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Der Femtosekundenlaser als Molekülschere

17.04.2000  00:00 Uhr

-PharmazieGovi-VerlagPHILIP-MORRIS-PREIS

Der Femtosekundenlaser
als Molekülschere

von Brigitte M. Gensthaler, München

Die gezielte Synthese hochreiner Arzneistoffe in großer Ausbeute und ohne störende Nebenprodukte: Der Wunsch der Pharmaforscher könnte dank des "lernfähigen" Femtosekunden-Lasers bald Wirklichkeit werden. Für diese Entdeckung erhalten Professor Dr. Gustav Gerber und sein Team den Philip-Morris-Forschungspreis 2000.

Heute steuern Bedingungen wie Temperatur, Druck, Mengenverhältnis der Komponenten oder pH-Wert chemische Reaktionen auf makroskopischer Ebene. Mit der neuen Methode können Bindungen zwischen Atomen gezielt geschnitten werden. Die vom Femtosekunden-Laser erzeugten ultra kurzen Lichtblitze dauern gerade so lange, wie das Lösen und Knüpfen von chemischen Bindungen. Eine Femtosekunde entspricht 10-15 Sekunden. "Jetzt ist erstmals der Eingriff auf molekularer Ebene möglich, und zwar ohne dass wir Details der chemischen Reaktion kennen", sagte Gerber. Bei einer Pressekonferenz der Philip-Morris-Stiftung in München stellten er und drei weitere Preisträger ihre Forschungsarbeiten vor.

Die Bindungen zwischen Atomen haben eine definierte Stärke und Energie. Welche Energie die Laserstrahlen haben müssen, um eine bestimmte Bindung zu knacken, muss experimentell ermittelt werden. Dazu wird das breite Spektrum des Laserstrahls zerlegt und moduliert. Die „geformten„ Lichtblitze werden auf die Moleküle geschossen. Ein Massenspektrometer erfasst die Reaktionsprodukte und leitet die Daten einem Computer zu, der die Messung analysiert und den Laserpuls selbständig optimiert. Der selbstlernende Computeralgorithmus ist der biologischen Evolution nachempfunden, so Gerber. Bei jedem Reaktionszyklus kommt man dem maßgeschneiderten Laserpuls näher.

Die Physiker Gerber, Professor Dr. Thomas Baumert, Kassel, und Dr. Volker Seyfried, Traunreut, haben ihre Methode an einem Molekülstrahl aus Cyclopentadienyl-Eisendicarbonyl-Chlorid bewiesen. Durch eine Folge passgenauer Laserpulse mit einer Wellenlänge von 800 nm konnten die Forscher den Zerfall des komplexen Moleküls und das Mengenverhältnis zweier Bruchstücke exakt steuern.

Gerber sieht einen vielfältigen Einsatz seiner Methode, die er als mikroskopisch selektive Steuerung chemischer Reaktionen beschreibt. Man könne die Ausbeute von Reaktionsprodukten optimieren, Reaktionswege vereinfachen und Zugang zu neuen Molekülen finden. Derzeit arbeitet er daran, Enantiomeren-reine Produkte zu erzeugen. Ob selektive Schnitte in der DNA möglich sind, müsse erst noch gezeigt werden. Die neuen, sich selbst optimierenden Femtosekunden-Laserpulse könnten aber auch bei Laser-induzierten Prozessen in Physik, Biologie, Medizin, Materialwissenschaften und Technik eingesetzt werden.

Ein Strahl aus Materiewellen

Mit einem Laser der ganz neuen Art arbeitet Professor Dr. Theodor W. Hänsch aus München, der bereits zum zweiten Mal mit dem Philip-Morris-Preis ausgezeichnet wird. Gemeinsam mit den Physikern Privatdozent Dr. Tilman Esslinger und Immanuel Bloch ist es ihm weltweit erstmals gelungen, einen Atomlaser zu konstruieren, der nicht Licht aussendet, sondern einen zusammenhängenden Strahl von Rubidium-Atomen. Der Strahl ist bis zu 2 mm lang und konnte über 15 ms aufrecht erhalten werden. Jedes Atom befindet sich gleichzeitig überall im Strahl und wird im Sinne der Quantenmechanik bis zu mehreren Millimetern groß.

"Die Atome nehmen die Eigenschaften einer Welle an", sagte Hänsch. Atomwellen ließen sich fast wie Laserstrahlen steuern. Die Anwendungen könne man „derzeit nur erahnen„: Der Atomlaser biete ein atomares Werkzeug für Nanostrukturen, könnte elektronische Schaltungen verkleinern, als Laserquelle für die Atomoptik fungieren und das Studium einer neuen Form der Materie ermöglichen. Top

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