Pharmazie
Wenn ein Patient länger als drei Wochen unter einer allergischen Rhinitis leidet, genügt die Therapie mit einem Antihistaminikum nicht. Der Patient sollte intranasal Steroide applizieren. Substanzen der zweiten Generation wie Mometason sind bei nasaler Applikation systemisch nicht bioverfügbar.
Die Pollenallergie wird als Erkrankung nicht ausreichend ernst genommen. Diesen Schluß läßt eine Umfrage unter 100 Pollenallergikern zu, die Dr. Werner Heppt, Karlsruhe, auf einem Pressesymposium in Wien vorstellte. 88 Prozent der Befragten gaben an, aufgrund ihrer Pollenallergie schon einmal beim Arzt gewesen zu sein, nur 69 Prozent wurden im Augenblick behandelt.
Von den Behandelten erhielten 23 Prozent lokale Antihistaminika, 67 Prozent systemische Antihistaminika, 81 Prozent abschwellende Nasentropfen, 28 Prozent lokale Steroide, 4 Prozent systemische Steroide und 29 Prozent Cromoglicinsäure. 48 Prozent der Patienten, denen der Arzt Steroide verschrieben hatte, setzten das Präparat kurzfristig eigenmächtig ab und 4 Prozent gaben an, das Rezept gar nicht eingelöst zu haben. Das spiegelt die tiefsitzende Cortisol-Angst in der Bevölkerung wider.
Kein saisonales Problem mehr
Wie die Therapie der allergischen Rhinitis in der Praxis heute aussehen sollte, hängt von der regionalen Allergensituation ab. Diese ist in verschiedenen europäischen Ländern sehr unterschiedlich. Wie Professor Dr. Ralf Mösges, Köln, ausführte, gibt es in England nur eine geringe und kurzfristige Pollenbelastung. In mitteleuropäischen Ländern wie Deutschland und Österreich reicht die Pollenbelastung von Februar bis Oktober. Doch europäische Richtlinien zur Allergie-Therapie stammen aus England und sind auf die dortigen Verhältnisse zugeschnitten. Sie seien für die Situation in Mitteleuropa nicht relevant, meinte Mösges.
Nur bei kurzfristiger Allergenbelastung genügt es, zur symptomatischen Therapie einer allergischen Rhinitis Antihistaminika einzusetzen. Wenn die Beschwerden länger bestehen, sollte eine Basistherapie mit nasalen Steroiden durchgeführt werden. Doch die Wirkung der Steroide setzt mit Verzögerung ein. Mösges empfiehlt deshalb, zusätzlich zur Steroid-Therapie initial und im späteren Verlauf bei besonders hoher Allergenexposition Antihistaminika zu geben.
Nasale Steroide ohne systemische Wirkung
Steroide bekämpfen die Symptome der allergischen Rhinitis am wirksamsten. Zwischen den nasal applizierbaren Substanzen gibt es jedoch große Unterschiede, die in der täglichen Therapie beachtet werden müssen. Topische Steroide der ersten Generation verursachen relativ häufig Nasenbluten. 15 Prozent der mit Beclometason behandelten Patienten sind betroffen. Unter dem neuen topischen Steroid Mometason, das voraussichtlich Anfang 1999 auf den Markt kommt, bekommen nur 8 Prozent der Patienten Nasenbluten (Placebo 5 Prozent).
Zugrunde liegt diesem Effekt eine Schädigung der Nasenschleimhaut. 69 Patienten, die über ein Jahr mit Mometason behandelt wurden, entnahm man vor und nach der Therapie eine Gewebeprobe. Die vorher entzündlich veränderte Nasenschleimhaut hatte sich normalisiert und war von einem intakten Epithel überzogen.
Doch Nasenbluten ist nicht das größte Problem älterer topischer Steroide. Schwerer wiegt, daß Substanzen der ersten Generation auch bei nasaler Applikation relativ stark systemisch bioverfügbar sind. Unter Langzeittherapie nimmt deshalb beispielsweise die Knochendichte deutlich ab. Beclometason weist bei nasaler Applikation eine Bioverfügbarkeit von 17 Prozent auf, Budesonid von 11 Prozent. Bei Dexamethason liegt der Wert sogar über 80 Prozent. "Das dürfen wir unseren Patienten nicht zumuten", meinte Dr. Ludger Klimek, Mainz.
Bei Mometason liegt die systemische Bioverfügbarkeit unterhalb der Nachweisgrenze. Die Substanz hat keinerlei Einfluß auf die basale und Corticotropin-stimulierte Cortisol-Sekretion. Mometason könne über ein Jahr sicher angewendet werden. Auch das Wachstum würde nicht negativ beeinflußt. "Wir können jedem Patienten mit gutem Gewissen sagen, daß er mit diesem Präparat keine Probleme bekommt", so Klimek.
Unverständlich findet Professor Dr. Claus Bachert, Gent, daß trotz der Corticophobie der Patienten und Ärzte eine fixe Kombination aus Dexamethason und abschwellenden Nasentropfen weitaus am häufigsten verschrieben wird. Dagegen spreche nicht nur die hohe systemische Verfügbarkeit von Dexamethason. Auch die Zugabe von Nasentropfen sei maximal für 14 Tage sinnvoll.
Die Konzentration proinflammatorischer Zytokine im Nasensekret ist bei einem Pollenallergiker während der gesamten Saison und noch vier bis sechs Wochen danach erhöht. Die allergische Rhinitis ist also eine persistierende Entzündung, die langfristig zum Umbau des Organs führt. Eine rein symptomatische Therapie reiche deshalb nicht aus. "Wir müssen die Substanzen mit dem größtmöglichen antiinflammatorischen Effekt einsetzen. Und das sind nun einmal die Steroiden", so auch Bachert.
Mometason kann 12mal niedriger als Dexamethason dosiert werden, um die Hälfte aller Glucocorticoid-Rezeptoren abzusättigen. Auch die Freisetzung von Zytokinen hemmt Mometason in relativ niedriger Konzentration. Eine Dosis von 200 mg (bei Kindern zwischen sechs und zwölf Jahren 100 mg) einmal täglich bringt bereits den maximalen klinischen Effekt. Die Wirkung tritt nach 30 Minuten ein. Schon nach zwölf Stunden hat der Patient eine spürbare Erleichterung. In klinischen Studien nahmen die Symptome der saisonalen und perennialen Rhinitis unter Mometason um 60 bis 70 Prozent ab.
PZ-Artikel von Angelika Bischoff, Gräfelfing
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