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Bakterielles Versteckspiel in der Blase

07.07.2003  00:00 Uhr

Bakterielles Versteckspiel in der Blase

von Dagmar Knopf, Berlin

Infektionen des Urogenitaltrakts sind oft hartnäckig und schwer therapierbar. Warum eine drei- bis zehntägige Antibiotikabehandlung nicht immer erfolgreich ist, zeigen neue Forschungsergebnisse. Die Erreger kapseln sich im äußersten Blasengewebe ab und sind hier für Medikamente unerreichbar.

Manchmal reicht schon eine unüberlegte Rast auf einer kalten oder feuchten Parkbank, um das unangenehme Brennen beim Wasserlassen heraufzubeschwören. Ursache für die schmerzhafte Entzündung des Urogenitaltrakts sind in 70 bis 95 Prozent aller Fälle Bakterien – uropathologische Stämme von Escherichia coli.

Eigentliche sollte sich eine solche bakterielle Infektion mittels Antibiotika behandeln lassen. Doch Blasenentzündungen sind ungewohnt hartnäckig. Häufig kehren die Symptome nach mehreren Monaten wieder. Woran dies liegt, haben Wissenschaftler der Washington University School of Medicine nun entdeckt (Science, Band 301, Seite 105 bis 107).

Am Beginn einer Blasenentzündung heftet sich das Bakterium über das Oberflächenprotein Adhesin FimH an die äußersten Zellen der Base an. Sind die Krankheitskeime einmal die Endothelzellen eingedrungen, reagiert das Immunsystem mit lokalen Entzündungen und dem Zelltod der betroffenen Zellen. Schließlich blättern die Endothelzellen regelrecht ab und transportieren so die Keime in den Urin. Die abgestoßenen Zellen werden sofort ersetzt. Trotz massiver Zellabstoßung ist die Konzentration von Escherichia coli jedoch über mehrere Tage sehr hoch.

Eine nun einsetzende Antibiotikabehandlung trifft nicht immer alle Bakterien. Manche verstecken sich in den Endothelzellen und können hier bis zu mehrere Monate überdauern, ohne sich zu verraten, da sie keine Pathogene in den Urin abgeben.

Wie genau das bakterielle Versteck aussieht, hat das Team um Gregory Anderson an einem genetisch veränderten Mäusestamm aufgedeckt. Hierzu arbeiteten sie mit Mäusen, denen die Immunkomponente für den anfänglichen Angriff auf die Eindringlinge fehlt. Mit pathogenen Bakterien infiziert, lieferten die Blasen der Nager nach 24 Stunden ein ungewohntes Bild. Innerhalb der Endothelzellen hatten sich kleine Kugeln gebildet - ein Reservoir für Bakterien. Im Vergleich zu normalen Mäusen kamen bei diesen Tieren zehnmal so viele Kügelchen vor.

Im Gegensatz zur kräuseligen Oberfläche der Blase ist die Hülsenoberfläche bemerkenswert glatt. In ihrem Inneren sind die Bakterien in einer fibrösen Matrix eingebettet. Hierbei sind sie jedoch nicht an die Membran gebunden, sondern frei schwebend im Cytoplasma organisiert. So dicht die Bakterien auch im Hülseninneren gepackt sind, einen geringen Abstand zwischen sich wahren sie auch hier.

Strukturuntersuchungen zeigten, dass jedes Bakterium über Fasern in der Matrix verankert ist. Die Fasern bilden hierbei ein regelrechtes Gerüst; eine insgesamt als Biofilm bekannte Struktur. Nur wurden bisher noch nie Biofilme innerhalb von höheren Zellen - ein absolutes Novum. Dabei steht der Biofilm für besonders hartnäckige Infektionen: Sowohl antibiotikaresistente als auch der Immunabwehr entkommende Bakterien verstecken sich hier vor einem Medikamentenangriff hinter einer undurchlässigen Membran. Und so entkommen immer einige Keime gut geschützt dem Angriff, befreien sich manchmal erst nach Monaten aus dem sicheren Reservoir und rufen erneut Beschwerden hervor. Die Entdeckung des Bakterienverstecks könnten nun die Suche nach neuen Behandlungswegen in die entscheidende Richtung leiten. Top

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