Politik
Die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen, der
Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels und der Deutsche
Apothekerverband haben dem Bundeswirtschaftsministerium sowie dem
Bundesgesundheitsministerium eine "Gemeinsame Erklärung zur Änderung
der Arzneimittelpreisverordnung" übermittelt. Gemeinsames Ziel ist es, die
Arzneimittelabgabepreise im hochpreisigen Bereich zu reduzieren und zur
Kompensation der Einkommensminderung auf Seiten der Apotheken die
Rezepturarbeitspreise und die Notdienstgebühr anzuheben.
Nachdem die Politik unabweisbaren Handlungsbedarf im Bereich der hochpreisigen
Arzneimittel sieht und zugleich ihr Interesse an einem Konsensvorschlag der
Beteiligten betont hat, kommt dieser "Gemeinsamen Erklärung" eine besondere
Bedeutung für die weitere Entwicklung um eine Änderung der AMPreisV zu.
Im einzelnen sieht diese "Gemeinsame Erklärung" folgendes vor:o Der Großhandelshöchstzuschlag bei Fertigarzneimitteln soll ab einem
Herstellerabgabepreis von 1.339,28 DM auf 3 Prozent zuzüglich 120,32 DM
begrenzt werden.
o Der Festzuschlag der Apotheken bei Fertigarzneimitteln soll ab einem
Apothekeneinkaufspreis von 1.063,81 DM 8,263 Prozent zuzüglich 231,25 DM
betragen.
o Die Rezepturzuschläge der Apotheken sollen auf 3 DM, 6 DM beziehungsweise 9
DM verdoppelt werden.
o Die Spitzenverbände der Krankenkassen und der Deutsche Apothekerverband
sollen ermächtigt werden, über die Höhe der Rezepturzuschläge abweichende
Vereinbarungen schließen zu können.
o Die Notdienstgebühr soll von 2 auf 5 DM erhöht und von den Apotheken
außerhalb der allgemeinen Ladenschlußzeiten berechnet werden können.
o Es besteht ferner Einvernehmen darüber, daß die Spitzenverbände der
Krankenkassen die Art und Weise der Behandlung von Nullrezepten (also
Verordnungspositionen, deren Abrechnungsbetrag nach Rabatt geringer als der
jeweilige Zuzahlungsbetrag ist) auch zukünftig so akzeptieren, wie sie in der
Vereinbarung über die Übermittlung von Daten im Rahmen der
Arzneimittelabrechnung gemäß § 300 SGB V geregelt ist.
Was wäre das Ergebnis?o Zum einen werden die Großhandels- und Apothekenzuschläge im hochpreisigen
Bereich so reduziert, daß die Handelsspannen der Apotheken nicht mehr mit
extremen Einzelbeispielen politisch und publizistisch in Frage gestellt werden können.
Damit würde zugleich auch Versuchen entgegengewirkt, hochpreisige Produkte der
Vertriebswegskompetenz der Apotheken zu entziehen.
o Die Begrenzung der Zuschläge mit einer Kombination aus fixer und variabler
Komponente trägt dem Sachverhalt Rechnung, daß sowohl im Großhandels- als
auch im Apothekenbereich variable Kosten anfallen, die mit einem ausschließlich
fixen Zuzahlungsbetrag nicht betriebswirtschaftlich akzeptabel gedeckt werden
könnten.
o Der Eingriff würde auf das Segment der hochpreisigen Arzneimittel beschränkt
(etwa 250 betroffene Produkte). Bis zu einem Apothekeneinkaufspreis von
1.063,81 DM würde der 30prozentige Aufschlagsatz unverändert bestehen bleiben.
o Die überfällige Anpassung der Rezepturarbeitspreise und Notdienstgebühr wurde
endlich vorgenommen.
o DAV und Spitzenverbände der Krankenkassen würden die dringend erforderlich
Möglichkeit erhalten, bei Spezialrezepturen wie zum Beispiel Zytostatika,
Methadonzubereitungen oder Parenteralia zeitnah marktgerechte Vergütungen für
die Offizinapotheken zu vereinbaren.
o Die vertraglich zwischen DAV und GKV getroffene Vereinbarung zur
Nichtrabattierung von Nullverordnungen würde ausdrücklich nochmals bestätigt.
