Neue Targets bei Entzündungen und Schmerzen |
29.09.2003 00:00 Uhr |
Mit neuen Erkenntnissen zur Pathophysiologie entzündlicher Erkrankungen hat das vergangene Jahrzehnt die Grundlage für eine Reihe inzwischen etablierter und potenzieller Therapieansätze geliefert. Die nachfolgende Zusammenstellung neuer Targets bei der Therapie von Entzündungen und Schmerzen konzentriert sich auf die Hemmung der Synthese und der biologischen Wirkung von Zytokinen und Prostaglandine.
Mit Zytokinen und Prostaglandinen liegen zwei Gruppen von Entzündungsmediatoren vor, die wesentlich an der Entstehung, Manifestierung und Unterhaltung inflammatorischer Reaktionen beteiligt sind. Bei einer Entzündung handelt es sich um eine vom Bindegewebe und den Blutgefäßen getragene Reaktion des Organismus auf einen äußerlichen (mechanisch, physikalisch, chemisch) oder innerlichen (Mikroorganismen, Stoffwechselprodukte, Tumoren, Enzyme) Entzündungsreiz mit dem Zweck, diesen zu beseitigen oder zu inaktivieren und die reizbedingte Gewebsschädigung zu reparieren. Die dabei ablaufenden Abwehrprozesse schließen Antigen-spezifische und Antigen-unspezifische Reaktionen ein.
Entzündungsverlauf
Die Entzündung beginnt mit einer kurzen Arteriolenverengung. Es folgt die Entwicklung der klassischen örtlichen Entzündungszeichen („Kardinalsymptome“): Rubor (Rötung, Gefäßerweiterung durch Histamin), Calor (Überwärmung infolge Hyperämie), Tumor (Schwellung durch erhöhte Blutmenge und Bildung eines Ödems infolge erhöhter Gefäßpermeabilität), Dolor (Schmerz als Folge des erhöhten Exsudatdrucks auf Nervenendigungen und Freisetzung schmerzauslösender Entzündungsmediatoren) und Functio laesa (gestörte Funktion des Gewebes im Entzündungsgebiet).
Dem Übertritt von flüssigen Bestandteilen des Blutes in das Gewebe schließt sich die Emigration von Blutzellen und hier vor allem Leukozyten und Monozyten an, die über Adhäsionsmoleküle ins Bindegewebe gelangen, sich dort in Nähe der Läsion ansammeln und die entzündungsauslösende Noxe durch Phagozytose inaktivieren. In der sich anschließenden Regenerationsphase werden die verbleibenden Gewebedefekte durch Fibroblasten behoben. Generalisierte Entzündungsreaktionen schließen eine Änderung der Temperatur-Sollwertstellung im Zwischenhirn mit Fieber, eine vermehrte Leukozytenausschüttung im Knochenmark sowie die Bildung so genannter Akutphase-Proteine wie C-reaktives Protein (CRP) in der Leber ein.
Rheumatoide Arthritis
Persistiert eine Noxe oder prädominieren immunologische Entzündungsreaktionen kann eine Entzündung chronifizieren. Eine solche chronisch-progressive Entzündung der Gelenke ist die rheumatoide Arthritis (RA), unter der in Deutschland allein 800.000 Patienten leiden. Ort der primären Entzündungsreaktion bei der RA ist die Synovialmembran (Gelenkinnenhaut oder Innenschicht der Gelenkkapsel) – ein zellreiches Bindegewebe, das stellenweise einen endothelartigen Belag aufweist und reich an Blutgefäßen und sensiblen Nerven ist.
Auslöser der RA ist ein noch unbekanntes Antigen. Als mögliche Kandidaten werden Viren, Bakterien, aber auch fälschlich als fremd erkannte Autoantigene diskutiert. Die nach Präsentation des Antigens aktivierten T-Zellen sezernieren vor allem Zytokine der Th1-Antwort wie Interleukin (IL)-2 und Interferon (IFN)-γ, die Makrophagen zur Synthese der proinflammatorischen Zytokine IL-1 und Tumornekrose-Faktor (TNF) stimulieren. Weiterhin bringen zur Proliferation angeregte B-Lymphozyten die Bildung von Plasmazellen und IgG-Antikörpern mit sich. Letztere induzieren ihrerseits die Bildung von IgM-Autoantikörpern. Diese so genannten Rheumafaktoren, die gegen die Fc-Rezeptoren von Immunglobulinen des IgG-Subtyps gerichtet sind, lassen sich bei circa 70 Prozent der Patienten mit RA nachweisen. Die durch IgG und Rheumafaktoren zusammen mit Komplementfaktoren gebildeten Immunkomplexe führen nach Phagozytose durch Makrophagen zu einer Potenzierung der Freisetzung von IL-1 und TNF. Eine grosse Zahl nachfolgender proinflammatorischer Reaktionen ist auf die Präsenz dieser Zytokine zurückzuführen.
