Erreger lassen sich per Schnelltest bestimmen |
23.06.2003 00:00 Uhr |
Erkrankungen des Zahnfleisches wie Gingivitis und Parodontitis zählen zu den häufigsten Krankheiten überhaupt. Eine neue Diagnosemethode zur Identifikation und Quantifizierung von parodontalen Krankheitserregern stellte die Firma GABA International während des größten europäischen Parodontologie-Kongresses, der EuroPerio4, in Berlin vor.
Mehr als 80 Prozent der Europäer sind von einer Gingivitis betroffen. Bei Jugendlichen im Alter von 15 Jahren tritt sie schon zu 90 Prozent auf. Doch kaum jemand nimmt die Zahnfleischentzündung als Krankheit wahr. Dabei kann sie zur Parodontitis und letztlich sogar zum Zahnausfall führen.
Allein in Deutschland leiden etwa 11,5 Millionen Menschen an Parodontitis. „Zehn Prozent dieser Patienten haben eine besonders aggressive Form der Erkrankung“, sagte Dr. Michael Stelzel von der Phillipps-Universität Marburg. Ab einem Alter von 40 Jahren ist die Parodontitis der häufigste Grund für Zahnverlust.
Dabei beginnt die Gingivitis scheinbar harmlos. Auf dem Zahnschmelz der Zähne entsteht Plaque aus einer Ansiedlung von Mikroorganismen. Innerhalb weniger Tage wandelt sich die zunächst einheitliche Kolonisierung einiger weniger Bakterien zu einem hoch organisierten Biofilm. Es bilden sich Felder mit Mikrokolonien koexistierender Mikroorganismen, die in dem Ökosystem Plaque unterschiedliche Aufgaben erfüllen. Stabile Diffusionsgradienten, Nahrungsketten sowie ein dreidimensionales Netzwerk aus Exopolysacchariden enstehen. Solch ein Biofilm entwickelt Abwehrmechanismen gegenüber toxischen Substanzen wie Antibiotika, aber auch gegenüber anderen äußeren Einflüssen, wie etwa leichtem mechanischen Druck.
Die Mikroorganismen oder ihre Produkte können ihren Träger schädigen, indem sie eine Entzündung in der Gingiva auslösen. Eine vertiefte Furche (Sulcus), eventuell mit Bildung einer gingivalen Tasche, entsteht. Fibroblasten werden geschädigt und die Zahl der Entzündungszellen steigt an.
Ist das Stadium der Parodontitis erreicht, hat sich die Plaque massiv ausgedehnt. „Dies ist jedoch nicht bei allen Patienten zu beobachten“, sagte Stenzel. Charakteristisch ist die Bildung echter parodontaler Taschen. Zugleich sind große Bereiche entzündet, mit teils eitriger Exsudation.
Aggressive Form immer häufiger
Bei einer Parodontitis im Erwachsenenalter ist das Zahnfleisch gerötet und an einigen Stellen geschwollen, teils fehlt es auch zwischen den Zähnen. Das Gewebe blutet leicht, etwa beim Essen oder beim Zähneputzen. Die Zähne selbst sind gelockert und der knöcherne Unterbau ist zum Teil verloren gegangen. Vor allem junge Menschen im Alter zwischen 20 und 30 Jahren zeigen immer häufiger die aggressive Form der Parodontitis, die zu einem frühen Zahnverlust führen kann.
Mehr als 500 verschiedene Bakterienarten haben Wissenschaftler inzwischen in der menschlichen Mundhöhle entdeckt. Pathogen sind allerdings nur einige. Actinobacillus actinomycetemcomitans, Porphyromonas gingivalis und Tannerella forsythensis werden vor allem in den parodontalen Taschen der Menschen gefunden, die unter der aggressiven Form der Parodontitis leiden. Der Nachweis dieser und anderer pathogener Keime hat direkte Konsequenzen für die Therapie. Anhand der Plaque-Zusammensetzung lässt sich bestimmen, ob eine Indikation für Antibiotika vorliegt und welche Antibiotika den besten Therapieerfolg versprechen. Denn oftmals reicht bei Risiko-Patienten mit aggressiver Parodontitis die Reinigung der Taschen alleine nicht aus.
