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Qualitätsvergleiche und warum man sie braucht

27.10.1997  00:00 Uhr

-Pharmazie

Govi-Verlag

Qualitätsvergleiche und warum man sie braucht

"Auch gegen Ende des 20. Jahrhunderts weicht die Qualität von Arzneimitteln zum Teil noch erheblich von den erforderlichen Normen ab - in manchen Fällen sogar mit lebensgefährlichen Folgen." Dr. Barbara Schug vom Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker (ZL) betonte dies am 17. Oktober bei einem Workshop des ZL im Rahmen des Expopharm-Kongresses in Düsseldorf. Es handele sich dabei keineswegs nur um Beispiele "vom anderen Ende der Welt".

Schug machte dies an drei gravierenden Qualitätsmängeln deutlich, die im vergangenen Jahr beobachtet worden waren und zumindest peripher auch in Bezug zur Bundesrepublik standen: So starben im vergangenen Jahr 59 Kinder in Haiti nach der Einnahme eines verunreinigten Paracetamolsirups - die Rohware war über Hamburg importiert worden. In Indien wurden Glibenclamid-verunreinigte Cotrimoxazol-Präparate gefunden - produziert von der indischen Tochterfirma eines deutschen Pharmaunternehmens. Und direkt in Deutschland kam es bei der Produktion von Paracetamoltabletten zur Untermischung eines Corticosteroids.

Nicht nur zur Ausschaltung solcher gravierender Negativbeispiele seien Qualitätsuntersuchungen unerläßlich, führte Schug aus. Auch bereits bei gerinfügigeren Qualitätsunterschieden, beispielsweise im Freisetzungsverhalten wirkstoffgleicher Generika, sei immer der Patient der Leidtragende. Um diesen Mißstand zu unterbinden, führt das ZL seit einigen Jahren vergleichende Reihenuntersuchungen durch, bei denen jeweils alle im deutschen Markt befindlichen Produkte eines Wirkstoffs auf ihre Qualität geprüft werden. Die Ergebnisse (In-vitro-Freisetzungsdaten) werden anschließend publiziert.

Zu den bereits veröffentlichten Beispielen mit positivem Ergebnis, das heißt mit einer zufriedenstellenden, vergleichbaren Qualität aller im Handel befindlichen Produkte, gehören unter anderem die Captopril-haltigen Fertigarzneimittel. Deutlichen Schwankungen im Freisetzungsverhalten, hätten dagegen die Verapamil- und Tamoxifen-haltigen Präparate gezeigt.

Als Qualitätsparameter nannte Schug neben der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneistoffe Eigenschaften wie die Reinheit eines Produktes, die Dosierungsgenauigkeit und Stabilität sowie In-vitro-Freisetzungsverhalten und Bioverfügbarkeit/Bioäquivalenz. Die Reihenuntersuchungen des ZL konzentrieren sich dabei auf Labordaten, nicht auf klinische Untersuchungen; der Qualitätsvergleich erfolgt in der Regel anhand der In-vitro-Freisetzungsdaten.

Schug: "Sie können die vergleichenden Reihenuntersuchungen als Orientierungshilfe nutzen, um bei wirkstoffgleichen Produkten zumindest die schwarzen Schafe auszuschließen." In-vitro-Daten könnten aber immer nur Hinweise liefern - "es sei denn, die Korrelation zwischen der In-vitro-Freisetzung eines Produktes und seinem In-vivo-Verhalten ist durch Studien belegt."

Angesichts der momentanen Marktsituation mit zum Teil erheblichen Unterschieden zwischen wirkstoffgleichen Generika aus der Bundesrepublik und dem europäischen Ausland, sei die Bioäquivalenz der Produkte ein entscheidendes Qualitätskriterium, betonte sie und verwies auf eine amtliche Bekanntmachung vom April dieses Jahres (siehe auch PZ 24/97). Darin werden Kriterien festgelegt, wann Bioverfügbarkeits-/Bioäquivalenzstudien erforderlich sind, etwa bei Präparaten mit vitaler Indikation, darunter Antiarrhythmika, Antidiabetika, Antikoagulantien, Antiepileptika et cetera.

