Nicht die Melkkuh der Nation |
14.08.2000 00:00 Uhr |
In nur vier Jahren schaffte die BKK für Heilberufe einen Zuwachs von 1000 auf mittlerweile über 325.000 Mitglieder. Doch bei der offiziellen Eröffnung der "Zentrale neue Bundesländer" in Halle an der Saale wurde deutlich: Der Erfolg hat wenige Väter, aber umso mehr Neider.
Hansjörg Schulten, Vorstandsvorsitzender der BKK für Heilberufe, hat allen Grund zufrieden zu sein. Das Mitgliederwachstum seiner BKK ist weiter ungebremst. Und voller Stolz kann Schulten ankündigen, den fast konkurrenzlos niedrigen Beitragssatz von 11,9 Prozent zumindest bis ins nächste Jahr zu retten. Mit Blick auf die freie Kassenwahl hob Schulten hervor, dass der "Wettbewerb für die Chance steht zu gewinnen". Aber auch für die Gefahr, nicht Schritt halten zu können und zu unterliegen.
Bislang hat die BKK für Heilberufe gut Schritt halten können. Ein kleiner Gewinn trotz der enormen Zahlungen in den Risikostrukturausgleich (RSA) zeugt bei einem seit Gründung der Kasse gleichbleibenden Beitragssatz von der guten Positionierung. Grund hierfür sei unter anderem der geringe Aufwand für den Verwaltungsbereich mit knapp 2,8 Prozent der Einnahmen. Insbesondere große Kassen bringen es auf fünf bis sechs Prozent.
Die mitunter harsche Kritik und die "überzogenen Aufgeregtheiten der Ersatzkassen" rückte Schulten ins rechte Licht. Er sieht die "Wanderbewegungen überzeichnet dargestellt". Schließlich hätten von den rund 50 Millionen Mitgliedern der GKV gerade einmal vier Prozent bislang die Kasse gewechselt. Schulten: "Der Ruf der Versorgungskassen nach mehr Bestandsschutz zeigt, dass sie den eigentlichen Wert und Sinn des Wettbewerbs ignorieren." Es gehe nicht um den Schutz einer "nicht wettbewerbsfähigen Institution", sondern um das Recht der Mitglieder, sich einer Kasse ihrer Wahl anzuschließen.
Überdies forderte der BKK-Chef eine Höchstbegrenzung der Zahlungen in den RSA. Diese sollten maximal ein Drittel der Einnahmen ausmachen. Bisher betragen die Zahlungsverpflichtungen 50 Prozent. Der RSA solle auf "ein vernünftiges Maß zurückgefahren werden". Schulten würde den RSA auf einen Personenkreis im Alter von 60 Jahren und älter - der altersbedingt nicht mehr wechselwillig oder wechselfähig ist begrenzen.
Schulten vermutet im System noch einige Wirtschaftlichkeitsreserven. Hier habe die BKK aus den Fehlern anderer gelernt: "Vielleicht sind wir da ein gutes Beispiel."
Ausgesprochen scharf reagierte Wolfgang Schmeinck, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes der Betriebskrankenkassen, Essen, auf die Forderungen der Krankenhausgesellschaft, die nach dem BGH-Urteil zu erwartenden Defizite bei der Ein- und Zweibettzimmer-Belegung aus GKV-Töpfen gegen zu finanzieren. "Wir sind doch nicht die Melkkühe der Nation", ließ Schmeinck wissen. Schließlich gebe es immer ein Rationalisierungspotenzial. Und das betreffe Kassen wie Krankenhäuser.
Schmeinck sieht Systemfehler. So rufe der Erfolg der BKK für Heilberufe die Konkurrenz auf den Plan und den Neid anderer wegen des günstigen Beitragssatzes. Beispielhaft nannte der BKK-Verbandschef das "bös' gemeinte Schlagwort der virtuellen BKK", das sich auf das nicht existierende Geschäftsstellennetz beziehe. Tatsache sei aber, dass die BKK für Heilberufe lediglich aus den Fehlern anderer gelernt habe.
Insgesamt sei es voreilig, die Wanderungsprozesse der Versicherten bereits heute genau zu definieren. Schmeinck: "Für seriöse Bewertungen ist es noch zu früh."
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