TNF und IL-1 induzieren als „übergeordnete“ Zytokine die Expression einer Reihe weiterer Zytokine und in den Arachidonsäure-Stoffwechsel involvierter Enzyme und führen via Expression von Adhäsionsmolekülen wie ICAM-1, VCAM-1 und E-Selektin auf Endothelzellen zu einem erhöhten Zustrom von Leukozyten in die Synovia. Des Weiteren werden fibroblastenähnliche Zellen der Gelenkinnenhaut, so genannte Typ B-Synoviozyten aktiviert, die eine Hyperplasie der Synovialis und damit die Bildung eines stark vaskularisierten Granulationsgewebes (Pannus) induzieren. Dieses Pannusgewebe wächst über den Knorpel in den subchondralen Knochen und ruft dort eine Erosion, später eine Zerstörung dieser Gewebe hervor.
Die möglicherweise wichtigsten Eigenschaften von TNF und IL-1 im Kontext der RA liegen in der Aktivierung von Fibroblasten und Chrondrozyten zur Bildung so genannter Matrix-Metalloproteinasen (MMP) und hier vor allem MMP-1 und MMP-3, die über den proteolytischen Abbau von extrazellulären Substraten wie Kollagen die Zerstörung von Knorpel und Knochen vermitteln. Unterstützt wird dieser Prozess durch die IL-1-vermittelte Aktivierung von Osteoklasten, die zu einer erhöhten Knochenresorption führt. Bei der Verstärkung und möglicherweise auch Chronifizierung der RA spielt die Bildung neuer Antigene oder Epitope eine wichtige Rolle. Dieses so genannte „epitope spreading“ ist Folge der Freisetzung spezifischer, zuvor kryptisch gelegener Strukturen des Gelenkknorpels wie Kollagen Typ II nach dem proteolytischen Abbau von Matrixkomponenten. Diese Strukturen fungieren nunmehr als Neoantigene (1,2).
Anti-Zytokin-Biologicals
Neben der Hochregulation proinflammatorischer Zytokine wie TNF und IL-1 kommt es bei der RA zu einer verminderten Bildung von antiinflammatorischen Zytokinen wie IL-10, IL-4 und IL-13 sowie Anti-Zytokin-Proteinen (IL-1-Rezeptorantagonist, löslicher TNF-Rezeptor). Auf der Basis dieses Pathogenese-Konzeptes sind in den 90er-Jahren mit den „Anti-Zytokin-Biologicals“ Substanzen entwickelt worden, die entweder selektiv die Wirkung bestimmter proinflammatorischer Zytokine ausschalten oder ihre physiologische Hemmung über Zytokin-Bindeproteine oder Zytokin-Rezeptorantagonisten verstärken.
Anti-TNF-Therapie
Ziel eines ersten pharmakotherapeutischen Ansatzes ist die Hemmung des Zytokins TNF, das seine proinflammatorischen Effekte über die Interaktion mit membranständigen TNF-Rezeptoren (TNF-RI, 55 kDa und TNF-RII, 75 kDa) vermittelt. Eine Blockade dieses Zytokins kann auf zwei Wegen realisiert werden: Aus den membranständigen TNF-Rezeptoren entstehen durch Proteolyse verkürzte Versionen. Diese löslichen Rezeptoren enthalten die extrazelluläre TNF-bindende Domäne und können über Bindung von löslichem TNF die akuten Wirkungen des Zytokins abschwächen. Im Gegensatz zu membranständigen TNF-Rezeptoren lösen sie jedoch keine Signaltransduktion aus.
Dieser protektive Vorgang lässt sich durch Etanercept (Enbrel®) pharmakologisch imitieren. Etanercept ist ein dimeres Fusionsprotein, das aus zwei rekombinanten löslichen TNF-Rezeptor (p75)-Molekülen und dem FC-Teil eines humanen IgG1 besteht (3). Das seit Mitte 2000 zur Therapie der RA zugelassene Arzneimittel kann auf Grund seiner dimeren Struktur zwei Moleküle TNF abfangen.
