Politik
Die Bevölkerung steht Veränderungen der derzeitigen Gesundheitsversorgung und damit neuen Versorgungsformen überwiegend skeptisch bis negativ gegenüber. Das ergab eine Emnid-Umfrage im August 1997, die der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) kürzlich vorstellte.
Den knapp 1000 Befragten wurde erläutert, daß aufgrund des 2. GKV-Neuordnungsgesetzes Strukturverträge zwischen Krankenkassen und Ärzten über neue Versorgungsformen im Gesundheitswesen abgeschlossen werden können. Außerdem wurde beispielhaft mitgeteilt, daß aufgrund dieser Verträge Ärzte in Zukunft durch Reduzierung der Arzneimittelverordnungen ihr eigenes Honorar aufbessern können. Nach diesen Erläuterungen wurden die Interviewten gebeten, ihre Meinung zu bestimmten Aussagen abzugeben.
66, 4 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu: "Das Vertrauen zwischen Ärzten und Patienten wird aufgrund der Strukturverträge beeinträchtigt." Ebenfalls 66, 4 Prozent rechnen damit, daß sich aufgrund der Strukturverträge die Qualität der Arzneimittelversorgung verschlechtern wird. Die Aussage "Die Ärzte werden aufgrund des Stukturvertrages hochwertige Arzneimittel nicht mehr oder nur noch selten verordnen" bejahten 64,1 Prozent der Befragten.
Diese Aussage macht nach Darstellung des VFA deutlich, daß die Patienten befürchten, daß hochwertige Arzneimittel in geringerem Umfang verordnet werden. Trotz der weitverbreiteten Meinung, daß durch die Strukturverträge die Qualität der Arzneimittelversorgung verschlechtert wird und insbesondere hochwertige Arzneimittel in geringerem Umfang verordnet werden, sind 42 Prozent der Bevölkerung eher nicht der Meinung, daß mit den Strukturverträgen auch die Arzneimittelkosten gesenkt werden.
Aufgrund dieser Erwartungen sieht die Bevölkerung neuen Versorgungsformen im Gesundheitswesen eher reserviert entgegen. Deshalb wollen 76,4 Prozent der Befragten, daß neue Versorgungsformen grundsätzlich vor ihrer Einführung erprobt werden. 77 Prozent fordern sogar, daß neue Versorgungsformen bei ihrer Erprobung immer wissenschaftlich begleitet werden sollten, damit die Vor und Nachteile deutlich werden und eine Optimierung möglich ist.
Die finanzielle Entlastung der Patienten steht bei der Frage nach neuen Versorgungsformen für 83 Prozent der Befragten im Vordergrund. 77,1 Prozent erwarten eine Verbesserung der medizinischen Versorgung, 75,9 Prozent erhoffen sich eine Verbesserung der Organisation bei Kassen, Ärzten und Kliniken, und 72,7 Prozent sehen auch eine finanzielle Entlastung des gesunden Beitragszahlers.
Nach den Wünschen an eine zukünftige Gesundheitsversorgung befragt, haben die Interviewten genaue Vorstellungen geäußert: 53,8 Prozent von ihnen wünschen sich geringere Zuzahlungen, 45,3 Prozent niedrigere Krankenkassenbeiträge. 33, 1 Prozent würden eine Belohnung von gesundheitsbewußtem Verhalten begrüßen, 30,2 Prozent wünschen sich, daß der Arzt mehr Zeit für das Gespräch mit dem Patienten hat. Eine Verbesserung der Arzneimittelversorgung halten 25,2 Prozent der Befragten für erforderlich, 24,8 Prozent erwarten eine Reduzierung der Behandlungskosten pro Krankheitsfall bei mindestens gleichbleibender Qualität der Behandlung, und 24,3 Prozent der Bevölkerung wünschen sich, daß der Patient über alle therapeutischen Möglichkeiten aufgeklärt wird und mehr als bisher selbst entscheiden kann, wie er behandelt werden möchte, auch wenn er dafür zahlen müßte.
Was die Ärzte von den Strukturverträgen erwarten
Die Brendan-Schmittmann-Stiftung des NAV-Virchowbundes hat Ende Juli 1997 insgesamt 120 niedergelassene Ärzte repräsentativ für die Bundesrepublik telefonisch befragt. Dabei zeigte sich, daß die Ärzte bisher noch wenig von den neuen Möglichkeiten des Gesundheitsmanagements gehört haben. Grundsätzlich zeigten sich die Ärzte zwar aufgeschlossen, äußern sich aber eher skeptisch zu der Einführung von Strukturverträgen in die Regelversorgung.
Im einzelnen: Etwas mehr als ein Drittel der niedergelassenen Ärzte (37 Prozent) hat bereits von Modellvorhaben und Strukturverträgen gehört. Mehr als doppelt so viele (82 Prozent) sind über vernetzte Praxen informiert. 46 Prozent der Ärzte würden sich an Praxisnetzen beteiligen, aber nur 39 Prozent an Modellvorhaben mit wissenschaftlicher Begleitung und 22 Prozent der Ärzte an Strukturverträgen.
Mit überwältigender Mehrheit (97 Prozent) haben sich die niedergelassenen Ärzte dafür ausgesprochen, die neuen Versorgungsformen eher als Modelle zu erproben und nicht direkt als Regelformen einzuführen.
Über die Hälfte (53 Prozent) befürchtet, daß sich durch die Koppelung der Arzneimittelverordnungen mit ihrem Honorar für sie persönlich mehr ethische Entscheidungsprobleme ergeben werden. Wenn sie an die Mehrzahl ihrer Kollegen denken, glauben sogar 66 Prozent , daß sich durch diese Koppelung mehr ethische Entscheidungsprobleme ergeben werden. Eine knappe Mehrheit (51 Prozent) der niedergelassenen Ärzte hält es für unwahrscheinlich, daß sich durch diese Koppelung das Versorgungsniveau verschlechtern wird. Für wahrscheinlich halten dies 41 Prozent, sieben Prozent mochten diese Frage nicht beantworten. Zu ihrer Unterstützung wünschen die Ärzte Basisinformationen (40 Prozent) und Beratung (16 Prozent) zu Modellvorhaben und Strukturverträgen, in erster Linie von den Kassenärztlichen Vereinigungen (32 Prozent) und den Berufsverbänden (27 Prozent).
Beitrag von der PZ-Redaktion
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