"Reform rettet Solidarprinzip" |
04.10.1999 00:00 Uhr |
DEUTSCHER APOTHEKERTAG
"Bei der Reform sind noch viele Änderungen nötig, aber die Grundlinie bleibt die gleiche", stellte Erwin Jordan, Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit in seinem Statement bei der Eröffnung des Deutschen Apothekertages klar, und erntete damit zahlreiche Pfiffe und Buh-Rufe aus dem Auditorium. Nur mit solchen Reformansätzen könne das Solidarprinzip im Gesundheitswesen langfristig gewährleistet werden.
Die Reformvorschläge der Regierung kämen doch gerade den chronisch Kranken zu gute. "Verdrehte Zahlen" und Kritik stamme vornehmlich aus dem Lager der Leistungserbringer und nicht von den Patienten. "Wir müssen mit stabilen Beitragssätzen langfristig die Lohnnebenkosten senken, um Arbeitsplätze zu sichern", betonte Jordan. Genau in diesem Punkt unterscheide sich die neue Regierung von ihren Vorgängern. Diese habe die Krankenversicherungsbeiträge nicht stabil halten können, obwohl sie die Zuzahlung erhöhte. Alleine von 1991 bis 1998 seien die Beiträge um 10 Prozent gestiegen. Jordan: "Daran haben wir jetzt noch zu knabbern." Es sei deshalb dringend nötig, Strukturen zu ändern, und den Patienten mehr Rechte zu geben.
Mit Unverständnis reagierte Jordan auf die Forderungen der Leistungserbringer nach "mehr Markt". Sie täten sich damit keinen Gefallen. Schließlich führe eine Öffnung des Arzneimittelmarktes auch zu mehr Wettbewerb. Und das tue der Arzneimittelversorgung sicherlich nicht gut. Auch die Angst der Apothekerschaft vor einem Datenmonopol der Krankenkassen teilte der Staatssekretär nicht. "Das wird es nicht geben", sicherte er seinem Auditorium zu. Der Datenschutz würde künftig sogar verbessert.
In Sachen Arzneimittelbuget verwies Jordan auf den kürzlich erzielten Konsens im Aktionsprogramm. "Das Sommertheater war nicht nötig, hätten sich alle Beteiligten früher an einen Tisch gesetzt." Wer Politik mache, müsse schließlich Kompromisse aushandeln. Es gehe nicht darum, dass sich einzelne "Lobbygruppen" durchsetzten.
Zum Globalbudget gibt es laut Staatssekretär keine Alternativen. Es sei nicht möglich, Beitragssätze zu senken, und gleichzeitig die Versorgung auszuweiten. Durch das Globalbudget entfalle "das enge Korsett" sektoraler Budgets.
"Wir müssen den Menschen sagen, dass wir Notwendiges und Sinnvolles finanzieren", so Jordan. Das Globalbudget schwämme alleine im nächsten Jahr 4 Milliarden DM in die Kassen der GKV. Langfristige Prognosen wagte der Staatssekretär jedoch nicht.
Nicht nachvollziehen kann er die regional unterschiedlichen Ausgaben für Arzneimittel. Kassenärztliche Vereinigungen (KV) wie in Südbaden gingen anscheinend wirtschaftlicher mit ihren Verordnungen um. Sein Ministerium prüfe aber derzeit, ob das Arzneimittelbudget nicht anhand der Ausgaben der drei sparsamsten Kven, sondern des unteren Drittels festgesetzt werden kann.
"Wir haben einen zu heterogenen Arzneimittelmarkt", verteidigte Jordan die Positivliste. Die Regierung wolle den Ärzten mit der Liste bei einer sinnvollen Arzneimittelauswahl helfen und für mehr Transparenz auf dem Markt sorgen. Schließlich bedeute "Freiheit nicht Beliebigkeit". Auch für den Vorwurf der Doppelprüfung von Arzneimitteln durch Positivliste und Arzneimittelgesetz (AMG) zeigte Jordan kein Verständnis. Das AMG lege einen Schwerpunkt bei der Arzneimittelsicherheit. Unternehmen, die diese Hürde nehmen, könnten "alles auf den Markt bringen". In die Positivliste würde dagegen nur "sinnvolle und innovative" Präparate aufgenommen.
Auch von den Importarzneimittel erwartet sich der Staatssekretär Einsparungen. Die Einfuhr ausländischer Medikamente sei zwar ökologisch nicht sinnvoll, die Importregel werde die Arzneimittelversorgung aber nicht gefährden. Schließlich habe der Pharmagroßhandel immer die Präparate der fünf größten Importeure vorrätig.
In seinen Ausführungen kritisierte Jordan die Beratungsqualität in deutschen Apotheken und bezog sich dabei auf die Ergebnisse einer Studie der Stiftung Warentest. "Wir überlegen deshalb, auch Apotheker in das Qualitätsmanagement einzubinden." Mit ihrem Konzepten zur Pharmazeutischen Betreuung sei die Apothekerschaft auf dem richtigen Weg. Zusätzlich plane seine Regierung Änderungen in der Apothekenbetriebsordnung. Die Beratung solle künftig mehr in den Vordergrund gestellt werden. Dagegen seien Erleichterungen bei der Prüfung von Fertigarzneimitteln und Ausgangsstoffen denkbar.
Für großen Tumult sorgte der Staatssekretär mit seinen Äußerungen zur ambulanten Versorgung. Patienten, wie zum Beispiel Krebskranke, sollten künftig noch häufiger ambulant behandelt werden. Ambulante Einrichtungen müssten deshalb mit Zytostatika aus der Krankenhausapotheke beliefert werden. Inwieweit auch Pflegeheime und andere ärztliche Einrichtungen von Klinikapotheken versorgt werden können, sei noch abzuklären.
In einem knappen Statement zu Jordans Ausführungen bekräftigte ABDA-Präsident Friese die Dialogbereitschaft der Apotheker. Man wolle von der Regierung aber auch gehört werden. Die Importregelung bezeichnete Friese als realitätsfremd, da nur von 30 Prozent der Importe verfügbar seien. Auch die von Jordan zitierten Ergebnisse der Stiftung-Warentest-Umfrage stellte er in Frage. Da habe es schon am Studiendesign gehapert.
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