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BPH: Pathogenese und Arzneistoffe

12.05.1997  00:00 Uhr

-Medizin

  Govi-Verlag

BPH: Pathogenese und Arzneistoffe

  In den letzten Jahren ist Bewegung in die Therapie der benignen Prostatahyperplasie (BPH) gekommen: Ein 5alpha-Reduktasehemmer und mehrere alpha-Rezeptorenblocker erweitern das Therapiespektrum zwischen Phytotherapie und Operation. Doch trotz intensiver Forschung ist die Pathogenese noch nicht völlig verstanden.

Die kleine Drüse unterhalb der männlichen Blase wächst bei (fast) jedem Mann zweimal: Während der Adoleszenz vergrößert sich das Organ vom Geburtsgewicht von etwa 2g auf rund 20g. Die pathologische Wachstumsphase beginnt etwa mit dem 60. Lebensjahr. Mikroskopisch lassen sich bereits bei der Hälfte der 50jährigen Veränderungen im Gewebe feststellen. Das Bindegewebe (Stroma) proliferiert massiv, aber auch die epithelialen Anteile nehmen zu.

Die Ursachen sind noch immer nicht klar. Fest steht, daß Androgene sowohl für die embryonale Entwicklung als auch für den Größen- und Funktionserhalt der "erwachsenen" Prostata erforderlich sind und daß die BPH-Entwicklung mit dem Alter assoziiert ist. Dihydrotestosteron (DHT), das durch das Enzym 5alpha-Reduktase aus Testosteron gebildet wird, gilt als Androgen der Prostata. Doch die DHT-Hypothese, wonach ein Übermaß an DHT die Proliferation auslöst, ist heute so nicht mehr haltbar. Dies erklärte Professor Dr. Ulf Tunn von den Städtischen Kliniken, Offenbach bei einem Symposium der Synthelabo Arzneimittel GmbH, Puchheim, in Bad Reichenhall. Denn auch Estrogene und Wachstumsfaktoren greifen in die Pathogenese ein.

Nach neueren Untersuchungen liegen nicht im Bindegewebe der vergrößerten Prostata die höchsten 5alpha-Reduktase- und damit DHT-Spiegel vor, sondern im Epithel der jungen, normalen Prostata. Die Aktivität, der 5alpha-Reduktase und damit die DHT-Spiegel nehmen im Prostataepithel im Alter kontinuierlich ab, während sie im Bindegewebe relativ konstant bleiben. Die pathobiochemische Bedeutung dieser Befunde ist ebenso unklar wie die altersabhängige Abnahme der Androgenrezeptor-Dichte im Epithel der Prostata.

Auch Estrogene werden im hyperplasierten Gewebe angereichert. Die Akkumulation von Estradiol und Estron im Bindegewebe ist umso höher, je älter die Prostata ist. Im Epithel finden sich altersunabhängig hohe Estrogenspiegel. Durch die DHT-Abnahme im Epithel und die Estrogenzunahme im Stroma steigt im Alter der Estrogen-Androgen-Quotient in der Prostata. Dies könnte ein ursächlicher Faktor in der BPH-Genese sein.

Wann welche Medikamente?

Finasterid hemmt die 5alpha-Reduktase und damit die DHT-Bildung. Das Azasteroid scheint vor allem die Aktivität der epithelialen Reduktase zu hemmen; damit könnte die erzielte Reduktion des Prostatavolumens auf einer Regression des Epithels beruhen. Finasterid beeinflußt die statische Komponente der BPH, die durch Einengung der Harnröhre entsteht. Langzeitbeobachtungen zeigen, daß der positive Effekt auf Symptomenscore, Harnfluß und Prostatavolumen über vier bis fünf Jahre anhält, sofern die Patienten initial auf die Therapie ansprechen (etwa die Hälfte).

An der dynamischen Komponente der BPH setzen die alpha1-Rezeptorenblocker an. Darunter versteht man einen erhöhten Tonus der glatten Muskulatur an Blasenboden und Prostata, der vor allem die irritativen Symptome auslöst. Je mehr Bindegewebe bei der Hyperplasie entsteht, um so mehr tritt die dynamische Komponente in den Vordergrund, erläuterte Tunn.

Derzeit sind fünf Wirkstoffe zugelassen, deren Wirkung auf Symptomenscore und Harnfluß etwa gleich ist, zeigte Professor Dr. Kurt Dreikorn, Bremen. Neuere Wirkstoffe wie Alfuzosin, die relativ selektiv die alpha1-Rezeptoren hemmen, beeinflussen den Blutdruck weniger als ältere Stoffe wie Doxazosin oder Prazosin, die auch zur Hochdrucktherapie zugelassen sind. Eine Blutdrucksenkung durch Vasodilatation kann jedoch grundsätzlich bei allen Stoffen auftreten. Tamsulosin greift selektiv am Rezeptorsubtyp alpha1A an, der überwiegend in der Prostata vorkommt und soll daher keine Blutdruckwirkung auslösen.

Liegt keine absolute Operationsindikation vor, empfiehlt Dreikorn bei gering ausgeprägten Symptomen "watchful waiting", eventuell kombiniert mit Phytotherapeutika; bei stärkeren bis starken Beschwerden sollten alpha1-Rezeptorenblocker eingenommen werden; sind diese ineffektiv und liegt das Prostatagewicht über 50g sei eine Therapie mit Finasterid angezeigt. Bei Nicht-Ansprechen sollte operiert werden.

PZ-Artikel von Brigitte Gensthaler, Bad Reichenhall
       

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