Pharmazie
Klinischer Nutzen und pharmakologische Selektivität scheinen bei der Behandlung der benignen Prostatahyperplasie (BPH) mit selektiven alpha1-Blockern nicht Hand in Hand zu gehen. Zumindest beweist das eine Studie, in der ein günstiges Nutzen-Risiko-Profil nicht mit der alpha1A-Rezeptor-Subtyp-Spezifität korreliert. Das Wirkpinzip der alpha1-Blocker nutzt aus, daß Blasenhals, Harnröhre und Tonus der glatten Muskulatur der Prostata über noradrenerge alpha1-Rezeptoren stimuliert werden. Blockiert man diese, verringert sich der Tonus und erleichtert damit die Miktion. Bisher sind vier alpha-Antagonisten zur Therapie der BPH zugelassen: Terazosin (Flotrin®), Doxazosin (Cardular® Uro, Diblocin® Uro), Alfuzosin (Urion®, UroXatral®) und Tamsulosin (Alna®, Omnic®).
Terazosin und Doxazosin wirken nicht spezifisch auf prostatische alpha1-Rezeptoren, sondern antagonisieren auch die entsprechenden Rezeptoren im kardiovaskulären System. Schwindel und orthostatische Dysregulationen sind die Folge. Deshalb eignen sich diese Präparate nur für BPH-Patienten mit gleichzeitiger Hypertonie. Als Blutdruckmittel sind sie unter dem Namen Heitrin® und Cardular® sowie Diblocin® im Handel.
Weil Alfuzosin und Tamsulosin bei therapeutischer Dosierung die Obstruktion signifikant senken, aber trotzdem keine klinisch relevante Blutdrucksenkung bewirken, sagt man beiden Arzneistoffen eine gewisse Selektivität zu den Prostatarezeptoren nach. Nach derzeitigem Kenntnisstand sind in der Prostata 70 Prozent alpha1A- und 30 Prozent alpha1B- beziehungsweise alpha1D-Rezeptoren vorhanden.
Tamsulosin wird mit der Eigenschaft beworben, selektiv den alpha1A-Rezeptorsubtyp anzugreifen. Radioligand-Bindungsstudien ergaben eine etwa 20fach höhere Affinität zu alpha1A- als zu alpha1B-Adrenozeptoren und eine rund sechsfach höhere Affinität als zu alpha lD-Adrenozeptoren. Daraus schließt man die vergleichsweise gute Verträglichkeit von Tamsulosin.
Im Rahmen des Urologie-Kongresses in Wiesbaden wurde von den Firmen Byk Gulden und Synthelabo eine Studie vorgestellt, die mit Hilfe der Patch-clamp-Technik beweist, daß die selektive alphalA-Blockade nicht die pharmakologische Grundlage der Uroselektivität ist. Die Studie liefert also andere Ergebnisse als reine Rezeptorbindungsstudien. Dazu verglichen die Autoren der Studie die IC50-Konzentrationen der vier zur BPH zugelassenen alpha-Rezeptorenblocker.
Zur Erinnerung: Die IC50-Konzentration ist die Konzentration des Antagonisten, bei der die Hälfte der Bindung blockiert ist. Das heißt: Je niedriger die IC50-Konzentration, umso höher ist die Affinität zum alpha1-Rezeptor. Die Untersuchung weist Alfuzosin als die am stärksten affine Substanz zum alpha1-Rezeptor aus. Dann folgen Tamsulosin, Terazosin und Doxazosin.
Nach dieser Studie ist die klinische Uroselektivität eines alpha1-Rezeptorantagonisten unabhängig von seiner Selektivität für die alpha1A-Rezeptor-Subgruppe. Weiterhin konnte gezeigt werden, daß der alpha1-Subtyp nicht exklusiv für die Prostata ist. Tamsulosin entfaltet seine antiadrenerge Potenz nämlich auch in der Nierenarterie und den Intestinalgefäßen. Die Autoren der Studie sprechen sich dafür aus, Applikationsform, Pharmakodynamik und -kinetik der jeweiligen Substanz für die Beurteilung der klinischen Verträglichkeit zu berücksichtigen.
PZ-Artikel von Elke Wolf, Wiesbaden

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