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Bei Kopfschmerz nicht immer ein Medikament

29.09.1997  00:00 Uhr

-Pharmazie

Govi-Verlag

Bei Kopfschmerz nicht immer
ein Medikament

Pharmacon Westerland

Mehr als die Hälfte aller Deutschen hat regelmäßig oder gelegentlich Kopfschmerzen. Bei der Behandlung des Spannungskopfschmerzes stehen rezeptfreie Medikamente im Vordergrund. Vor der Abgabe eines Präparates sollte der Apotheker in jedem Fall klären, daß die Schmerzen nicht das Symptom einer schweren Erkrankung sind, riet Profesor Dr. Albrecht Ziegler, Pharmakologe an der Universität Kiel, auf dem Fortbildungskongreß der Bundesapothekerkammer in Westerland.

Liege der Verdacht vor, daß der Kopfschmerz durch eine andere Krankheit ausgelöst wurde, müsse der Patient unbedingt zum Arzt geschickt werden. Im Prinzip seien Arzneimittel bei Spannungskopfschmerz nicht die Therapie der Wahl, vor allem wenn er chronisch auftrete. Eine Verhaltenstherapie habe häufig eine ebenso gute Wirkung wie Arzneimittel, aber keine Nebenwirkungen. Bei chronischen Kopfschmerzen müsse auch berücksichtigt werden, daß die regelmäßige Einnahme vieler Schmerzmittel selbst Kopfschmerzen auslöse.

Wenn Arzneimittel gegen Spannungkopfschmerz eingesetzt werden sollen, seien die Cyclooxigenase(COX)-Hemmer wohl die wirksamsten Medikamente. Studien deuteten darauf hin, daß Ibuprofen oder ASS die Schmerzen zuverlässiger beseitigen als Paracetamol. Wenn ein Patient Probleme mit dem Magen habe, sollte auf den Einsatz der COX-Hemmer allerdings verzichtet werden, führte Ziegler aus. Bei der Abgabe von Paracetamol dürfe der Apotheker nicht vergessen, auf die starke Hepatotoxizität bei Überdosierung hinzuweisen.

Wenn Paracetamol und COX-Hemmer versagen, stehen auch trizyklische Antidepressiva für die Therapie zur Verfügung. In erster Linie werde aus dieser Substanzklasse Amitryptilin verordnet, so Ziegler. Das Medikament ist jedoch nicht nur ein Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, sondern blockiert auch alpha1-, Acetylcholin- und Histaminrezeptoren. Diese Interaktionen lösen die Nebenwirkungen (unter anderem Schwindel, Benommenheit, Obstipation und Mundtrockenheit) aus.

Migräne: Aus Kostengründen oft nicht das beste Medikament

Nach den Empfehlungen der Deutschen Migränegesellschaft und der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft sind bei Migräne Acetylsalicylsäure und Paracetamol Mittel der ersten Wahl. Da bei einem Migräneanfall die Peristaltik im oberen Gastrointestinaltrakt beeinträchtigt und somit die Resorption der Arzneistoffe behindert werde, sei es sinnvoll, zehn Minuten vor der Einnahme der Analgetika ein auch prokinetisch wirksames Antiemetikum (Domperidon oder Metoclopramid) einzunehmen, rät Ziegler. Er präferiert Domperidon, da es deutlich weniger Nebenwirkungen habe als Metoclopramid. Leider sei es jedoch teurer und werde deshalb oft nicht verordnet. Ähnlich verhalte es sich mit den beiden 5HT1D(Serotonin)-Agonisten Ergotamin und Sumatriptan. Auch hier werden die preiswerteren Substanzen Ergotamin und Dihydroergotamin dem innovativen Sumatriptan aus Kostengründen vorgezogen. Das Secale-Alkaloid Ergotamin hat nämlich neben seiner agonistischen Wirkung an den 5HT1D-Rezeptoren auch eine hohe Affinität zu zwei weiteren Serotonin-Rezeptoren (1A und 2) sowie zu Dopamin- und Noradrenalinrezeptoren.

Diese bedinge eine Zahl von Nebenwirkungen, kritisierte Ziegler. Besonders bedenklich sei der langanhaltende Effekt von Ergotamin, der nicht über die Rezeptorbindung verursacht wird, sondern auf eine Schädigung des Gefäßendothels zurückzuführen ist, wie Ziegler in Tierversuchen nachgewiesen hat. Die Schädigung des Gefäßendothels, in dem der Vasodilatator Stickstoffmonoxid (NO) synthetisiert wird, führe zu einer langfristigen Erhöhung des Blutdrucks. Zieglers Fazit: "Ergotamin ist ein 'dirty Drug'". Um Schädigungen am Gefäßendothel zu vermeiden, sollte die Substanz nicht häufiger als zweimal pro Monat eingesetzt werden.

Dagegen greift Sumatriptan selektiv am 5HT1D-Rezeptor an, hinzu kommt lediglich eine geringe Affinität zu den 1A-Rezeptoren. Bekannte Nebenwirkungen sind Schmerzen an der Einstichstelle und ein Gefühl der Enge über der Brust. Bildgebende Verfahren und das Belastungs-EKG lieferten aber keine Hinweise auf eine tatsächliche Verengung der Gefäße. Möglicherweise sei diese Empfindung mit einer Stimulierung der Ösophagusperistaltik zu erklären. Trotzdem müsse dieses Phänomen ernstgenommen werden, da es den Patienten psychisch belaste.

Ziegler erwartet für dieses und das kommende Jahr eine Vielzahl neuer Triptane. Mit Zolmitriptan und Naratriptan sind zwei bereits auf dem Markt. Nach Einschätzung des Pharmakologen handelt es sich dabei vorwiegend um "me-too"-Präparate. Es zeichne sich bislang nicht ab, "daß einer der neuen Wirkstoffe prinzipielle Vorteile gegenüber Sumatriptan hat".

PZ-Artikel von Daniel Rücker, WesterlandTop

 

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