Ist ein Impfstoff gegen Hepatitis C in Sicht? |
18.05.1998 00:00 Uhr |
Medizin
Während zehn Prozent der Patienten mit akuter Hepatitis B eine chronische Gelbsucht entwickeln, sind es bei Hepatitis C 80 bis 85 Prozent. Die HC-Viren weichen dem Immunsystem geschickt aus, daher ist auch noch kein Impfstoff in greifbarer Nähe. Dr. Bernhard Knapp von Chiron Behring, Marburg, erläuterte auf einer Veranstaltung der Firma in Berlin den Stand der Dinge.
HCV ist ein RNA-Virus und gehört zur Gruppe der Flaviviren (HB-Viren sind Calciviridae). Es gibt sechs Haupt-Genotypen (HCV 1-6) und über 50 Subtypen. In Europa und Japan ist der Subtyp 1b am weitesten verbreitet, in den USA Subtyp 1a. Die Variabilität des Genoms sei "enorm hoch", sagte Knapp. Wird ein Patient mit einem Subtyp infiziert, verändert das Virus innerhalb weniger Tage seine RNA-Struktur, es bildet "Quasispecies". Nicht jeder Genabschnitt aber ist gleich variabel. Relativ stabil bleibt der Abschnitt, der für das Capsid-Protein codiert. Am wandlungsfähigsten sind ausgerechnet Gensequenzen, die für die Hüllproteine E1 und E2 codieren, Proteine, gegen die das Immunsystem neutralisierende Antikörper bildet.
Das Virus ist außerdem in der Lage, virale Antigene mit Lipiden zu koppeln und sie so zu maskieren. Schließlich hängt die schwache Abwehr auch mit dem vergleichsweise geringen antigenen Stimulus zusammen: während bei HBV-Infektionen über 108 Viruspartikel pro ml Blut nachgewiesen werden, liegt der Titer bei HCV nur zwischen 103 und 105 Partikeln.
Um das Abwehrsystem zu stärken, gibt es verschienene Ansätze: Antikörper gegen das Hüllprotein E2 und rekombinante E1/E2-Heterodimere verhindern in Schimpansen eine homologe Infektion, also eine Infektion mit dem Subtyp, von dem die Proteine stammen. Auf dem Hüllprotein E2 suchte und fand man neue Epitope, die nicht so starken Mutationen unterlagen. Gepoolte Plasmaproben verschiedener HCV-Patienten neutralisieren auch unterschiedliche HCV-Stämme. Der Schutz ist allerdings schwächer als mit homologen Proben. In-vitro-Versuchen zufolge müßte es aber auch einzelne Epitope geben, die kreuzreagieren.
Die humorale Immunabwehr kann durch die zelluläre unterstützt werden: Patienten, die eine akute Hepatitis C erfolgreich abwehrten, reichern CD4+-T-Zellen an, die gegen das Capsid und gegen das Protein "NS3" (unter anderem Protease- und Helicase-Funktionen) gerichtet sind. In infizierten Schimpansen wurden zytotoxische Zellen gefunden, die auf weitere Epitope reagieren. Auch DNA-Vakzine, so Knapp, induzierten die zelluläre Immunantwort. Effektivitätsstudien an Schimpansen gibt es aber bisher nur mit verschiedenen Varianten rekombinanter Proteine oder mit Seren zur passiven Immunisierung. Erfolgreich sind sie hauptsächlich gegen homologe Belastungsinfektionen.
Parallel zu den Tierversuchen, in denen die effektivsten Antigen-Komponenten herausgefiltert werden sollen, läuft seit Ende letzten Jahres eine klinische Phase-I-Studie mit 48 Probanden. Getestet werden rekombinante Hüllproteine (vor allem E2-Antigene) auf Verträglichkeit und Immunogenität. Näheres zur Antigenstruktur oder zum Adjuvans MF 59, einer wäßrig-öligen Lösung, gibt die Firma nicht bekannt. Die Ergebnisse werden Mitte des Jahres 1999 vorliegen.
Ob es einen Impfstoff geben wird, der gegen alle Virusstämme schützt, sei fraglich, sagte Knapp. Man konzentriere sich derzeit auf eine Kombination gegen die Serotypen 1a und 1b, die Subtypen also, die in den Industrieländern am häufigsten vorkommen.
PZ-Artikel von Stephanie Czajka, Berlin
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