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Bereitschaft zur Kooperation zur Zeit gering

24.11.1997  00:00 Uhr

-Politik

Govi-Verlag

Bereitschaft zur Kooperation zur Zeit gering

Was kommt nach den Budgets? Konfrontation oder Kooperation? Diese Frage stellten das Deutsche Ärzteblatt und die Pharmazeutische Zeitung auf einem gemeinsam veranstalteten Gesundheitspolitischen Forum Vertretern von Krankenkassen und Ärzten, Industrie und Apothekern am 19. November in Düsseldorf.

Die Antwort auf die Frage fiel deutlich aus, auch wenn sie keiner der Diskutanten formulierte: Zur Zeit kochen Ärzte und Krankenkassen offensichtlich lieber ihr eigenes Süppchen. Sowohl bei der Festlegung von Richtgrößen als auch bei den sogenannten Bonusverträgen gehen sie ihre eigenen Wege. An einer Kooperation mit ihren Marktpartnern sind sie nicht sonderlich interesssiert.

Das bedeutet jedoch nicht, daß die Apotheker und Industrie die Vorstellungen der Selbstverwaltung in allen Punkten ablehnen. So waren sich auf dem Gesundheitspolitischen Forum grundsätzlich alle Diskutanten darüber einig, daß Richtgrößen ein flexibleres Instrument darstellen als ein Arzneimitttelbudget. Der Arzt könne jetzt individuell planen, bilanzierte Peter Dewein, Geschäftsführer beim Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI). Dadurch würden die Grundlagen für eine Verbesserung der Therapie gelegt.

Dr. Paul Hoffacker, Geschäftsführer bei der ABDA für Wirtschaft und Sozialpolitik, bezeichnete das Budget als eine Krücke, mit der die Politik versucht habe, die steigenden Arzneimittelkosten in den frühen neunziger Jahren in den Griff zu bekommen. Bereits bei seiner Einführung 1993 sei den Bonner Politikern bewußt gewesen, daß das Budget nur eine befristete Lösung sein könne. Dem habe die Regierung jetzt Rechnung getragen. Hoffacker: "Die Abschaffung des Budgets war eine Konsequenz seiner Unzulänglichkeiten." Der ABDA-Geschäftsführer kritisierte jedoch, daß mit der Einführung der Richtgrößen an einer sektoriellen Betrachtung des Gesundheitswesens festgehalten werde. Offensichtlich solle wieder einmal am Arzneimittel gespart werden, obwohl die eigentlichen Kostentreiber im Gesundheitswesen die Krankenkäuser seien. Konsequenterweise sollten deshalb die vom Arzt veranlaßten Leistungen insgesamt betrachtet werden, nicht allein die Arzneimittelausgaben. "Es muß auch Richtgrößen für Krankenhausaufenthalte und Krankschreibungen geben," forderte Hoffacker. Die Arzneimitteltherapie sei nach wie vor die kostengünstigste Art der Behandlung. Wer hier spare, müsse mit höheren Gesamtausgaben rechnen.

Ein Dorn im Auge des BPI ist vor allem die von Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) und den Spitzenverbänden der Krankenkassen erstellte Bundesempfehlung zur Umsetzung der Richtgrößen. "Die Selbstverwaltung hat gute Vorgaben aus Bonn, sie setzt sie aber schlecht um," so Deweins Position zu dem gemeinsamen Papier von Ärzten und Krankenkassen. Den BPI-Geschäftsführer ärgert, daß die Bundesempfehlung eine Obergrenze für Arzneimittelausgaben vorsieht. Dies sei "eine Budgetierung durch die Hintertür". Außerdem hat der gemeinsame Vorschlag von Kassen und Ärzten eine Anlage 2, die dem BPI überhaupt nicht gefällt. Denn in dieser Anlage werden Medikamente aufgeführt, die aus den Richtgrößen herausfallen sollen, weil sie nur bei einer Indikation eingesetzt werden können und Ärzte sie deshalb nicht falsch einsetzen können. Dewein hält diesen Indikationsbezug für verfassungswidrig. Er sieht in dieser Anlage "eine verkappte Positivliste". Es sei nicht auszuschließen, daß findige Ärzte, die die Richtgrößen umgehen wollen, die gelisteten Medikamente für andere Indikationen einsetzen werden.