Eine weitere Möglichkeit der Anti-TNF-Therapie ist durch Neutralisierung des Zytokins mit monoklonalen Antikörpern gegeben. So wurde in Deutschland im Jahre 2000 der TNF-Antikörper Infliximab (Remicade®) zur Therapie der RA zugelassen. Infliximab ist ein gegen TNF gerichteter chimärer monoklonaler Antikörper, der zu 25 Prozent aus Sequenzen der Maus, zu 75 Prozent aus menschlichen Sequenzen besteht. Im Gegensatz zu Etanercept bindet Infliximab nicht nur lösliches, sondern auch membranständiges TNF. Ein Nachteil der Substanz ist, dass sich auf Grund der murinen Anteile im Molekül Antikörper bilden können, die möglicherweise für gelegentliche Infusionsreaktionen, aber auch für eine Abnahme der Wirkung im Verlauf einer tief dosierten Monotherapie verantwortlich sein könnten. Dieser Nachteil lässt sich durch eine Kombinationstherapie mit Methotrexat ausgleichen.
Die klinische Effizienz von Infliximab wurde in der 1999 publizierten Attract-Studie (Anti-TNF-Trial in Rheumatoid Arthritis with Concomitant Therapy) untersucht (4). Dabei gelang der radiologische Nachweis, dass die kombinierte Gabe von Infliximab mit Methotrexat über 12 und 24 Monate zu keiner weiteren Zunahme der Knochen- und Knorpeldestruktion führt, während es bei Patienten, die nur mit Methotrexat behandelt werden, zur Progression kommt. Diese Befunde verdienen insofern besondere Erwähnung, da erstmalig das Sistieren der radiologischen Progression bei der Therapie der RA mit einem Antirheumatikum über 24 Monate nachgewiesen werden konnte.
Als erster rein humaner monoklonaler TNF-Antikörper zur Behandlung der RA ist Adalimumab unter dem Namen Humira® im September 2003 in Deutschland zugelassen worden. Adalimumab weist auf Grund seiner geringeren Immunogenität eine im Vergleich zu Infliximab geringere Inzidenz allergischer Nebenwirkungen auf und kann auch als Monotherapeutikum eingesetzt werden (5).
Anti-IL-1-Therapie
Ein weiterer pharmakotherapeutischer Ansatz liegt in der Neutralisierung der biologischen Aktivität von IL-1 durch kompetitive Hemmung der Bindung dieses Zytokins an den IL-1-Typ-I-Rezeptor. Auch hier wird ein physiologisches Prinzip imitiert: Makrophagen sezernieren einen IL-1-Rezeptor-Antagonisten (IL-1-RA), der über Blockade eines IL-1-Rezeptor-assoziierten Proteins die IL-1-Signaltransduktion unterbricht. Um mehr als 95 Prozent der IL-1-Rezeptoren zu blockieren, wären allerdings in vivo hohe Konzentrationen an IL-1-RA erforderlich. Pharmakologisch wird dieser Schutzmechanimus über die Applikation des humanen rekombinant hergestellten IL-1-RA Anakinra (Kineret®) verstärkt.
Anakinra ist in Deutschland seit März 2002 in Kombination mit Methotrexat zur Therapie der RA bei Patienten zugelassen, die nur unzureichend auf Methotrexat allein ansprechen (6). Für die Substanz konnte nach etwa sechsmonatiger Behandlung eine signifikante Verminderung der Progression der Gelenkschädigung nachgewiesen werden. Anakinra besitzt ein günstiges Sicherheitsprofil. Als Nebenwirkungen sind vor allem lokale Reaktionen an der Einstichstelle zu registrieren. Eine Erweiterung der Zulassung für Anakinra zur Hemmung der Progression der Knochen- und Knorpeldestruktion ist inzwischen bei der FDA beantragt worden.
Gentherapie
Ein Eingriff in das bei der RA gestörte Zytokin-Gleichgewicht liegt auch frühen präklinischen Forschungsansätzen der Gentherapie zu Grunde (7). Hierbei wird genetisches Material in somatische Zellen transferiert mit dem Ziel, bestimmte therapeutisch direkt oder indirekt wirksame Proteine wie die antiinflammatorischen Zytokine IL-10 und IL-4, den IL-1-Rezeptorantagonisten oder den löslichen TNF-Rezeptor vermehrt zu produzieren. Auf der anderen Seite kann durch Überexpression des IkBa-Gens die Biosynthese pathobiochemisch relevanter Zytokine reduziert werden. Die meisten der bisher durchgeführten Experimente konzentrierten sich auf die lokale Gentherapie, das heißt das Einbringen therapeutisch relevanter Gene in die Synovialmembran arthritischer Gelenke.
