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Botschafter ihrer Zeit

23.08.2004  00:00 Uhr
Arzneiverpackungen

Botschafter ihrer Zeit

PZ  Sie versprachen Gesundheit, erholsamen Schlaf und Leistungskraft: Arzneiverpackungen warben schon vor mehr als 100 Jahren mit den Vorzügen ihres Inhalts. Der Sammler Carl-Ewald Löwen hat Hunderte von ihnen zusammengetragen und ihre pharmazeutischen Botschaften studiert. Ein verheerendes Beispiel für die mangelnde Sicherheit eines Arzneimittels ist die mehr als 40 Jahre zurückliegende Contergan-Katastrophe.

„Im Oktober 1957 kommt das Medikament Contergan in den Handel. Contergan forte, eine kleine Packung mit 30 Tabletten zu 3,90 DM versprach unter anderem werdenden Müttern eine ruhige und angenehme Nacht. Die Folge: Etwa 5000 schwer missgebildete Kinder werden in den nachfolgenden Jahren geboren,“ informiert der Bundesverband Contergangeschädigter auf seiner Internetseite.

Im Mai 1961 wird das Sedativum mit dem Wirkstoff Thalidomid wegen vermehrt eingehender Meldungen über Nebenwirkungen in Form von Nervenschäden unter Rezeptpflicht gestellt. Aber erst Ende 1961, als der Verdacht aufkommt, Contergan könne bei Einnahme in der Schwangerschaft zu Genmutationen führen, nimmt der Hersteller Grünenthal alle thalidomidhaltigen Präparate aus dem Handel. Kinder, deren Mütter das Beruhigungs- und Schlafmittel während der Schwangerschaft einnahmen, wurden mit Missbildungen an Armen und Beinen geboren, teilweise fehlten ganze Knochen, viele hatten Fehlbildungen an Ohren und inneren Organen.

Das Strafverfahren gegen die Stolberger Pharmafirma begann 1965, wurde 1970 jedoch ohne Urteil eingestellt. Erst etwa zwei Jahre später gründete das Unternehmen mit Unterstützung der Bundesrepublik Deutschland die Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder“, die bis heute eine monatliche Rente an die Betroffenen zahlt.

Als Folge des Contergan-Skandals forderte die Neuordnung zum Arzneimittelgesetz, dass zur Zulassung eines neuen Medikaments jede mögliche Nebenwirkung sowie jede Wechselwirkung mit anderen Präparaten erfasst wird.

Thalidomid, auf Grund des Skandals für Jahre vom Markt verschwunden, wird seit den 90iger-Jahren wieder zur Behandlung von Lepra eingesetzt. Untersucht wird auch die Wirkung der Substanz als Rheuma- und Antikrebsmittel.

Arsen, in den 20er-Jahren noch ein Kräftigungsmittel, das in Verbindung mit Malz und Eisen die Blutbildung unterstützen sollte, hat heute keine medizinische Bedeutung mehr. Viele verschiedene Präparate für gute Nerven und geistige und körperliche Höchstleistung enthielten Lecithin, Phosphorsäure, biochemische Nährsalze und Vitamine und suggerierten, Konzentrationsschwäche, Erschöpfungszustände und sogar Potenzprobleme schnell zu beheben. Okasa, Aphrodisiakum und Nerventonikum, war in den 30iger-Jahren weltbekannt für seine antidepressive und anregende Wirkung. Der reißerische Slogan „Wer verzagt, versagt – Okasa gibt Kraft und Erfolg“, spiegelte den Zeitgeist der frühen Jahre des Zweiten Weltkriegs. Ebenso Hammer und Amboss oder Symbole wie der damals noch spektakuläre Zeppelin, ein kraftvoller Zentaur oder auch das spitz aufragende „Recresal-Dreieck“: Starke Worte und ein starker Packungsauftritt versprachen Lebensfreude und Leistungskraft.

Weniger plakativ, zeugen die schlichten Angaben auf den homöopathischen Präparaten aus der Zeit von 1910 bis 1960 dennoch von der Macht der kleinen Kügelchen und Potenzen. Die Frage, warum diese Mittel überhaupt wirken, ist so alt wie die Homöopathie selber- über 200 Jahre. Dennoch ist und war sie für viele Kranke die beliebteste Alternative. Vor allem chronische Leiden, auf die die Schulmedizin keine Antwort weiß, werden mit dieser sanften Heilmethode versucht zu behandeln. Heute noch bekannte Firmen wie Madaus oder Willmar Schwabe standen schon früh im Dienst der Hahnemannschen Medizin.

Wundverbände, Brandbinden, Zug- und Furunkelpflaster gehörten seit jeher zum festen Repertoire einer Apotheke. Unter den vielen Herstellern von Pflastern und Verbänden kommt Paul Beiersdorf eine besondere Bedeutung zu. Die meisten alten Elastoplast, Leuko- und Hansaplast-Verpackungen tragen den Namenszug des Hamburger Apothekers, der bereits 1882 den Grundstein für die Firma Beiersdorf legte. Mit der Marke Leukoplast begann der Siegeszug des Unternehmens um die Welt. Das Produkt reizte durch den Zusatz von Zinkoxyd auf der Klebefläche erstmals nicht mehr die Haut und kam 1901 auf den Markt. Allerdings war Leukoplast nicht für offene Wunden geeignet, da es kein Blut aufnehmen konnte. Die revolutionäre Idee, das Pflaster mit Mullauflage zu versehen, war schließlich 1922 mit Hansaplast marktreif. Top

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