Medizin
Schadet Lesen unter der Bettdecke? Wie gefährlich sind Laserpointer? Macht Piercing krank? Die Augenärzte wandten sich in ihrer diesjährigen Pressekonferenz zur Tagung der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft eher alltäglichen Problemen zu. Da durfte auch Viagra in der Themenpalette nicht fehlen.
Solange das Auge einen Laserstrahl als diffus reflektierenden Punkt zum Beispiel an einer Leinwand wahrnimmt, ist das ungefährlich. Werden die Zeigegeräte aber direkt auf das Auge gerichtet, sind sie schädlich. Schulkinder wetten, wer am längsten in den Laserpointer schauen kann, berichtete Professor Dr. Reginald Birngruber vom Medizinischen Laserzentrum in Lübeck. Überzeugten Eishockeyfans hilft der Laserpointer den gegnerischen Torwart zu irritieren.
Wie Birngruber berichtete, gibt es verschiedene Klassen: Laserklasse I ist unter allen Bedingungen ungefährlich. Kassenlesegeräte gehören in der Regel zu dieser Klasse. Laserpointer der Klasse II sind unschädlich für den Zeitraum, in dem reflexartig das Lid geschlossen wird (eine viertel Sekunde). Die Leistung dieser Laserpointer liegt bei maximal 1 mWatt. Zur Klasse IIIb gehören die meisten billigen Laserpointer. Sie haben bis zu 5 mWatt und sind auch für die Zeit des Lidschlusses gefährlich.
Der Lichtstrahl erhöht die Temperatur auf der Netzhaut. Je höher die Leistung des Laserpointers, desto stärker sind die Verbrennungen. Trifft ein Laserpointer mit einer Leistung von 1 mWatt auf die Netzhaut, erhöht sich die Temperatur an dieser Stelle für die Zeit der Bestrahlung auf 39 oC. Bei einem 5-mWatt-Laserpointer steigt sie auf 44,5 oC. Es kommt zur irreversiblen Zerstörung von Gewebe. Eine Brille schützt nicht, betonte Birngruber. Der Strahl werde besser fokussiert, der Schaden sei daher sogar noch größer als ohne Brille.
Es gebe zwar Regelungen für den Umgang mit Lasern im Berufsleben, auf dem freien Markt aber sei noch nicht einmal vorgeschrieben, die Geräte mit der jeweiligen Klasse oder Leistung zu bezeichnen, sagte Birngruber. Er forderte deshalb, Laser ab 3 mWatt nicht zuzulassen und demonstrierte überzeugend, daß die Leuchtkraft nicht nur von der Wattzahl abhängt. Strahler, die bei gleicher Leistung grüne statt rote Punkte an die Wand werfen, leuchten sehr viel heller, da das Auge blau oder grün viel empfindlicher wahrnimmt.
Viagra, Sehstörungen und Glaukom
Viagra führt zu reversiblen Sehstörungen. Schon ab der normalen Dosis von 50 mg kann die Blendungsempfindlichkeit erhöht sein; der Farbsinn ist gestört, das Bild flimmert und Gegenstände bekommen einen blauen Rand. Bei 100 mg haben 10 Prozent, bei 200 mg schon die Hälfte aller Viagra-Konsumenten solche Nebenwirkungen. Mit Abklingen der Wirkung normalisiere sich die Sicht wieder, erklärte Professor Eberhart Zrenner aus Tübingen. Auch bei Gesunden oder Diabetikern, die länger als ein Jahr behandelt wurden, verursache Sildenafil keine bleibenden Schäden am Auge, sagte Zrenner.
Die Ähnlichkeit zweier Enzyme verursacht die Sehstörungen. Sildenafil hemmt eine Phosphodiesterase vom Typ 5 und damit den Abbau von cGMP, das bei sexueller Erregung in den Geschlechtsorganen gebildet wird. Zehnmal schwächer, doch für Nebenwirkungen ausreichend, ist die Wirkung von Sildenafil auf die Phosphodiesterase vom Typ 6. Dies Enzym ist im Auge für Umwandlung von Licht in ein elektrisches Signal nötig. Werden Sehzellen belichtet, erhöht sich an ihrer Außenseite die Konzentration der Phosphodiesterase. cGMP wird verstärkt abgebaut, dadurch schließen sich Natriumkanäle in der Membran der Außensegmente. Das Zellinnere wird negativ aufgeladen, die Glutamat-Konzentration ändert sich und es kommt zu einem elektrischen Signal. Da es keine Informationen gibt, wie Patienten mit Netzhautstörungen und einem erblichen Defekt der retinalen Phosphodiesterase reagieren, dürfen sie Sildenafil nicht einnehmen.
Vereinzelt wurde gemeldet, daß Sildenafil einen akuten Glaukomanfall auslösen kann. Eine Expertenrunde in London habe dies kürzlich ausführlich diskutiert und keinen ursächlichen Zusammenhang festgestellt, sagte Zrenner. Statistisch liege die Zahl der Glaukomanfälle bei den Sildenafil-Konsumenten sogar unter dem Durchschnitt.
Kein Winnetou unter der Bettdecke
Ein Huhn mit Sonnenbrille hilft Eltern, ihren Kindern das Lesen mit der Taschenlampe unter der Bettdecke wissenschaftlich begründet zu verbieten. Dr. Frank Schaeffel aus Tübingen berichtete, daß eine Bildstörung in der Wachstumsphase das Augenlängenwachstum beeinträchtigt. Junge Hühner mit Sonnenbrille werden kurzsichtig. Junge Hühner mit einer klaren Plastikbrille vor Augen entwickeln sich normal, solange der Raum an sich hell genug ist. Sinkt die Umgebungshelligkeit, werden auch sie kurzsichtig. Bei geringerer Helligkeit reagiert das Auge empfindlicher auf die minimale Bildstörung durch die Plastikbrille.
Das Kind liest unter der Bettdecke bei schlechtem Licht und bei zu kurzem Abstand vom Buch. Der Mensch könne sein Auge bei einem Abstand von 30 cm vom Text nicht mehr perfekt scharfstellen, sagte Schaeffer. Das Bild ist suboptimal und könnte daher wie bei den Hühnern das Augenlängenwachstum beeinträchtigen. Objektive Daten zu Abstand, Lesedauer oder Helligkeit der Taschenlampe wurden beim Menschen noch nicht erhoben.
Piercen, Diabetes, grauer Star
"Jeder der sich Piercen läßt, geht ein gesundheitliches Risiko ein", warnte Professor Dr. Manfred Zierhut, Tübingen. Harmlose Allergien, toxische Reaktionen oder gefährliche Infektionen seien nicht immer leicht voneinander zu unterscheiden. Zu toxischen Reaktionen kommt es dann, wenn sich Metalle aus der Legierung herauslösen und in der Bindehaut ablagern. Auch ein Sticker in der Nase kann eine Allergie unter Lidbeteiligung auslösen. Grundsätzlich gilt ähnliches wie bei Ohrringen: Je edler das Metall, desto besser.
Professor Dr. Peter Kroll, Marburg, betonte, wie wichtig die augenärztliche Kontrolle bei Diabetikern seien. Spätestens fünf Jahre nach der Diagnose der Krankheit sollte der Patient regelmäßig zum Augenarzt gehen. Anders als bei den Fußamputationen werde die Gefahr einer Erblindung von der Bevölkerung noch nicht ausreichend wahrgenommen.
PZ-Artikel von Stephanie Czajka, Berlin
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