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Medikamente sind nur ein Teil derMigränetherapie

31.08.1998  00:00 Uhr

-Pharmazie

Govi-Verlag

Medikamente sind nur ein Teil der Migränetherapie

Mit der Einführung der Triptane ist die Migränebehandlung um eine sehr wirksame Arzneistoffgruppe bereichert worden. Dennoch begeben sich schätzungsweise zwei Millionen Patienten aufgrund unbefriedigender Behandlung durch ihren Arzt auf den riskanten Pfad der Selbstmedikation, beklagte Nikolai Karheiding, erster Vorsitzender der Migräne Liga e.V., auf dem ersten Migräne-Symposium in München.

Triptane stehen nach wie vor nicht an erster Stelle der medikamentösen Migränebehandlung. In den meisten Fällen reiche die klassische Therapie, bei der zunächst ein Antiemetikum und danach ein Analgetikum wie Acetylsalicylsäure, Paracetamol oder Ibuprofen, gegeben wird, aus, um den Anfall zu durchbrechen, erklärte Dr. Dr. Axel Heinzel von der Universität Kiel.

Nur bei Patienten mit schweren Migräneattacken sind Triptane indiziert. Diese haben gegenüber den früher eingesetzten Ergotaminen den Vorteil, daß sie schneller und stärker wirken und besser verträglich sind – unter der Voraussetzung, daß die Kontraindikationen strikt beachtet werden. Heinze sagte, Triptane seien sehr sichere Medikamente, sofern sie nicht bei Patienten mit Durchblutungsstörungen, bei ungenügend behandeltem Bluthochdruck, in der Schwangerschaft oder bei Patienten unter 18 und über 65 Jahren gegeben werden (siehe auch Beilage "Migräne" in PZ 20/98).

Die drei in Deutschland verfügbaren Arzneistoffe Sumatriptan, Naratriptan und Zolmitriptan unterscheiden sich bezüglich ihrer Wirkstärke, der Nebenwirkungshäufigkeit, der Schnelligkeit des Wirkungseintritts und der Wirkdauer deutlich voneinander. Dabei empfahl Heinze die Gabe von Sumatriptan subcutan allen Patienten, die eine rasche Beschwerdelinderung benötigen. So wirke das Medikament bereits nach einer Stunde. Denjenigen, deren Kopfschmerzen sehr lange anhalten und denen unter Sumatriptan eine erneute Attacke droht, riet er zum länger wirkenden Naratriptan. Die meisten Patienten brauchen jedoch die "therapeutische Mitte". Ihnen sei am besten geholfen mit Sumatriptan in Spray- oder Tablettenform oder mit Zolmitripan-Tabletten.

Wer nur unter einem oder zwei Migräneanfällen pro Monat leidet, ist mit einer medikamentösen Therapie sicher gut behandelt, erklärt Dr. Jan Brand, Chefarzt der Migräneklinik in Königsstein. Patienten, die häufiger von Migräneattacken gequält werden, sollten ihre Kopfschmerzen jedoch aktiv und möglichst ohne Medikamente angehen. Nach seiner Erfahrung sind dies oft Menschen, die es allen anderen recht machen wollen, nicht nein sagen können und sich im Alltag ständig überfordern. Da das überhöhte Pflichtbewußtsein zu einer ständigen Anspannung führt, müßten sie lernen, für die entsprechende Entspannung zu sorgen, bevor der Schmerz sie darauf hinweist. Entspannungstechniken, wie autogenes Training, progressive Muskelentspannung nach Jacobsen, Yoga, Taichi, Quigong oder Meditation linderten bei der Mehrzahl der Migränepatienten die Schmerzen und senkten die Anfallsfrequenz. Allerdings wirken diese Methoden nur, wenn sie täglich geübt werden.

Bei der kindlichen Migräne unterscheidet sich die Therapie kaum von der Erwachsener, betonte Dr. Raimund Pothmann, Leitender Arzt des Sozialpädiatrischen Zentrums Oberhausen. Allerdings darf hier als Antiemetikum nur Domperidon eingesetzt werden (1 Tropfen pro kg Körpergewicht). Wichtig ist auch, daß die anschließend gegebenen Schmerzmittel ausreichend hoch dosiert werden (500 bis 1000 mg ASS oder Paracetamol).

Gerade Kinder sollten – zumindest zusätzlich – alle nichtmedikamentösen Möglichkeiten ausschöpfen. So profitieren auch sie von der progressiven Muskelentspannung, die in einem direkten Vergleich sogar besser wirksam war als die Biofeedback-Methode. Eine Umstellung der Ernährung führte in einer anderen Untersuchung über sechs Monate bei 43 Prozent der Kinder zur völligen Beschwerdefreiheit und bei weiteren 47 Prozent zu einer deutlichen Besserung.

Biofeedback-Training

Biofeedback-Training ist eine wissenschaftliche Methode und ein Trainingsprozeß, durch den Menschen willentlich Kontrolle über ihr internes physiologisches System erlernen können. Durch Biofeedback können physiologische Funktionen, die normalerweise unbewußt ablaufen, erkannt und im Sinne der Therapie gezielt beeinflußt werden. Die Körperfunktionen werden durch Sensoren registriert, verstärkt und durch audiovisuelle Rückmeldung (Feedback) der bewußten Wahrnehmung zugänglich gemacht.

Ziel des Trainings ist es, dabei eine wachsende Bewußtheit und Kontrolle über bestimmte interne physiologische Funktionen zu entwickeln, damit die in einer Biofeedback-Therapie erlernten Fertigkeiten später bewußt im Alltagsleben angewendet werden können.

PZ-Artikel von Gabi Hoffbauer, MünchenTop

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