Der besser informierte Kunde |
23.08.2004 00:00 Uhr |
Eine alltägliche Situation: Ein Patient beziehungsweise Kunde übergibt ein Rezept für beispielsweise ein Antiallergikum. Bei der Übergabe des Medikaments prasseln Fragen auf das Apothekenpersonal nieder. Der Patient hat Informationen aus verschiedensten Quellen. Wie gehen Mitarbeiter in der Apotheke damit um?
Bei der Übergabe des Medikaments fragt der Kunde, ob auch die das Fachpersonal in der Apotheke der Meinung sind, dass ihm das Präparat helfen kann. Denn er habe in einer Fernsehsendung gesehen oder in einer Zeitschrift oder im Internet gelesen, dass dieses Medikament Nebenwirkungen habe. Oder der Kunde sagt, er habe gelesen, dass beispielsweise Bach-Blüten auch gegen Allergien helfen.
Reaktionen
Bei diesem Kunden handelt es sich zunächst einmal um einen Vertreter einer Kundengruppe, deren Anteil am Kundenklientel immer größer wird: Die „besser informierten Kunden“ finden sich verstärkt auch in der Apotheke ein und bringen ihre Informationen, ihre Kenntnisse und oft auch das vermeintliche Wissen mit.
Recherchen in Apotheken ergeben folgende Praxisbeispiele von Kundensituationen („alltäglicher“ Rezepteintausch mit Zusatzverkauf und Cross-Selling wird in der Aufstellung vernachlässigt):
Diese Liste mit Fallbeispielen ließe sich endlos erweitern. Was sind die Lösungsansätze? Und: Was sind mögliche Effekte dieses Kundengespräches?
Sollte die Apotheke in allen Fällen den Kunden weiter helfen, wird sich dies herumsprechen und das Team wird möglicherweise deutlich mehr Zeit in Beratungsgesprächen verbringen. Das ist allerdings nicht gleich bedeutend mit einem Mehrumsatz. Denn mit dem Erfüllen oder Über-Erfüllen der Bedürfnisse des Kunden kann der Effekt eintreten, dass diese ihre Erwartungen an die Apotheke in die Höhe schrauben. Daher ist es wichtig, dass sich die Apotheke auch von Ihren zufriedenen Kunden regelmäßig eine Rückmeldung geben lässt, beispielsweise zu deren Kundenzufriedenheit.
Sollten die Fragen nicht zur Zufriedenheit des Kunden beantwortet werden, hat die Apotheke möglicherweise einen negativen Empfehlungsgeber „gewonnen“ - und das kann sich herumsprechen. Eine Regel für Empfehlungen ist: gute Dinge werden dreimal, negative Dinge 33 mal erzählt. Man darf in diesem Zusammenhang die Empfehlungsgeber „der Nachbar/die Nachbarin“ - um nur eine Personengruppe zu nennen - nicht unterschätzen.
Mittelweg
Die Lösung ist der Mittelweg: Apothekenmitarbeiter sollten herausfinden, welchen Kunden Sie vor sich haben und woher die Information stammt. Es sollte versucht werden, einen Konsens zu erreichen, der beide Seiten zufrieden stellt. Trotzdem bleibt die Frage: Wie erkenne ich diesen Kunden?
Die Antwort liegt auf der Hand: Nicht am Outfit oder an seinem Rezept, sondern an den Fragen, die er stellt. Denn dieser Kunde ist eine „laufende offene Frage“.
Die Lösung heißt also „mit Fragen antworten“: Was ist das für ein Kunde? Was motiviert ihn? Wieso interessiert ihn das „Mittel“ oder die Vorgehensweise? Wo kann ein Apothekenmitarbeiter ansetzen, um dem Kunden auch das Angebot der Apotheke zu unterbreiten? Woher erhält der Kunde seine Informationen? Will er mehr in Erfahrung bringen und seine Kompetenzen erweitern oder möchte er sich mit Ihnen „vergleichen“ beziehungsweise „messen“, um ein mögliches „Beratungshonorar“ zu sparen? Möchte dieser Kunde die Beratung testen, um dann anschließend über Internet zu kaufen?
Die Antworten auf diese Fragen ergeben sich nur, wenn man sich mit diesem Kunden beschäftigt, ihm Fragen stellt, sich für ihn interessiert, anstatt zu überlegen, wie nun darauf geantwortet werden kann. Die mögliche Angespanntheit wird sich dann vielleicht unter Umständen auf den Kunden übertragen. Vielleicht wird er die Reaktion nicht einordnen können und der Gesprächspartnerin in der Apotheke mangelnde Kompetenz unterstellen.
Vorgehensweise
Es stellt sich die Frage, ob es ein Rezept gibt, um den immer besser informierten Kunden – oder denen, die glauben, informiert zu sein – zu begegnen. Ein Patentrezept gibt es nicht, aber einige Ansätze.
Fazit
In Zeiten der Veränderung, in denen die Kunden preisbewusster werden und mehr Vergleiche zwischen Apotheken ziehen, nimmt die Treue zu einer Apotheke eher ab als zu.
Das Ziel einer Apotheke sollte sein, sich auf die Kompetenzen zu konzentrieren, diese herauszuarbeiten und ihren Kunden darzustellen. Damit kann man auf lange Sicht eventuell auch den Verlusten zu Gunsten von Internet- oder Versandhandelsapotheken begegnen, denn die fundierte Beratung wird ein Kunde immer in der Apotheke erhalten.
Eine Zukunft liegt in der Prävention von Krankheiten und der Gesunderhaltung des eigenen Organismus, und das aus verschiedenen Gründen: Umdenken der Kunden, Kosten sparen durch Vorbeugen, gesund bleiben vor dem Hintergrund der Anti-Aging und Wellness-Welle beziehungsweise der Anspruch der heutigen Kunden an das „Altern“ und ein Gesundheits- statt Krankheitsdenken zu leben. Es wird immer wichtiger werden, die Fragen der Kunden aufzunehmen, gemeinsam nach Antworten zu suchen und damit den Kunden zu begleiten.
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