Offene Fragen
Alle bisher vorliegenden klinischen Studien belegen eine ungewöhnlich gute Wirkung von Anti-Zytokin-Biologicals bei Patienten mit einer durch etablierte Basistherapeutika nur unzureichend beeinflussbaren RA und einen vergleichsweise schnelleren Wirkeintritt. Wegen der noch begrenzten Erfahrungen sind Anti-Zytokin-Biologicals derzeit allerdings noch nicht Arzneimittel der ersten Wahl für die frühe rheumatoide Arthritis und sollten erst bei Versagen zumindest zweier konventioneller Basistherapeutika (eines davon Methotrexat) eingesetzt werden.
Hinzu kommen ungelöste Probleme und offene Fragen bei der Therapie mit Anti-Zytokin-Biologicals (8,9). So wird nur in circa 60 Prozent der Fälle klinisch „Response“ beobachtet. Weiterhin sind die Langzeitfolgen einer permanenten TNF-Blockade heute noch unbekannt.
Da TNF eine wichtige Rolle bei der Infektabwehr und bei der Apoptose spielt, sollte in Langzeitbeobachtungen besonderes Augenmerk auf die Inzidenz entsprechender schwer wiegender Nebenwirkungen wie Infektionen, Tuberkulosereaktivierung und Erhöhung der Tumorinzidenz gelegt werden. In der bereits erwähnten Attract-Studie stieg die Inzidenz von Infektionen nicht signifikant, allerdings starben zwei Patienten in der Nachbeobachtungsperiode an einer nicht kontrollierbaren Tuberkulose beziehungsweise einer Coccidiomykose (4). Weitere Nachteile der Anti-Zytokin-Biologicals liegen im hohen Kostenfaktor sowie im Proteincharakter dieser Substanzen. Letzterer geht mit der notwendigen parenteralen Applikation und einem teilweise auftretenden immunogenen Potenzial mit entsprechendem Wirkverlust bei fortschreitender Behandlung einher.
Hemmung der Zytokingenexpression
Vor diesem Hintergrund sind neue Forschungsansätze in der Synthese und Prüfung niedermolekularer, oral applizierbarer und kostengünstigerer Substanzen zu betrachten, die selektiv mit der Synthese oder Signaltransduktion proinflammatorischer Zytokine interferieren (10,11). Eine erste Gruppe derzeit präklinisch getesteter Inhibitoren hemmt das Enzym p38-Mitogen-aktivierte Proteinkinase, das über die Phosphorylierung von Transkriptionsfaktoren die Expression des TNF- und IL-1-Gens steigert. Entsprechende Testsubstanzen hemmen somit synergistisch den proinflammatorischen Effekt beider Zytokine.
Ein weiteres Forschungsgebiet beschäftigt sich mit selektiven Phosphodiesterase-IV-Inhibitoren, die über eine Erhöhung des intrazellulären cAMP-Spiegels in Monozyten die TNF-Expression unterbinden. Allerdings wurde die antiinflammatorische Wirkung dieser Substanzen bisher vor allem bei Patienten mit Asthma bronchiale untersucht. In den 90er-Jahren konnte an kleinen Patientenkollektiven weiterhin gezeigt werden, dass die antiinflammatorische Wirkung von Thalidomid bei Morbus Crohn und RA ebenfalls auf eine Hemmung der TNF-Synthese zurückzuführen ist. Mit einem Einsatz dieser Substanz unter strengsten Kontrollmaßnahmen wäre allerdings erst nach Vorliegen positiver Ergebnisse randomisierter, kontrollierter klinischer Studien zu rechnen.
Parallel zu diesen Bemühungen gelang in den 90er-Jahren der Nachweis, dass Promotoren der Gene einer Reihe von Entzündungsmediatoren und -modulatoren wie Zytokine, Chemokine oder proinflammatorische Enzyme Bindungsstellen für den Transkriptionsfaktor "Nuclear Factor kB" (NF-kB) besitzen. In diesem Zusammenhang konnte auch gezeigt werden, dass eine Aktivierung dieses Kernfaktors in die Pathogenese einer Reihe chronisch-entzündlicher Erkrankungen wie RA, Asthma bronchiale, entzündliche Darmerkrankungen, Atherosklerose oder Krebs involviert ist.
