Politik
Die Bonner Regierungskoalition hat sich auf den Entwurf für ein "Gesetz zur Stärkung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Krankenversicherung in den neuen Ländern" verständigt und ihn unverzüglich im Bundestag eingebracht. Als Sofortmaßnahme zugunsten stabiler Krankenkassen-Finanzen werden in der Initiative kurzfristige Sparmaßnahmen verlangt, an denen sich sowohl die Kassen als auch deren Vertragspartner zu beteiligen hätten. Unter anderem wird eingefordert, die Pro-Kopf-Ausgaben je ostdeutschem Versicherten bis Ende nächsten Jahres "durch wirksame Maßnahmen" mindestens auf westdeutsches Niveau abzusenken. Davon betroffen sind nach den jüngsten Finanzdaten in erster Linie Arzneimittel, Fahrtkosten und Verwaltungsausgaben der Krankenkassen. Im dritten Quartal stark überproportionale Veränderungsraten bei Zahnersatz und stationärer Versorgung zwischen Elbe und Oder sind kurzfristig auf durchschnittliche Zuwächse zu begrenzen.
Alle Vertragsverhandlungen zwischen gesetzlicher Krankenversicherung und Leistungsanbietern, so sieht es der Gesetzentwurf vor, müßten dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität folgen. Dabei seien Veränderungen der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder der ostdeutschen Krankenversicherung in vollem Umfang« einzubeziehen. Weil die Beitragseinnahmen der Krankenkassen in den neuen Ländern zwischen Januar und September 1997 um 0,7 Prozent sanken, ließen sich Honorarabsenkungen nicht mehr völlig ausschließen.
Betriebsmittelkredite einzelner Krankenkassen sollen mit dem Gesetz legalisiert werden. Für sie gab es bisher keine Rechtsgrundlage. Jetzt müssen sie vorab von der Aufsichtsbehörde genehmigt werden. Ausschließlicher Antragsgrund ist die Abdeckung bis einschließlich Ende 1998 entstandener Defizite. Rücklagen dürfen nicht existieren. Einzige Alternative zum Kredit wären erhöhte Beitragssätze. Ferner sind ein auf fünf Jahre befristetes Sanierungs- und ein auf zehn Jahre angelegtes Entschuldungskonzept zu erstellen. Darlehen sollen vorwiegend »innerhalb des Systems« aufgenommen werden. Sie sind mit den Spitzenverbänden abzustimmen. Den Aufsichtsbehörden gibt das geplante Gesetz auf, sich kurzfristig auf eine "einheitliche Aufsichtspraxis" zu verständigen.
Ebenfalls ermöglicht werden sollen als "Selbsthilfe" kassenarteninterne Finanzhilfen auf Bundesebene. In diesem Zusammenhang wird Ersatzkassen das Recht eingeräumt, westdeutsche Beitragsmittel nach Osten zu transferieren. In der jeweiligen Kassensatzung müssen dazu die Voraussetzungen geschaffen werden. Ferner wird für Ersatzkassen die gesetzliche Verpflichtung zur getrennten Beitragssatzkalkulation und Mittelverwendung aufgehoben.
Zugunsten freiwilliger kasseninterner Finanzausgleiche sollen die Paragraphen 265 und 265a des Sozialgesetzbuches V aufgehoben werden. Sie beschränkten die Hilfe von West nach Ost auf "aufwendige Behandlungsfälle" sowie Hilfen für Kassen in besonderen Notlagen. Die Vorschriften sollen so formuliert werden, daß interne Ausgleiche und Hilfen auch als Darlehen gegeben werden können. Auch die Spitzenverbände dürften dann helfen. Ein neuer Ausgabenschub darf nicht entstehen. Die Kassen selbst müssen durch Fallmanagement bei Arbeitsunfähigkeit und Krankengeld sowie Überprüfungen der Klinik-Verweildauer Sparpotentiale erschließen. Verwaltungskosten sollen durch Personalanpassung gesenkt werden.
Ab 1999 ist dann vorbehaltlich der abschließenden parlamentarischen Beratung für zunächst drei Jahre ein bundesweiter Risikostrukturausgleich geplant. Er beschränkt sich auf die beitragspflichtigen Einnahmen. Dabei sollen in den ersten zwölf Monaten maximal 1,2 Milliarden DM von West nach Ost transferiert werden. Die Beitragsbedarfe der Kassen werden für diese Zeit weiterhin auf der Grundlage getrennt erhobener Versichertendaten und getrennt ermittelter Leistungsausgaben errechnet.
PZ-Artikel von Jürgen Becker, Bonn

© 1997 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de