen positionieren wird. Klar ist: Lauterbachs Handlungsrahmen ist durch den Koalitionsvertrag klar abgesteckt. Doch gerade Jens Spahn hat gezeigt, dass ein Minister oder eine Ministerin auch eigene Schwerpunkte setzen kann und Aussagen im Koalitionsvertrag sogar durch eigene Gesetzgebungsverfahren widersprechen kann – siehe Rx-Versandverbot. Insofern lohnt es sich nachzuschauen, wie sich Lauterbach in den wichtigen Fragen des Apothekenmarktes bislang positioniert hat.

Lauterbachs apothekenpolitische Positionen

Bedeutung der Apotheke vor Ort: Lauterbach hat insbesondere in der nun endenden Legislaturperiode mehrfach erklärt, dass er die pharmazeutische Beratung in der Apotheke für sehr wichtig hält. Insbesondere in der Diskussion rund um das Rx-Versandverbot und eine mögliche Öffnung der Rx-Preisbindung sagte er, dass er die Beratung sogar noch mehr ins Zentrum der Arbeit in der Apotheke rücken wolle und diese besser vergüten wolle. Beispielsweise schlug er vor, dass Apotheker zu bestimmten Wirkstoffgruppen besondere Beratungen anbieten. Als Beispiel nannte er damals die Protonenpumpenhemmer, da es allgemein recht unbekannt sei, dass diese das Demenzrisiko erhöhten. Lauterbach schlug auch vor, dass Apotheker Patienten zu allgemeinen Gesundheitsthemen beraten könnten, beispielsweise um Informationen aus dem Internet zu relativieren. Dass im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien ausdrücklich erwähnt ist, dass die pharmazeutischen Dienstleistungen besser vergütet werden sollen, könnte auch Lauterbach zuzuschreiben sein, der den Vertrag mit verhandelt hat. Und auch während der Pandemie stellte sich der SPD-Politiker zuletzt auf die Seite der Apotheker und erklärte, dass die Pharmazeuten bedenkenlos Coronavirus-Impfungen übernehmen könnten.

Reform des Apothekenhonorars wird realistischer

 Apothekenhonorar: Eine große Reform des Apothekenhonorars wird mit Karl Lauterbach immer wahrscheinlicher. Zur Erinnerung: Weil auch Grüne und FDP schon länger Vergütungsänderungen fordern, hatten die drei Parteien im Koalitionsvertrag festgehalten, dass es ein zweites Apotheken-Stärkungsgesetz geben soll. Man wolle das Honorar effizienter gestalten und einen Sicherstellungsfonds für Landapotheken schaffen, heißt es. Dass Lauterbach eine Abkehr von der Rx-Preisbindung und somit ein flexibleres Apothekenhonorar fordert, ist schon seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Rx-Preisbindung (2016) bekannt. Der SPD-Politiker kündigte nach dem Urteil monatelang ein eigenes Vergütungskonzept mit mehr Preiswettbewerb an, das er dann aber nie vorlegte. Lauterbach sagte auch mehrfach, dass er die inzwischen geltenden Regelungen des Apotheken-Stärkungsgesetzes (Rx-Boni-Verbot im SGB V für den GKV-Markt) für europarechtswidrig halte. Mehrfach verwies er dabei auf das Veto des Bundesjustizministeriums gegen Spahns Boni-Verbot. Vielleicht wird sich das BMG unter seiner Leitung nochmals mit dem Thema beschäftigen müssen. Denn: Erst kürzlich hat der EU-Versender Doc Morris einen Teil des Boni-Verbots beklagt.

Versandhandel: Lauterbach hält den Arzneimittel-Versandhandel nicht nur für eine Versorgungsergänzung, sondern auch für einen bedeutenden Versorgungsbestandteil. Vehement setzte er sich gegen das von der Unionsfraktion geplante Rx-Versandverbot ein. Auf Twitter teilte er im März 2019 beispielsweise mit: »Apothekenversandhandel muss überleben, er wird auf Land und in der Telemedizin gebraucht.« Dass Jens Spahn das im Koalitionsvertrag der Großen Koalition verankerte Verbot nicht umsetzen wollte, begrüßte Lauterbach damals.

Reimportquote: Mit Lauterbach als Bundesgesundheitsminister könnte die Reimportquote in dieser Legislaturperiode wirklich kippen. Schon unter Spahn hatte es Versuche gegeben, die Quote zu streichen. Medienberichten zufolge hatten hochrangige CDU-Politiker dies jedoch stets verhindert. Lauterbach bezeichnete die Quote als »Sicherheitsproblem« und sagte damals wörtlich: »Wir als SPD wollen das auf jeden Fall abschaffen, weil es aus der Zeit gefallen ist.«

Rabattverträge: Grundsätzlich hält Karl Lauterbach die Arzneimittel-Rabattverträge für ein wichtiges Sparinstrument. Allerdings hat er sich in den vergangenen Jahren mehrfach dafür stark gemacht, die Verträge mit Blick auf die Arzneimittel-Lieferengpässe zu reformieren. Konkret hatte er vorgeschlagen, dass bezuschlagte Pharmaunternehmen Sanktionen zahlen müssen, wenn sie die Generika nicht liefern können. Sollten Generika nicht lieferbar sein, müssten Apotheken das Originalpräparat abgeben. Die Differenz zum Rabattarzneimittel sollten die Hersteller decken, so Lauterbachs Vorschlag.

Homöopathie: Eine weitere knifflige Frage könnte sich rund um die Homöopathie ergeben. In der nun endenden Wahlperiode gab es mehrfach Diskussionen um Krankenkassen, die ihren Versicherten im Rahmen von Satzungsleistungen die Homöopathika-Erstattung anbieten. Lauterbach sah hier Gesprächsbedarf, weil seiner Ansicht nach auch freiwillige Leistungen der Kassen wirtschaftlich und medizinisch sinnvoll sein sollten. Zu Änderungen kam es hierbei allerdings nicht.

Gematik: Was die Digitalisierung betrifft, könnte Lauterbach auf einen Konflikt mit Krankenkassen und Leistungserbringern zusteuern. Denn: Lauterbach hatte im Jahr 2019 offen Spahns Entscheidung begrüßt, die Gematik gewissermaßen zu verstaatlichen. Zur Erinnerung: Spahn hatte dem Bundestag ein Gesetz vorgelegt, nach dem das BMG in der Gematik-Gesellschafterversammlung die 51-Prozent-Mehrheit hält und somit wichtige Entscheidungen quasi im Alleingang fällen kann. Diesen Schritt nannte Lauterbach »unumwunden richtig«, weil damit die Selbstblockade zwischen Kassen und Leistungserbringern aufgehoben worden sei.

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