NF-kB ist ein aus den Proteinen p65 und p50 bestehendes Heterodimer, das im Zytosol unstimulierter Zellen in inaktiver Form an ein Repressorprotein der IkB-Familie gebunden vorliegt. Eine Stimulation der Zelle durch Zytokine wie TNF oder IL-1 führt über die Aktivierung eines IkB-Kinase (IKK)-Komplexes zur Phosphorylierung und nachfolgend zum proteolytischen Abbau des IkB-Moleküls. Das freigesetzte NF-kB-Molekül transloziert in den Zellkern, bindet an kB-Bindungsstellen in der Promotorregion von Genen inflammatorischer Proteine und aktiviert deren Transkription. Für eine Komponente des IKK-Komplexes, das IKK2, ist inzwischen ein hoher Grad an Spezifität zur Expression von IL-1, TNF und MMPs nachgewiesen worden (12,13). IKK2-Inhibitoren befinden sich als potenziell neue Klasse von Basistherapeutika derzeit in präklinischer Prüfung (14).
Hinzuzufügen ist, dass mit der Beschreibung der pathophysiologischen Rolle von NF-kB auch eine späte Erklärung des antiinflammatorischen Wirkmechanismus der Glucocorticoide, die seit 1949 zur Therapie der RA eingesetzt werden, gelang: Glucocorticoide inhibieren die NF-kB-induzierte Transkription der Gene proinflammatorischer Proteine. Diese Wirkung wird über eine direkte Interaktion des Glucocorticoid-Rezeptor-Komplexes mit NF-kB im Zellkern sowie über die Induktion der Transkription des IkBa-Gens vermittelt (15). Infolge der dadurch erhöhten Synthese dieses Inhibitorproteins kommt es zu einer stärkeren zytosolischen NF-kB-Blockade und zu einer Hemmung der NF-kB-Translokation in den Zellkern. Neueren Untersuchungen zufolge scheinen auch die zur Basistherapie eingesetzten Goldverbindungen über die Modifikation einer Thiolgruppe im katalytischen Zentrum der IKK die Aktivierung von NF-kB zu hemmen (16).
Hemmung der Prostaglandinsynthese
Wie bei jeder anderen Entzündungsreaktion kommt auch bei der RA den Prostaglandinen eine proinflammatorische Funktion zu, die vor allem über eine Erhöhung der Gefäßpermeabilität und die Verstärkung der Wirkung anderer Entzündungsmediatoren wie Kinine, Serotonin und Histamin vermittelt wird. Mit der Entdeckung einer induzierbaren Cyclooxygenase-Isoform (COX-2) zu Beginn der 90er-Jahre gelang der Nachweis, dass vor allem dieses Enzym, das in Makrophagen, Endothelzellen und Synoviozyten durch Zytokine und Wachstumsfaktoren induziert wird, zur Bildung prophlogistischer Prostaglandine führt.
Prostaglandine sind keine bedeutenden Schmerzmediatoren per se. Sie erhöhen im traumatisierten Gewebe die Empfindlichkeit von Nozizeptoren auf andere Stimuli, indem sie normalerweise nicht erregbare polymodale Rezeptoren („silent nociceptors“) in einen Zustand leichter Erregbarkeit überführen. Darüberhinaus kommt es nach einer peripheren Gewebeschädigung nicht nur im traumatisierten Gewebe, sondern auch im Rückenmark zur Bildung von Prostaglandinen, die die Übertragung schmerzrelevanter Informationen vom geschädigten Gewebe zum Großhirn modulieren. Auch in diesen Prozess scheint das COX-2-Enzym, das im Hinterhorn des Rückenmarks (analgetische Filterstation) konstitutiv exprimiert wird und dort nach Induktion einer peripheren Entzündung hochreguliert wird, involviert zu sein.
Selektive COX-2-Inhibitoren
Nicht steroidale Antiphlogistika (NSAIDs) wie Indometacin oder Diclofenac sind auf Grund ihrer analgetischen und antiinflammatorischen Wirkung bei den meisten schmerzhaften rheumatischen Erkrankungen Mittel der Wahl (17). Sie lassen Schwellungen abklingen und lindern Gelenksteifigkeit und Schmerzen durch Hemmung der Gelenkentzündung. Sie können den fortschreitenden Verlauf der Erkrankung und ihre Folgeschäden allerdings nicht aufhalten.