Das gibt Planungssicherheit für alle Beteiligten.
o Diese "kleine Lösung" mit einem Gesamtvolumen von unter 100 Millionen DM p.a.
birgt weniger Konfliktpotential in sich als die im Vorfeld diskutierte "große Lösung",
die ein vier- bis fünfmal größeres Eingriffsvolumen bedeutet hätte. Bei der "großen
Lösung" wäre die generelle Nichtrabattierung der Patientenzuzahlung mit einem
entsprechend größeren Kürzungsvolumen bei den Handelsspannen verrechnet
worden. Da aber das zukünftige Zuzahlungsaufkommen für 1998 strittig ist, wäre
entsprechend auch das Kürzungsvolumen in der AMPreisV strittig. Zudem hat die
"kleine Lösung" nicht wie die "große Lösung" das politische Risiko von zukünftigen
Änderungen der Patientenzuzahlung, die die gefundenen
Kompensationsvereinbarungen unterlaufen könnten.
Beitrag von der PZ-Redaktion
Selbstverwaltung funktioniert
Kommentar
von Dr. Hartmut Morck, Chefredakteur
Die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenversicherung, des pharmazeutischen
Großhandels und der Apotheker haben der Politik bewiesen, daß auch in schweren
Zeiten Einigungen gefunden werden können. Während die Parteien im Steuerstreit
und in der Rentenreformdiskussion durch ihre Blockadepolitik handlungsunfähig
geworden sind, mit der Folge, daß sich bis zu den Wahlen 1998 nichts mehr
bewegt, sind die Spitzenverbände im Gesundheitswesen trotz zunächst
unüberbrückbar erscheinender Unterschiede in den Vorstellungen zur
Arzneimittelpreisverordnung aufeinander zugegangen und haben einen Kompromiß
gefunden.
Ziel der Verbände war es, die Arzneimittelpreisverordnung in ihrer Grundstruktur zu
erhalten - Forderung der Politik, einen Konsens zu finden, der nicht gegen die
Apotheken gerichtet ist.
Insbesondere diese Forderung machte es auf seiten der Krankenkassen nötig, das
Streben nach anderen Vertriebskanälen aufzugeben und sich auch von den alleinigen
Fixzuschlägen zu verabschieden. Für die Apothekerseite bedeutete das, einzusehen,
daß zur Zeit die Festbetragsspezifischen Festzuschläge und die Drehung gegen den
Widerstand der Industrie und des Großhandels nicht durchsetzbar waren. Die jetzt
gefundene kleine Lösung schließt auch die Forderung der Apotheker nach genereller
Nichtrabattierung der Patientenzuzahlungen aus, da sie gegen die gesetzlichen
Krankenkassen nicht hätten durchgesetzt werden können. Dafür wird aber
ausdrücklich die Nichtrabattierung der sogenannten Nullverordnungen bestätigt, was
sich aus dem Gesetz nicht ergibt, und die seit langem geforderte Anpassung der
Rezepturpreise und der Nachtaxe als Kompensation für die Renditeeinbußen im
hochpreisigen Bereich ist vorgesehen.
Nach Findung dieses Konsens ist zu hoffen, daß die unsägliche öffentliche
Diskussion über hochpreisige Arzneimittel und damit über angeblich exorbitante
Gewinne der Apotheken, die von den Medien genüßlich aufgenommen und von den
Krankenkassen, insbesondere in Bayern an dem Beispiel der Ceredase,
hochgezogen wurde, beendet ist und daß damit auch der Diskussion, hochpreisige
Arzneimittel an der Apotheke vorbei an den Patienten zu bringen, die Grundlage
entzogen worden ist. Das heißt, auch in diesem Bereich bleibt die Apotheke der
einzige Vertriebskanal.
Wie es bei einem Kompromiß immer der Fall ist, muß jeder Federn lassen. Es gibt
weder Sieger noch Besiegte. Das gilt auch für diesen Konsensvorschlag zur
Änderung der Arzneimittelpreisverordnung. Keiner kann jubeln. Mit diesem
Vorschlag ist aber Machbarkeit und Planungssicherung für alle Beteiligten wieder
garantiert. Die Selbstverwaltung hat also funktioniert.
Die Politik sollte sich dies für die Steuer- und Rentenreform zum Vorbild nehmen.

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