Gefordert werden Bioverfügbarkeitsstudien auch für Stoffe mit problematischer Bioverfügbarkeit, das heißt solche mit geringer therapeutischer Breite oder steiler Dosis-Wirkungsbeziehung sowie solche mit nicht-linearer Pharmakokinetik. Auch für bestimmte Arzneiformen beziehungsweise Applikationswege müssen grundsätzlich Bioverfügbarkeitsstudien durchgeführt werden, so zum Beispiel für Retardpräparate und magensaftresistente Formen sowie für Präparate zur rektalen, vaginalen, pulmonalen oder nasalen Applikation. Keine entsprechenden Studien sind für i.v.-Präparate, nicht-systemisch wirkende Arzneimittel sowie orale, rein wäßrige Lösungen zu erbringen.

Voraussichtlich ab Mai nächsten Jahres seien in der Lauer-Liste für alle Festbetrags-Arzneimittel Hinweise geplant, ob für das jeweilige Produkt Bioverfügbarkeits-/Bioäquivalenzstudien gefordert werden, erklärte Schug. Man wolle dem Apotheker damit eine Bewertungshilfe an die Hand geben und ihn für mögliche Problemarzneimittel sensibilisieren.

Studienbewertung auf einen Blick

Welche Studien sind von vorneherein zu verwerfen? Woran erkennt man getürkte Untersuchungsergebnisse? Auf welche Kriterien muß man besonders achten? Schug gab den Workshop-Teilnehmern und Teilnehmerinnen Tips zur einfachen Bewertung von Bioverfügbarkeits- und Bioäquivalenzstudien:
  • Die Zahl der einbezogenen Studienteilnehmer darf nicht zu klein sein. In Europa wird als Mindestgrenze n=16 gefordert, in den USA n=24.
  • Bioverfügbarkeitsstudien erfolgen in der Regel im Cross-over-Design. Dabei ist laut Schug auf eine genügend lange Auswaschphase zu achten. Als Faustregel gilt 1 Woche.
  • Die Zahl der Meßpunkte muß genügend groß sein. Laut Schug ist darauf zu achten, daß jeweils mindestens 3 bis 5 Blutabnahmen die Anflutungsphase, das Konzentrationsmaximum und die Eliminationsphase des Arzneistoffs charakterisieren. Die nach dem letzten Meßpunkt extrapolierte Restfläche unter der Plasmakonzentrations-Zeit-Kurve (AUC) muß möglichst klein sein (unter 20 Prozent).
  • Die Analytik sollte laut Schug möglichst durch ein chromatographisches Verfahren erfolgen, sie muß ausreichend selektiv und reproduzierbar sein.
  • Zu beurteilende Parameter sind die Fläche unter der Plasmakonzentrations-Zeit-Kurve (AUC), das Konzentrationsmaximum (cmax), die Zeit bis zum Konzentrationsmaximum (tmax) sowie t½ als pharmakokinetisches Charakteristikum.
  • Bioäquivalenz zwischen Referenz- und Testpräparat liegt laut Schug dann vor, wenn das 90%-Konfidenzintervall des Quotienten AUCTest/AUCRef die Grenzen 80 und 125 Prozent nicht überschreitet und wenn das 90%-Konfidenzintervall des Quotienten cmax test/cmax Ref die Grenzen 70 und 143 Prozent (im US-amerikanischen Raum 80 und 125 Prozent) nicht überschreitet. Grundlage dieser beiden Bioäquivalenzkriterien seien die europäische CPMP Note for Guidance von 1991 und die US-amerikanische FDA Guidance von 1992.

PZ-Artikel von Bettina Neuse-Schwarz, Düsseldorf

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