Politik
Seit Ende letzten Jahres wird die Versorgung der Versicherten der Betriebskrankenkasse Volkswagen (VW BKK) mit nicht apothekenpflichtigen Diabetikerbedarf durch die niedersächsischen Apotheker qualitätsorientiert und kostengünstig sichergestellt. Bereits im Oktober 1996 wurde ein entsprechender Vertrag zwischen dem Landesapothekerverband Niedersachsen und der BKK mit aktiver Unterstützung der LAK Niedersachsen abgeschlossen.
Die Situation vor Vertragsabschluß: Der BKK-Bundesverband empfahl seinen Mitgliedskassen gemeinsam die Belieferung über Versandhändler zu organisieren. Die Betriebskrankenkasse betrieb eine Selbstabgabe der Hilfsmittel in ihren Geschätsstellen. Die örtlichen Apotheken partizipierten kaum am Diagnostikamarkt. Lediglich bei Bedienungsschwierigkeiten mit den Meßgeräten und zum Kauf von apothekenpflichtigen Medikamenten suchten Patienten eine Apotheke auf.
Beide Vertragspartner analysierten ihre Situation vor dem Hintergrund der sich rasant verändernden Situation im Gesundheitswesen. Diskussionsthemen wie Pharmaceutical und Managed Care wurden auf ihre praktische Umsetzung hin überprüft. In Gesprächen auf Verbandsebene wurden bald überlappende Interessen festgestellt. Um das Qualitäts- und Kostenmanagement zu optimieren und eine umfassende pharmazeutische Betreuung der Patienten neben der reinen Arzneimittelabgabe zu erreichen, wurde ein Vertrag über die Lieferung von Blutzuckermeßgeräten, Blutzuckerstreifen, Sensoren, Lanzetten, Lanzettiergeräten, Kanülen, Einmalspritzen und auch Beratungsleistungen vereinbart. Preise und Entgelte wurden in einer Anlage festgesetzt, die alle Softwarehäuser kurzfristig in den entsprechenden Warenbewirtschaftungsprogrammen integrierten.
Die individuelle Beratung findet in den Apotheken statt, die auch die Einweisung für Blutzuckermeßgeräte und andere abgegebene Produkte einschließt. Verordnungen von sogenannten No-name-Produkten sollen per Dauerrezept erfolgen und eine Gebrauchsanweisung, aus der sich der Verbrauch für ein Quartal ergibt, beinhalten. Durch die vereinbarten Preise entfällt eine individuelle Genehmigung durch die BKK. Daneben führen LAV und Betriebskrankenkasse gemeinsam öffentliche Veranstaltungen für Versicherte zum Thema Diabetes durch. Die VW BKK stellte die Selbstabgabe der Diabetikerartikel ein und informierte die Kassenärzte.
Auch die KV Niedersachsen beurteilte die neue Lösung positiv und instruierte ihre Mitglieder entsprechend. Zu einer Information an die Ärzte heißt es: "Ziel der Vereinbarung ist nicht nur eine Kostenreduktion, sondern auch die Möglichkeit, derartige Produkte mittelfristig aus der Budgetierung herauszunehmen. Der Vorstand der KV Niedersachsen hält diese Vorgehensweise für geeignet, das Arzneimittelbudget zu entlasten."
Zu Beginn des Projekts standen Schulungen der Apotheker. Im Januar nahmen fünfzig Apothekenleiter an einem zweitägigen Intensivseminar teil. Im Juni wurden weitere hundert Apotheker und PTAs in eintägigen Kursen der LAK in den Räumen der Betriebskrankenkassen auf das Projekt vorbereitet.
Positive Umsatzentwicklung Viele Ärzte schrieben auch weiterhin warennamengeschützte Produkte in kleinen Gebinden auf und schickten die Patienten zwecks Genehmigung zur Krankenkasse. Während sich aus den Daten des pharmazeutischen Großhandels eine deutliche Umsatzsteigerung, vor allem bei Teststreifen und Sensoren, ablesen läßt, beurteilen stichprobenartig befragte Kollegen den Erfolg des Projekts sehr unterschiedlich. Vor allem im Raum Braunschweig scheint die positive Entwicklung der VW-BKK-Standorte nicht zu greifen. Eine mögliche Erklärung dieses Sachverhalts ist die Verquickung einer dortigen diabetologischen Schwerpunktpraxis mit einem von der Gattin des Arztes betriebenen "Diabetesdepot". In einer anderen Schwerpunktpraxis soll Patienten regelmäßig empfohlen werden, die Rezepte an einen Versandhändler zu schicken.
Die Erprobung des apothekerlichen Leistungsangebots wurde nicht auf dessen ureigenem Gebiet - dem Arzneimittel - begonnen, sondern im Bereich der nichtapothekenpflichtigen Hilfsmittel. Dennoch sprechen Marktsituation und die Machtkonstellation im Gesundheitswesen für das Projekt. Viele Apotheker machten sich und ihre Mitarbeiter intensiv mit dem Thema Diabetikerversorgung vertraut. Der Umsatz mit nichtapothekenpflichtigen Diabetikerbedarf in Apotheken des Vertragsgebietes steigerte sich signifikant. Die Kooperation eröffnete teilnehmenden Apothekern die Möglichkeit einer umfassenden pharmazeutischen Betreuung einer großen Zielgruppe auf wirtschaftlich solidem Fundament.
PZ-Artikel von Gunter Nabel, Wolfsburg© 1997 GOVI-Verlag
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