Die Entwicklung und der therapeutische Einsatz selektiver COX-2-Inhibitoren wie Celecoxib (Celebrex®), Rofecoxib (Vioxx®), Valdecoxib (Bextra®) und Etoricoxib (Arcoxia®) basierte auf der Hypothese, dass eine selektive Hemmung der COX-2 zur Verminderung von Entzündung und Schmerz bei fehlender Beeinträchtigung der COX-1-abhängigen Prostanoid-Effekte im Magen-Darm-Trakt, in der Niere und bei der Blutgerinnung führen muss (18,19).
In einer Reihe klinischer Studien ließ sich in der Tat eine verbesserte gastrointestinale Verträglichkeit dieser Substanzen gegenüber Standard-NSAIDs nachweisen. Dennoch werden durch die neuen Substanzen auch mittlerweile beschriebene physiologische COX-2-Effekte inhibiert. So sind nach Gabe selektiver COX-2-Hemmer Ödeme und Flüssigkeitseinlagerungen registriert worden, die auf die Hemmung einer konstitutiv exprimierten renalen COX-2 zurückzuführen sind. Darüber hinaus blockieren selektive COX-2-Hemmer die COX-2-abhängige Bildung von Prostacyclin im Endothel, lassen auf der anderen Seite jedoch die Bildung von prothrombotischem, COX-1-abhängig synthetisiertem Thromboxan unbeeinflusst. Auf diese Weise könnten selektive COX-2-Inhibitoren bei disponierten Patienten das Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen erhöhen (20). Diese Befunde haben derzeit eine Diskussion zu der Frage angestoßen, ob der Einsatz präferenzieller COX-2-Hemmer wie Diclofenac und Aceclofenac, die eine partiell erhaltene COX-1-Hemmwirkung aufweisen, bei entsprechenden Risikopatienten langfristig therapeutisch günstiger ist.
Für Aceclofenac (Beofenac®) konnten wir kürzlich zeigen, dass die gute Wirksamkeit und Verträglichkeit dieser Substanz durch ein besonderes pharmakokinetisches Verhalten bedingt ist: Aus der in Bezug auf die COX-1/2-Hemmung per se inaktiven Muttersubstanz werden in vivo Metabolite mit COX-2-präferenzieller Hemmwirkung (Diclofenac, 4´-Hydroxy-Diclofenac) verzögert und in Quantitäten gebildet, die eine effektive Blockade der COX-2 bei einer nur partiellen Hemmung der gastrointestinal schützenden COX-1 hervorrufen (21). Im Vergleich zu einer äquipotenten Diclofenac-Cholestyramin-Dosis führt unseren Untersuchungen zufolge der Umfang und die Kinetik der protrahierten und limitierten Bioaktivierung von Aceclofenac zu Diclofenac zu einer erhöhten und länger anhaltenden COX-2-Selektivität, die eine plausible Erklärung für die geringere Inzidenz unerwünschter gastrointestinaler Ereignisse unter Aceclofenac-Therapie sein könnte (21).
LOX/COX-Dualhemmer
Ein weiterer Ansatz, gastrointestinal verträgliche NSAIDs zu entwickeln, beruht auf der so genannten „Shunt-Hypothese“ (22,23). Diese basiert auf der Beobachtung, dass nach Hemmung des COX-Enzyms sein Substrat – die Arachidonsäure – vermehrt über den 5-Lipoxygenaseweg (5-LOX) metabolisiert wird. Auf diese Weise verstärkt gebildetes Leukotrien B4 (LTB4) wirkt als potentes Chemotaktikum für neutrophile Leukozyten und führt zu einer gesteigerten Adhäsion dieser Zellen an der Wand postkapillärer Gefäße der Mukosa.
Im Zusammenspiel mit vasokonstriktorisch wirkenden Cysteinylleukotrienen wie LTC4 und LTD4 entstehen Mikrozirkulationsstörungen, die sich lokal als Ischämie und Schleimhautläsionen manifestieren. Durch duale Hemmstoffe der COX-1/2 und 5-LOX, die bei gleichzeitiger Hemmung der Biosynthese von Prostaglandinen und Leukotrienen das Auftreten gastrointestinaler Nebenwirkungen durch einen Leukotrienüberschuss verhindern, lässt sich dieser Toxizitätsmechanismus durchbrechen.
Bisherige Dualinhibitoren wurden als redoxaktive Verbindungen mit Di-tertiär-Butylrest konzipiert, die neben den Redoxenzymsystemen COX und LOX allerdings auch mit hepatischen Redoxsystemen interferieren. Der neue Dualhemmstoff Licofelone (ML3000) hingegen wirkt als Arachidonsäure-Analogon und hemmt auf diese Weise die Enzyme COX-1, COX-2 und 5-LOX kompetitiv.
