Neues aus der Kopfschmerz-Forschung |
25.08.2003 00:00 Uhr |
Mittels moderner Gen-Chip-Analyse scheint nun der molekularbiologische Beweis dafür erbracht zu sein, warum Kombinationspräparate eine höhere Ansprechrate als Monopräparate aufweisen. Sie haben ein breiteres Wirkprofil.
Klinische Befunde weisen darauf hin, dass Kombinationsanalgetika verglichen mit Monopräparaten in der Schmerz- und Migränetherapie einen größeren Therapieerfolg erzielen. „So sprechen Dreiviertel der Patienten auf ein Mischanalgetikum an. Dagegen ist dies nur bei der Hälfte beziehungsweise Zweidrittel der Betroffenen mit einem Monopräparat der Fall“, berichtete Dr. Jan-Peter Jansen aus seiner Berliner Schwerpunktpraxis Schmerztherapie auf einer von Boehringer Ingelheim unterstützten Veranstaltung.
Darüber hinaus bestätigten klinische Studien, dass mit zwei Tabletten eines Kombinationsschmerzmittels der gleiche Therapieerfolg wie mit drei Tabletten eines Monoanalgetikums erzielt werden könne. „Dies ist vor allem in der Selbstmedikation ein entscheidender Vorteil“, erklärte Jansen. Auf der Grundlage wissenschaftlicher Studien hat die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) Evidenz-basierte Empfehlungen zur Selbstmedikation der Kopfschmerzen vom Spannungstyp und der Migräne erarbeitet (Kasten). Bei beiden Indikationen gilt die fixe Kombination von Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Coffein als Mittel der ersten Wahl.
Selbstbehandlung bei Kopfschmerzen vom Spannungstyp Medikament der ersten Wahl ist:
Medikamente der zweiten Wahl sind:
Kombi hat pleiotropes Wirkprofil
Die Arbeitsgruppe um Dr. Bernd L. Fiebig von der Freiburger Albert-Ludwigs-Universität scheint nun mittels modernster Technologie den molekularbiologischen Beweis für die höhere Ansprechrate zu liefern. „In unserer Forschung benutzten wir die so genannte Gen-Chip-Analyse“, erklärte Fiebig.
Dabei handelt es sich um ein briefmarkengroßes Minilabor, einen Gen-Chip, dessen Glas- oder Siliciumoberfläche eine Vielzahl von Proben (100 bis 30.000) bekannter Gen-Strukturen enthält. Zur Untersuchung der Schmerzregulation verwendeten die Wissenschaftler einen Neuro-Chip, der mit schmerzrelevanten Genen beschichtet war. Nach Zugabe der Testsubstanz konnten die Forscher anhand einer veränderten Leuchtintensität die Genregulation beobachten und messen. So bedeutet ein intensiveres Leuchten, dass die Genaktivität hoch reguliert, ein schwächeres Leuchten, dass die Aktivität gehemmt wird.
Fiebig testete sowohl die Dreierkombination aus Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Coffein (Thomapyrin®) als auch die jeweiligen Einzelsubstanzen. Er identifizierte im Rahmen dieser Versuche mehrere Gene, die durch die Zugabe der Kombination anders reguliert wurden als durch die jeweiligen Monosubstanzen. So auch die Tyrosinhydroxylase, deren Synthese durch die Dreierkombination stärker als durch die jeweiligen Einzelsubstanzen gehemmt wurde.
Die Tyrosinhydroxylase ist ein Schlüsselenzym bei der Dopaminsynthese. Mit ihrer Hilfe wird aus der Aminosäure Tyrosin L-Dopa, die Vorstufe des Dopamins, gebildet. Dopamin ist unter anderem auch an der Schmerzentstehung beteiligt. So werden Dopaminrezeptor-Antagonisten bereits zur Behandlung von Schmerzzuständen eingesetzt. Eine Hemmung der Tyrosinhydroxylase führt zu einer verringerten Dopaminsynthese und beeinflusst somit das Schmerzgeschehen.
„Unsere Untersuchungen zeigten, dass die fixe Kombination eine pleiotrope Wirkung besitzt“, fasste Fiebig zusammen. Dies bedeute, dass sie im Gegensatz zu den meisten Monopräparaten ihre therapeutische Wirkung auf verschiedenen Ebenen der Schmerzentstehung entfaltet. Zusätzlich zur Hemmung der Cyclooxygenase blockiert die Dreierkombination die Tyrosinhydroxylase. Das breitere Wirkprofil könnte die höhere Ansprechrate erklären.
Deutscher Kopfschmerztag Mehr als die Hälfte aller Deutschen leidet gelegentlich unter Kopfschmerzen. Bei leichten Beschwerden helfen sich Betroffene meist selbst mit einem rezeptfreien Schmerzmittel aus der Apotheke. Dagegen ist auch nichts einzuwenden, denn nicht bei jedem Kopfschmerz ist ein Arztbesuch notwendig. Die Selbstbehandlung setzt aber voraus, dass die Verbraucher über die Anwendung ausreichend informiert sind, so das Forum Schmerz im Deutschen Grünen Kreuz e. V. in Vorbereitung auf den vierten Deutschen Kopfschmerztag am 5. September.
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