Klassisch erfolgt die Bestimmung von pathogenen Keimen über Kulturen. Doch hierfür müssen lebende Bakterien vorliegen. Dies ist immer noch eine Herausforderung für die Probenahme und den Transport sauerstoffempfindlicher anaerober Mikroorganismen wie dem gram-negativen Porphyromonas gingivalis. Neben dieser Fehlerquelle gibt es noch einen weiteren Nachteil: die gramnegativen Anaerobier wachsen nur langsam und der Zeitaufwand für die Kultivierung ist dementsprechend groß. Moderne molekularbiologische Methoden haben diese Nachteile nicht. Sie beruhen auf dem speziellen Nachweis der bakteriellen DNA über eine Polymerase-Kettenreaktion (PCR). Mit der neuen Real-Time PCR, dem meridol® Paro Diagnostik-Test, ist nun erstmals ein spezifischer und gleichzeitig quantitativer Nachweis von sechs verschiedenen Markerkeimen der Parodontitis und Periimplantitis möglich.
Sechs Keime als Marker
Die Keime Actinobacillus actinomycetemcomitans, Porphyromonas gingivalis, Tannerella forsythensis, Treponema denticola, Fusobacterium nucleatum ssp. und Prevotella intermedia gelten als aussagefähige Marker für pathologische Prozesse. Sind sie vorhanden, bedeutet dies ein erhöhtes Risiko für den Abbau des Stützgewebes, sowohl des Zahns als auch eines Implantats. Ihre Abwesenheit wird dagegen als mikrobiologisches Zeichen relativer Stabilität gewertet.
Bei einer PCR wird zunächst die DNA aus der Probe isoliert und die Doppelhelix über Erwärmung in ihre komplämentären Stränge aufgespalten. Mit Hilfe von thermostabilen Polymerasen können nun die artspezifischen Genfragmente der gesuchten Parodontitiserreger vervielfältigt werden. Dabei setzt ein kurzes DNA-Stück (Primer) an einer hoch spezifischen Region der DNA an und dient als jeweiliger Startpunkt für den Syntheseprozess. Durch erneutes Erhitzen werden die neu entstandenen Doppelhelixstränge wieder getrennt. Der Prozess kann wiederholt und die Zielsequenzen können so weiter vermehrt werden. Auf diese Weise reichen auch kleinste DNA-Mengen aus den Zahnfleischtaschen aus, um die Bakterien zu bestimmen.
Ergänzend zur konventionellen PCR wird bei der Real-Time PCR-Methode mit einer zusätzlichen Sonde gearbeitet. Es handelt sich hier um ein artspezifisches DNA-Fragment, das an die Zielsequenz des Krankheitserregers bindet. Während des Vervielfältigungsprozesses wird dieses Fragment abgespalten und zerstört. Dabei wird ein Fluoreszenzsignal freigesetzt, das durch automatische Laserdetektion gemessen und aufgezeichnet wird. Die Anzahl der Markerkeime kann so quantifiziert und auch die Gesamtkeimzahl der Bakterien in der Probe ermittelt werden.
Das Ergebnis einer solchen Laboruntersuchung ermöglicht es dem behandelnden Arzt, nicht nur infizierte Stellen oder periimplantäre Entzündungen zu identifizieren, sondern auch ihren Schweregrad einzuschätzen. Sind Antibiotika indiziert, spielen die nachgewiesenen Mikroorganismen eine entscheidende Rolle für die Wahl der Arzneimittel. Während etwa gramnegative Anaerobier, wie Porphyromonas gingivalis gut auf Metronidazol ansprechen, ist bei Actinobacillus actinomycetemcomitans die Kombination von Amoxicillin und Metronidazol angezeigt. Darüber hinaus kann der Behandlungserfolg überprüft und das Therapieende mit dem Test bestimmt werden.
In Deutschland wird der Test im Juli auf den Markt kommen, in anderen Ländern erst im nächsten Jahr, so die Firma GABA. Für die Einzelanalyse einer Poolprobe werden 65 Euro berechnet, eine differenzierte Analyse von vier Stellen kostet 165 Euro ohne Mehrwertsteuer. Der Test selbst dauert 24 Stunden. Jedoch sollte vom Einschicken der Probe bis zum Erhalt des Ergebnisses mit etwa einer Woche Wartezeit gerechnet werden.
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