Staatsregierung will freien Heilberuf bewahren |
25.08.2003 00:00 Uhr |
Die bayerische Staatsregierung will die patientennahe Versorgung mit Arzneimitteln erhalten. Am Tag als sich Regierung und Opposition in Berlin über die Gesundheitsreform einigten, trafen sich in München Spitzen der Apothekerschaft mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Edmund Stoiber.
Im Vergleich zur Bundesregierung ist die bayerische Landesregierung weitaus intensiver um den Erhalt der öffentlichen Apotheken bemüht. Mehr als anderthalb Stunden nahm sich Stoiber Zeit, um mit ABDA-Präsident Hans-Günter Friese, dem Präsidenten der Bundesapothekerkammer Johannes M. Metzger, dem Vorsitzenden des Bayerischen Apothekerverbandes Gerhard Reichert sowie dem ehemaligen Präsident der Bayerischen Landesapothekerkammer Dr. Hermann Vogel über die Zukunft der Apotheken im Freistaat und der gesamten Bundesrepublik zu diskutieren. Ebenfalls anwesend waren Gesundheitsminister Eberhard Sinner und Sozialministerin Christa Stewens. In einem anschließenden Gespräch mit Stewens konnten Metzger, Reichert und Vogel die Thematik noch einmal vertiefen.
„Wir hatten ein sehr ausführliches und intensives Gespräch mit Ministerpräsident Stoiber. Er und seine beiden für Apotheken zuständigen Minister wollen sich mit aller Kraft dafür einsetzen, dass trotz der Veränderungen im Gesundheitsbereich die flächendeckende patientennahe Arzneimittelversorgung erhalten bleiben wird“, bilanzierte Metzger die beiden Gespräche. Stoiber habe betont, in seinen wesentlichen Zügen dürfe der freie Heilberuf Apotheker keinesfalls zerstört werden. Er verwies darauf, dass man in den Gesprächen mit der Bundesregierung dieses Ziel erfolgreich verfolgt habe.
In den Gesprächen zwischen bayerischer Landesregierung und Apothekerschaft ging es in erster Linie um drei Punkte der Gesundheitsreform: Versandhandel, Mehrbesitz und integrierte Versorgung. Dabei gab es einen weitgehenden Konsens der Beteiligten. Beim Versandhandel geht es Stewens vor allem um gleiche Wettbewerbsbedingungen für Präsenz- und Versandapotheken. „Es ist im Gesetz festgeschrieben, dass Versand-Apotheken genau dieselben Auflagen erfüllen müssen wie die Apotheken in der Fläche“, stellte sie bei einer Pressekonferenz im Anschluss an die Gespräche heraus.
Hausapotheke schlägt Versand
Unter fairen Rahmenbedingungen scheut BAK-Präsident Metzger den Wettbewerb mit Versendern nicht. Das Hausapothekenmodell der deutschen Apotheker sei dem Versandhandel in Schnelligkeit und Beratungsqualität überlegen. Wer telefonisch, per Fax oder Internet ein Arzneimittel in einer Apotheke bestellt, der erhalte dieses Medikament noch am selben Tag und bei Bedarf vom pharmazeutischen Personal überbracht. Der Vorteil liege dabei auf der Hand: „Unser Modell ist schneller und die Beratung wird nicht von der Arzneimittelabgabe getrennt.“
Beim Mehrbesitz teilt Stewens die Befürchtung der Apotheker, dass die aktuelle Liberalisierung letztlich zur Bildung großer Apothekenketten führen wird. Die Landesregierung werde alles daran setzen, dass dies die Existenz der mittelständischen freiberuflich geführten Apotheke nicht gefährde. Ein massives Apothekensterben würde gerade in einem Flächenland wie Bayern zu einer Unterversorgung in ländlichen Regionen führen, befürchtet Stewens. Angesichts der demographischen Entwicklung müsse dies unbedingt verhindert werden. Stewens: „Wir wollen die Apotheke im Dorf erhalten.“
Vor diesem Hintergrund sei es besonders erfreulich, dass in den Verhandlungen mit der Bundesregierung eine völlige Freigabe des Mehrbesitzes verhindert werden konnte. Die Beschränkung auf drei Filialen in Kombination mit der regionalen Begrenzung garantiere, dass der Apotheker weiterhin für seine Apotheken voll persönlich verantwortlich bleiben könne. Dies sei nach Meinung der Experten die Grenze, bis zu der ein einzelner Apotheker seinen heilberuflichen Verpflichtungen nachkommen könne.
Die ABDA teilt diese Position. Eine unbeschränkte Freigabe des Mehrbesitzes sei mit der pharmazeutischen Gesamtverantwortung des freien Heilberuflers nicht vereinbar. Es sei deshalb ein großer Erfolg, dass es die numerische und regionale Einschränkung gebe. So bleibe das Leitbild vom Apotheker in seiner Apotheke erhalten.
Massive Bedrohung
Einig waren sich Apotheker und CSU-Politiker in der Bewertung der integrierten Versorgung: „Sie stellt für Apotheker eine massive Bedrohung dar“, so BAK-Präsident Metzger. In der integrierten Versorgung können Krankenkassen mit Leistungserbringern selektive Verträge aushandeln. Dabei muss die Preisverordnung nicht berücksichtigt werden. „Das wird zu einem ruinösen Preiswettbewerb führen“, prognostiziert Reichert. Die Folge sei eine drastische Reduzierung der Apothekenzahl, da kleine Apotheken dem Wettbewerb mit großen nicht gewachsen seien.
Stewens will dieses Problem zügig angehen: „Wir wollen in anstehenden Verhandlungen den Passus, dass Apotheker in der integrierten Versorgung auch unterhalb der Preisverordnung anbieten können, noch einmal diskutieren und eventuell Verbesserungen erreichen.“ An der integrierten Versorgung dürfen sich nach dem Gesetz auch Versand-Apotheken beteiligen, die auf Grund ihrer Angebotsstruktur Wettbewerbsvorteile haben.
Aus der Sicht von Friese, Metzger, Reichert und Vogel ist dies dringend notwendig. Der Versorgungsauftrag der Apotheken, jedes Arzneimittel unabhängig von der Verdienstspanne abzugeben, werde durch die integrierte Versorgung in Frage gestellt. Metzger: „Versandapotheken können keinen Nachtdienst machen. Sie haben dadurch eine bessere Kostenstruktur und können bestimmte Arzneimittel deshalb günstiger anbieten als die Apotheken, die sich an der flächendeckenden Versorgung beteiligen.“ Um im Wettbewerb zu bestehen, müssten öffentliche Apotheken deshalb dann den Notdienst einstellen.
ABDA setzt auf Korrekturen
Metzger und Friese, aber auch den Mitarbeitern des Apothekerhauses steht bis zum Ende des Gesetzgebungsverfahrens noch erhebliche Arbeit bevor. In zahlreichen Gesprächen gilt es nun, auf die Feinjustierung des Gesetzes Einfluss zu nehmen. Vor allem bei der integrierten Versorgung sind aus Sicht der Apotheker Nachbesserungen dringend erforderlich. Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass der Rahmen für eventuelle Korrekturen gering ist. Dennoch bleibt Metzger entschlossen: „Wir werden bis zur letzten Minute kämpfen.“
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