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Apotheker können Kosmetika besser beurteilen

12.10.1998  00:00 Uhr

-Pharmazie

Govi-Verlag

Apotheker können Kosmetika besser beurteilen

Aspirin und Nivea sind die besten Beispiele. Während es einem Pharmazeuten wenig Schwierigkeiten bereitet, die Inhaltsstoffe der Kopfschmerztablette zu überschauen und einzuordnen, wird es bei der weißen Creme aus der blauen Dose schon kniffliger. Seit 1993 bemüht sich die Europäische Union (EU) um eine einheitliche Nomenklatur zur Bezeichnung der Inhaltsstoffe von Kosmetika. Über den aktuellen Stand der Dinge informierte Dr. Walter Leven, Meerbusch, am 3. Oktober in einem Seminar während des Expopharm-Kongresses in München.

Schon 1993 verabschiedete die EU ein Gesetz zur Änderung der Kosmetikrichtlinen. Die Bundesrepublik paßte mit der Kosmetikverordnung von 1997 das nationale Recht europäischen Standards an. Besonders wichtig für die Apotheken ist § 5, der die Hersteller verpflichtet, ihre Produkte zu kennzeichnen. Ein "Bezeichnungsbabylon" nannte Leven die bis dahin gängigen Beschriftungen. Seit 1. Juni 1996 sind circa 6.300 Einzelstoffe und 500 Stoffe pflanzlichen Ursprungs in eine europaweit gültige Invetarliste aufgenommen. Über die Apotheke gelangen rund 2.000 Stoffe zum Verbraucher.

Weltweit werden Kosmetika nach der International Nomenclature Cosmetic Ingredient (INCI) bezeichnet, berichtete Leven. Die Amerikaner deklarierten schon seit 1973 ihre Produkte, da sie sonst dem Chemikalien-Gesetz unterliegen. Federführend sei dabei die Cosmetic Toiletry and Fragance Association, kurz CTFA. Die Europäer entwickelten ihre Inventarliste auf Basis der CTFA-Nomenklatur. Inzwischen schreiben die CTFA und die entsprechende europäische Organisation COLIPA eine gemeinsame INCI-Liste fort. Seit 1997 ist die siebte Ausgabe verfügbar. Sie umfaßt in drei Bänden auf 2.600 Seiten 8.999 Namen, 37.115 Synonyme und 781 Rohstoffhersteller.

Botanicals werden noch uneinheitlich bezeichnet

Leven zeigte jedoch auf, daß es mit der Einheitlichkeit zwischen Europa und den USA noch hapert. Die CTFA bezeichne pflanzliche Inhaltsstoffe anders als die COLIPA. Botanicals sind Rohstoffe natürlichen Ursprungs, die in der Regel nicht weiter verarbeitet wurden. Was in Amerika als Apple Peel Wax deklariert wird, heißt in Europa Pyrus Malus. "Die europäische Behörde hat sich keinen Gefallen damit getan, diese Stoffe nach Linné zu bezeichnen", sagte Leven. Mitunter ginge dabei Information verloren. Bei Allergikern sei es hilfreich, wenn die Pflanzenart genau bekannt ist. Bei den Inhaltsstoffen aus Weizen, die in Europa alle einfach Triticum vulgare genannt werden, könne man jedoch höchstens raten, welcher Teil der Pflanze verarbeitet wurde. Die Behörden wollen die Bezeichnungsmethoden allerdings anpassen.

Leven zeigte auf, daß es auch bei den Farbstoffen Unterschiede gibt. Die EU-Variante ist eine Nummer: der Colour Index (CI). CI 47005, ein gelber Farbstoff, heiße in den USA aber D+C Yellow No. 10. In Europa würden ferner mineralische Pigmente je nach Verwendungszweck unterschiedlich bezeichnet. Titandioxid tauche auf den Packungen als CI 77891 auf, wenn es als Farbstoff eingesetzt wird. Diene es als Perlglanzmittel oder Lichtfilter, heiße es Titanium Dioxide.

Auch Tester und Proben müssen gekennzeichnet werden

Die Kennzeichnung muß auf der Verpackung oder dem Behältnis aufgebracht sein. Bei Platzproblemen (zum Beispiel auf Lippenstiften) ist der Hersteller verpflichtet, ein Etikett beizufügen. "Der Kunde muß die Inhaltsangaben beim Kauf und der Anwendung lesen können", betonte der Referent. Deshalb gelte die Bezeichnungspflicht auch für besondere Gebinde wie Tester, Warenproben oder Kosmetika, die in Hotels oder öffentlichen Einrichtungen ausliegen.

Leven wies noch auf weitere wichtige Regelungen der Kosmetikverordnung hin:
  • Kosmetikartikel, die noch nach alten Nomenklaturen bezeichnet sind, dürfen noch bis 30. Juni 1999 vertrieben werden,
  • alle zum Zeitpunkt der Herstellung verwendeten Inhaltsstoffe müssen bezeichnet werden,
  • die Stoffe sind in der Auflistung nach abnehmenden Gewichstanteilen sortiert,
  • Rohstoffgemische, biologische Extrakte und Lösungen müssen aufgeschlüsselt und bezogen auf das Gesamtgewicht angeben werden.

Die Reihenfolge der Inhaltsstoffangaben gebe dem Apotheker wichtige Informationen zur Zusammensetzung, so Leven. Parfum und Aromastoffe müssen allerdings nicht einzeln aufgeschlüsselt werden. Die Farbstoffe werden am Ende der Liste nur mit ihrem Colour Index genannt.

Wir Apotheker sind in der Lage, diese komplexen Deklarationen zu überschauen, die Präparate zu beurteilen und unsere Kunden entsprechend zu beraten, betonte Leven. Damit könnten sich die Pharmazeuten gegenüber Parfümerien und Drogerien profilieren.

PZ-Artikel von Ulrich Brunner, München

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