Neben der im Vergleich zu konventionellen NSAIDs verbesserten gastrointestinalen Verträglichkeit eröffnet die mit der 5-LOX-Hemmung verbundene antiasthmatische und chondroprotektive Wirkung weitere therapeutische Optionen. Darüber hinaus zeichnet sich ein weiterer Vorteil gegenüber selektiven COX-2-Inhibitoren ab: Da Licofelone sowohl die COX-1 als auch die COX-2 inhibiert, bleibt der gewünschte Effekt der Plättchenaggregationshemmung erhalten, sodass die Substanz auch bei Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren eingesetzt werden kann (24). Licofelone wird für die Indikation Osteoarthrose entwickelt und befindet sich gegenwärtig in klinischer Entwicklung. Der endgültige Stellenwert von Licofelone wird sich allerdings erst nach Abschluss der Phase-III-Studien abschätzen lassen.
NO-NSAIDs
Die für eine gute gastrointestinale Verträglichkeit notwendige intakte Mikrozirkulation liegt auch dem Konzept der sich in früher klinischer Prüfung befindenden NO-NSAIDs zu Grunde (25). NO-NSAIDs unterstützen die Mikrozirkulation in der Mukosa des Magen-Darm-Traktes durch Freisetzung von vasodilatatorisch wirkendem Stickstoffmonoxid (NO) und kompensieren auf diese Weise die Hemmung gastroprotektiver COX-1-abhängiger Prostaglandine. Entsprechende Substanzen wie NO-Acetylsalicylsäure (NO-ASS), NO-Naproxen oder NO-Flurbiprofen bestehen aus einem bekannten NSAID, das über eine metabolisch labile Bindungsstruktur (Spacer) mit einer NO-freisetzenden Salpetersäureester-Struktur gekoppelt ist.
NO-NSAIDs blockieren wie herkömmliche NSAIDs die Cyclooxygenasen und vermitteln auf diese Weise ihre antiinflammatorische und analgetische Wirkung. Die protektive gastrointestinale NO-Wirkung sowie die Hemmung der Thrombozytenaggregation werden über einen cGMP-abhängigen Effekt vermittelt. Zusätzliche antiinflammatorische Effekte von NO-NSAIDs wie Inhibition der Zellproliferation oder zelltypabhängige Hemmung von NF-kB scheinen auf Guanylatcyclase-unabhängigen Mechanismen zu basieren.
Am Beispiel von NO-ASS, der bisher am besten untersuchten Verbindung dieser Substanzklasse, konnte gezeigt werden, dass das in vivo freigesetzte NO die Aktivität des Enzyms Caspase-1 (Interleukin-1b-Konversions-Enzym, ICE) inhibiert und damit zu einer verminderten Freisetzung von IL-1b und IL-18 führt. Da IL-1b und IL-18 die Bildung weiterer proinflammatorischer Zytokine (TNF, IL-8, IFN-γ) stimulieren, reduzieren NO-NSAIDs auf diese Weise die Synthese einer Reihe weiterer Entzündungsmediatoren.
Potenzielle enzymatische Targets
Untersuchungen der letzten Jahre legen nahe, dass neben COX-2 und 5-LOX auch andere Enzyme innerhalb der Arachidonsäurekaskade mögliche Angriffspunkte bei der Therapie von Entzündungen und Schmerzen darstellen. So zeigte sich, dass eine bestimmte cytosolische Phospholipase A2 (cPLA2; 85 kD) für die Arachidonsäurefreisetzung unter Entzündungsbedingungen verantwortlich ist. Die Hemmung dieses übergeordneten Enzyms würde nicht nur die Bildung der Prostaglandine, sondern auch die der Leukotriene und des Plättchen-aktivierenden Faktors unterdrücken. Erste Leitstrukturen selektiver Hemmer der cPLA2 sind in Patenten beschrieben worden. Allerdings erschwert bisher die schlechte orale Bioverfügbarkeit dieser Substanzen eine breite Validierung ihres Wirkmechanismus in vivo (26,27).
