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Patientenpfennig und Poolfinanzierung

06.10.2003  00:00 Uhr

Patientenpfennig und Poolfinanzierung

von Christiane Berg, Berlin

Patientenvertreter fordern strenge Kriterien bei der Inanspruchnahme und Vergabe von Sponsorengeldern zur Finanzierung von Selbsthilfegruppen. Die Unterstützung von Selbsthilfegruppen durch die Pharmaindustrie kommt immer stärker in die Kritik. Mit der finanziellen Unterstützung erkauften sich pharmazeutische Unternehmen das Wohlwollen von chronisch Kranken, lautet ein Vorwurf. Eine Änderung der Spendenpraxis könnte dies auf einfachem Weg entkräften.

Für eine Rahmengesetzgebung zur Einführung des so genannten „Patientenpfennigs“ plädierte Christoph Kranich von der Verbraucherzentrale Hamburg auf einer Tagung der Theodor Springmann Stiftung. Außerdem sollten Spenden in einem Pool zusammengefasst werden. Dies sei dem Sponsoring durch einzelne Unternehmen vorzuziehen. Als erfolgreiches Beispiel der Pool-Lösung auf regionaler Ebene hob er den „Selbsthilfetopf Hamburg“ hervor.

Für Leitlinien und Regeln

„Finanzielle Förderung als solche ist keine Korruption, es kommt auf das Wie an“: Gegen die generelle Verunglimpfung von Pharmasponsoring wandte sich Dr. Stefan Etgeton, Verbraucherzentrale Bundesverband, Berlin. Diese Diskriminierung sei ebenso fehl am Platz wie eine Naivität im Hinblick auf die realen Machtverhältnisse. Es handele sich im allgemeinen eben nicht um Partner mit ebenbürtiger Ressourcenausstattung, vergleichbarer Kultur und identischer Interessenlage, betonte der Referent.

Etgeton hält deshalb Leitlinien und Regeln für Sponsorenverhältnisse sowie die genaue vertragliche Formulierung der gegenseitigen Interessen für sinnvoll. Keinesfalls sollte eine Selbsthilfegruppe sich einem einzigen Geldgeber verschreiben, unterstrich der Referent. Er sprach sich für den „Fördermix“ mehrerer öffentlicher und privater Sponsoren aus, wie er zum Beispiel vom „Bundesverband Kleinwüchsiger Menschen und ihre Familien e. V.“, Bremen, erfolgreich praktiziert wird.

Im Interesse der Pharmazeutischen Industrie sollte die gegenseitige politische Unterstützung von Selbsthilfeorganisationen und Pharma-Unternehmen oder -Verbänden auch dort unterbleiben, wo es deckungsgleiche Interessen gibt. Etgeton warnte vor der gemeinsamen Lobbyarbeit, die die Glaubwürdigkeit und damit das wichtigste Kapital der Selbsthilfe mindere. Die Gruppen würden geschwächt und verlören letztlich ihre Bedeutung als strategische Bündnispartner. Die Dachverbände der Pharmazeutischen Industrie seien gut beraten, ihre Mitgliedsunternehmen auf die Gefahren einer zu engen Allianz mit Selbsthilfegruppen hinzuweisen.

Als legitime Interessen möglicher Geldgeber hoben Kranich und Etgeton Imagepflege, das bessere Verständnis der Patientensituation sowie Hilfe und Kontrolle bei der Verbesserung der Produkt- und Arzneimittelqualität hervor. Nicht legitim sei die inhaltliche Einflussnahme auf die Arbeit der Selbsthilfegruppen bei „Instrumentalisierung“ der Betroffenen sowie der Versuch der Vereinnahmung für Firmen- und Produkt-Marketing. Patienten-Initiativen dürften „weder zu Industrie-Ablegern noch zu Staatsunternehmen“ werden. Nicht zu unterschätzen sei ihre Rolle als „Seismograph“ für Mängel und Missstände im Gesundheitswesen. Top

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