Hase und Igel? |
04.06.2001 00:00 Uhr |
Wie in Grimms Märchen vom Hasen und dem Igel mutet es an, wenn man die rechtlichen Auseinandersetzungen um die niederländische Versandapotheke DocMorris verfolgt. Sind die Jungs wirklich so clever oder verhöhnen sie nur ihre Kontrahenten, die zur Gewährleistung einer Vollstreckung in einem anderen EU-Mitgliedstaat an Verfahren gebunden sind, die eine erfolgreiche Rechtsverfolgung schon fast unmöglich machen?
Rekapitulieren wir: Am 8. Juni 2000 startete eine in Gründung befindliche Aktiengesellschaft nach holländischem Recht unter Beteiligung einer Apotheke und ihres Leiters ein Internetangebot für deutsche Kunden zum Bezug apothekenpflichtiger Arzneimittel. Die dagegen vom DAV beantragte einstweilige Verfügung, über die aus Gründen internationalen Rechts mündlich verhandelt werden musste, erließ das Landgericht Frankfurt am Main am 9. November 2000. Eine weitere einstweilige Verfügung erging am selben Tag auf Antrag eines pharmazeutischen Unternehmens gegen die beteiligte Apotheke. Aus der Spuk? Keineswegs!
DocMorris berief sich auf eine unklare Rechtslage. Denn das Landgericht Berlin hatte eine einstweilige Verfügung abgewiesen, die ein dort angesiedelter Wettbewerbsverein beantragt hatte. Auch andere Ablehnungen einstweiliger Verfügungen, die aus formalen Gründen in Stuttgart und Hamburg ergingen, instrumentalisierte DocMorris für seinen Standpunkt.
Insbesondere wurde behauptet, die auf der Internetseite für Kunden neu eingerichtete Möglichkeit selbst einen Abholer für die bestellten Arzneimittel zu beauftragen, führe nunmehr zur Rechtmäßigkeit. Dabei hatte sich rechtlich nichts geändert, denn laut der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die dem Landgericht Frankfurt vorlagen, erfolgte der Arzneimittelversand bereits zuvor namens und im Auftrag des Kunden. Die Apotheke verschwand aus dem Internetauftritt.
Gestützt auf die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt führte der DAV Testkäufe durch und beantragte zum Jahreswechsel die Verhängung eines Ordnungsgeldes. Auch hierüber muss aus Gründen internationalen Rechts mündlich verhandelt werden. Weil gegen die zuständige Kammer des Landgerichts ein Befangenheitsantrag von DocMorris gestellt wurde, und gegen dessen Ablehnung Beschwerde zum Oberlandesgericht eingelegt wurde, wurde die Verhandlung über den Bestrafungsantrag bisher nicht terminiert.
Mit den rechtskräftigen Entscheidungen des Kammergerichts Berlin und des Oberlandesgerichts Frankfurt aus der vergangenen Woche sowie einer weiteren von einem pharmazeutischen Unternehmen im April erwirkten Entscheidung, steht nunmehr fest, dass das auf deutsche Endverbraucher ausgerichtete Versandhandelsangebot von DocMorris im Internet bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren eingestellt werden muss. Dennoch scheinen die Niederländer keine Neigung zu verspüren, den Entscheidungen nachzukommen. Vielmehr teilen sie ihren Kunden in so genannten Infomails bereits mit, durch Modifikationen ihres Internetauftritts und hinsichtlich der kostenlosen Servicerufnummer ihre Lieferbereitschaft aufrechterhalten zu wollen.
Dabei verhöhnen sie geradezu die Gerichte, indem sie fälschlich behaupten, der von ihnen betriebene kommerzielle Versandhandel mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln gegenüber Endverbrauchern, könne durch kosmetische Maßnahmen legal gestaltet werden. Richtig ist vielmehr, dass die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt in vollem Umfang bestätigt wurde und DocMorris untersagt, apothekenpflichtige Arzneimittel im Wege des Versandhandels an Endverbraucher in Deutschland abzugeben, solange diese Arzneimittel mittels eines an deutsche Endverbraucher ausgerichteten Internetangebots feilgeboten werden.
Nach fast einem Jahr haben wir damit im wettbewerbsrechtlichen Verfahren noch immer nicht erreicht, was bei Antragsgegnern mit Sitz in Deutschland innerhalb weniger Tage gewährleistet wäre: ein Ende der Angebote von DocMorris.
Anders als der Hase im Märchen der Gebrüder Grimm wird der DAV langen Atem beweisen. Es wird sich zeigen, wer am Ende zweiter Sieger bleibt. Kunden von DocMorris kann ich in Anbetracht der fehlenden Rechtstreue des Unternehmens und der Schwierigkeiten der Rechtsverfolgung nur raten, Bestellungen bei diesem Anbieter genau zu überlegen. Während sie in deutschen Apotheken kontrollierte Arzneimittelqualität und umfängliche Haftung garantiert erhalten, bauen sie bei DocMorris auf Lippenbekenntnisse und unkalkulierbare Risiken.
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