In Untersuchungen der letzten Jahre konnte weiterhin die glutathionabhängige, Membran-assoziierte Prostaglandin-E-Synthase 1 identifiziert werden. Die Expression dieses Enzyms wird während verschiedener Entzündungsreaktionen und pathophysiologischer Verläufe wie RA, Morbus Alzheimer und Fieber zusammen mit der COX-2 durch Zytokine und Lipopolysaccharid induziert (28,29). Interessanterweise wird die Expression dieses Enzyms wie die der COX-2 durch Glucocorticoide gehemmt. Aus pharmakologischer Sicht würde eine Hemmung der dem COX-Enzym nachgeordneten Prostaglandin-E-Synthase die Möglichkeit eröffnen, die Bildung von COX-2-abhängigem proinflammatorischen Prostaglandin E2 ohne gleichzeitige Blockade der Synthese des ebenfalls COX-2-abhängig gebildeten vasoprotektiven Prostacyclins zu inhibieren.
Weitaus kritischer sind Postulate der jüngsten Zeit zu werten, die in dem nichtsauren Analgetikum Paracetamol einen selektiven Hemmer der COX-3 und damit eine Erklärung seiner zentralen analgetischen und antipyretischen Wirkung sehen (30). Bei diesem kürzlich identifizierten Enzym handelt es sich um eine Splicing-Variante des COX-1-Enzyms, die vor allem in der Hirnrinde, nicht hingegen in der Gegend des Fieberzentrums (Hypothalamus) exprimiert wird. Auch auf der Basis von Daten, die zeigen, dass bei der zentralen Nozizeption und Fieberentstehung COX-2- und nicht COX-1-abhängig gebildete Prostaglandine eine Rolle spielen, scheint eine Involvierung der identifizierten COX-3 in die pharmakologische Wirkung von Paracetamol unwahrscheinlich.
Fazit
Die Auffindung möglicher neuer Basistherapeutika zur Behandlung der RA erfolgte bis vor kurzem im Wesentlichen auf empirischer Basis. Ein Durchbruch in diesem Bereich konnte in den letzten Jahren mit der Einführung der gegen spezifische Targets im Entzündungsprozess der RA gerichtete Anti-TNF/Anti-IL-1-Biologicals erzielt werden. Niedermolekulare Inhibitoren der Zytokinbildung und -Signaltransduktion befinden sich in präklinischer Entwicklung.
Basierend auf der Identifizierung einer induzierbaren COX-2-Isoform zu Beginn der 90er-Jahre gelang es weiterhin, mit den selektiven COX-2-Hemmstoffen Substanzen für die symptomatische Therapie von Entzündungen und Schmerzen zu entwickeln, die bei einer traditionellen NSAIDs vergleichbaren analgetischen und antientzündlichen Wirkung ein deutlich reduziertes gastrointestinales Nebenwirkungspotenzial aufweisen. Pharmaka, die das gleiche Ziel verfolgen und möglicherweise nicht das für selektive COX-2-Hemmstoffe diskutierte kardiovaskuläre Risikopotential besitzen, sind die in klinischer Entwicklung befindlichen dualen COX/LOX-Hemmstoffe sowie NO-NSAIDs.
Literatur
Dieser Text folgt einem Vortrag auf der 33. Internationalen Pharmazeutischen Fortbildungswoche der Bundesapothekerkammer in Davos im Januar 2003.
Der Autor
Burkhard Hinz studierte von 1988 bis 1992 Pharmazie in Halle. Die Approbation als Apotheker und die Verteidigung der Diplomarbeit erfolgte 1993. Nach der Promotion (1996) am Institut für Pharmakologie und Toxikologie für Naturwissenschaftler der Universität Halle wechselte Hinz an das Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Universität Erlangen-Nürnberg, an der er sich 2001 mit Arbeiten zur Regulation der Cyclooxygenase-2-Expression und zum Wirkmechanismus nicht steroidaler Antiphlogistika habilitierte. Die Ernennung zum Privatdozenten und die Erteilung der Lehrbefugnis für das Fach Pharmakologie und Toxikologie erfolgte im gleichen Jahr. Derzeit leitet Hinz zwei DFG-Projekte, die sich mit Interaktionen des Cannabinoid- mit dem Cyclooxygenase-System sowie mit der funktionellen Bedeutung intraokulärer Prostaglandine auseinandersetzen. Für seine Arbeiten zur Cyclooxygenase-2-Regulation wurde Hinz mit dem Phoenix-Pharmazie-Wissenschaftspreis 2001 (Fachgebiet Pharmakologie) ausgezeichnet.
Anschrift des Verfassers:
Privatdozent Dr. rer. nat. Burkhard Hinz
Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie
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