Procalcitonin soll Sepsis-Letalität senken |
01.12.1997 00:00 Uhr |
Medizin
Procalcitonin (PCT), das aus 116 Aminosäuren aufgebaute Prohormon des Schilddrüsenhormons Calcitonin, ist offenbar ein spezifischer Marker für bakterielle systemische Infektionen. Dies war am 20. November auf einer von Brahms Diagnostica initiierten Pressekonferenz im Rahmen der Medica in Düsseldorf zu hören.
"Wir wissen bis heute nicht, in welchen Zellen das Procalcitonin nach einer Infektion gebildet wird", stellte Professor Dr. Adolf Grünert vom Klinikum der Universität Ulm klar. Fest stehe aber, daß der PCT-Spiegel im Falle einer bakteriellen Allgemeininfektion deutlich ansteige - nicht dagegen bei einer Infektion viralen Ursprungs. Die Höhe der PCT-Plasmatiter scheine dabei vom Ausmaß der bakteriellen Infektion abzuhängen, erläuterte Grünert. Eine parallele Zunahme der Calcitoninspiegel sei nicht zu beobachten.
Seit April 1996 steht ein spezifischer Immunoassay (Lumitest PCT) zum Nachweis des Procalcitonins in Humanserum und Plasma zur Verfügung: Die Bestimmung erfolgt durch den Einsatz monoklonaler Antikörper über die Messung der Chemilumineszenz. Neben der frühzeitigen Differenzierung zwischen Systeminfektionen bakterieller und viraler Genese wird der PCT-Test unter anderem für die Früherkennung, Verlaufsbeobachtung und Therapiekontrolle systemischer bakterieller, parasitärer und pilzbedingter Infektionen eingesetzt. Weitere Anwendungsgebiete sind das Monitoring kritisch kranker Patienten sowie die Einschätzung und therapeutische Überwachung bei Sepsis, Schock und Multiorganversagen.
Grundlage des Tests war laut Grünert folgende Beobachtung bei thyreoidektomierten Personen: Trotz entfernter Schilddrüse (als ursprünglichem Bildungsort des PCT) zeigten sie bei Vorliegen systemischer Infektionen bakteriellen Ursprungs deutlich erhöhte PCT-Plasmaspiegel. Der neue Infektionsmarker werde jedoch bisher verwendete Markersubstanzen wie das CRP (C-reaktives Protein) oder bestimmte Zytokine (zum Beispiel IL-6) nicht verdrängen, mutmaßte er.
Professor Dr. Lothar Engelmann von der Abteilung für Intensivmedizin der Universität Leipzig erhofft sich durch den neuen Infektionsmarker eine Senkung der Letalität bei Sepsis; momentan liege die Todesrate hier noch bei bis zu 70 Prozent. Die dem Krankheitsverlauf einer Infektion entsprechende Dynamik der PCT-Plasmaspiegel ermögliche es, den Übergang von einer lokalen Infektion in eine Allgemeininfektion zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu erkennen, führt er aus. Man könne dadurch sofort die notwendigen therapeutischen Maßnahmen einleiten und somit die Überlebensrate bessern und Behandlungskosten senken.
Als Vorteil gegenüber anderen Infektionsmarkern wertete Herbert Sucka von der Entwicklungsfirma die deutlich längere Halbwertszeit und Stabilität von PCT. Es komme dadurch weniger als beispielsweise bei IL-6 auf den "richtigen Meßzeitpunkt" an: Das Interleukin ist zwar bereits früher im Plasma von Infizierten nachweisbar, dafür aber nicht so lange; bei zeitlich verzögerter Blutentnahme wird es daher nicht mehr gefunden. Procalcitonin ist nach Aussage Suckas dagegen bei Raumtemperatur mindestens 24 Stunden, bei 4 °C rund eine Woche nachweisbar. Gegenüber diesen Pluspunkten steht allerdings der im Vergleich zu anderen Infektionsmarkern derzeit noch höhere Preis des PCT-Immunoassays.
PZ-Artikel Bettina Neuse-Schwarz, Düsseldorf
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