Die Kritik des BPI wies Magda Reiblich von der KBV zurück. Die Anlage 2 sei so gehalten, daß ein Mißbrauch ausgeschlossen sei. Medikamente, die mehr als eine sinnvolle Indikation haben, kämen nicht auf diese Liste. Ziel des Papiers sei es, den Verwaltungsaufwand zu begrenzen. Keine Alternative sieht Reiblich zu einer Obergrenze für die Arzneimittelausgaben im kommenden Jahr. Ohne diese Richtschnur sei die Festlegung von Richtgrößen nicht möglich. Die Obergrenze sei jedoch nur für 1998 notwendig, danach könnten die festgelegten Richtgrößen weiterentwickelt werden. So könnten Richgrößen so gestaltet werden, daß auch ein teurer Patient statt im Krankenhaus in der Arztpraxis versorgt werden kann, ohne daß der behandelnde Arzt Angst vor Wirtschaftlichkeitsprüfungen haben muß.

Der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes der Betriebskrankenkassen, Wolfgang Schmeinck, dessen Verband maßgeblich an der Formulierung der Bundesempfehlung beteiligt war, steht zwar grundsätzlich zu der getroffenen Vereinbarung, hat aber Zweifel, ob sie auf Landesebene reibungslos umsetzbar sein wird. Das Hauptproblem, so seine Einschätzung, sei die unbefriedigende Datenlage, die eine gerechte Festsetzung von Richtgrößen behindere.

Weitgehend einig sind sich alle Beteiligten darin, daß allein Richtgrößen für den Arzneimittelbereich nicht ausreichen und kaum zu weiteren Einsparungen führen werden. Selbst Schmeinck, der wohl kaum im Verdacht steht, die pharmazeutische Industrie und die Apotheker begünstigen zu wollen, sieht kaum noch Wirtschaftlichkeitsreserven bei Arzneimitteln. Mehr als 0,5 bis ein Prozent sei in diesem Bereich nicht mehr zu holen. Er teilt Hoffackers Einschätzung, daß im Gesundheitswesen die Krankenhäuser am unwirtschaftlichsten arbeiten.

Bonusverträge: Belohnung für gesetzeskonformes Verhalten

Scharfe Kritik übten Dewein und Hoffacker an einer besonderen Spielart der Modellvorhaben: Den Bonusverträgen zwischen Krankenkassen und Kassenärzten, wie sie in verschiedenen Bundesländern abgeschlossen wurden. Hoffacker kritisierte, daß wie bei den Richtgrößen nicht die gesamten Krankheitskosten betrachtet würden, sondern einseitig die Kosten für Arzneimittelausgaben. Wenn Ärzte weniger Medikamente verordneten, bedeute dies nicht automatisch, daß die Behandlungskosten insgesamt sinken. Dewein befürchtet einen moralischen Konflikt bei vielen Ärzten. Angesichts der schlechten finanziellen Lage einiger Ärzte sei zu befürchten, daß diese "Ethik und Monetik nicht mehr zusammenbringen können".

Nach Lesart der KBV gibt es die kritisierten Bonusverträge überhaupt nicht. So sei der in Hessen abgeschlossene Vertrag "ein Modellversuch zur Verbesserung der Qualität in der Arzneimitteltherapie", definierte Reiblich. "Die Ärzte verpflichten sich, regelmäßig an wissenschaftlich arbeitenden Qualitätszirkeln teilzunehmen und erhalten dafür eine Vergütung," so die Interpretation der KBV-Vertreterin. Hoffacker sieht keinen Grund, Ärzte dafür zu bezahlen. Der Arzt sei verpflichtet, angemessen, qualitativ hochwertig und wirtschaftlich zu verordnen. Durch die Bonusverträge werde der Arzt dafür belohnt, "daß er seinen gesetzlichen Verpflichtungen nachkommt."

PZ-Artikel von Daniel Rücker, Düsseldorf
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