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Initiative will Therapiefehler beseitigen

17.04.2000  00:00 Uhr

-MedizinGovi-VerlagBRUSTKREBS

Initiative will Therapiefehler beseitigen

von Ulrike Wagner, Neu Isenburg

"In Zukunft sollen in Deutschland 5000 Frauen pro Jahr weniger an Brustkrebs sterben", sagte Professor Dr. Kreienberg von der Universitätsfrauenklinik Ulm. Das Ziel hat sich die Gravenbruch-Initiative auf die Fahnen geschrieben. Während eines jährlich stattfindenden Workshops erarbeiten die daran beteiligten Experten Leitlinien, um die adjuvante Therapie des Mammakarzinoms zu verbessern. Das ist in Deutschland dringend nötig, denn hier sterben immer noch mehr Frauen an Brustkrebs als zum Beispiel in Frankreich, Kanada und Japan.

Dass einiges bei der Brustkrebstherapie im Argen liegt, bestätigte auch eine Umfrage bei deutschen Onkologen, die Privatdozent Dr. Michael Untch vorstellte. So wandten 25 Prozent der befragten Ärzte ein Therapieschema an, das nach heutigem Wissen nicht effektiv ist. Andere behandelten die Frauen mit einer für ihren Tumor zu aggressiven Chemotherapie, die den Patientinnen keinen Vorteil bringt. Einige Ärzte setzten zum Beispiel bei Frauen mit fortgeschrittenem Mammakarzinom das CMF-Schema (Cyclophosphamid, Methotrexat, 5-Fluoruracil) ein, obwohl inzwischen bekannt ist, dass die Therapie in späten Stadien der Erkrankung nicht wirkt.

Die Ergebnisse der Studie beschreiben lediglich die Spitze des Eisbergs. Denn nur etwa 350 der mehr als Tausend befragten Ärzte und Kliniken haben die Fragebögen zurückgesandt, das entspricht etwa 30 Prozent. Laut Untch eine sehr gute Rücklaufquote, allerdings räumte auch er eine "Positivselektion" ein. Sicherlich habe der motiviertere Teil der Ärzte geantwortet, die sich wahrscheinlich auch häufiger mit Therapieleitlinien und aktuellen Studien beschäftigen. Würde man die Behandlungsstrategien der anderen Ärzte untersuchen, sähe das Ergebnis vermutlich noch schlechter aus.

Woran orientieren sich die Mediziner? Auch hier lieferte die Umfrage eine Antwort. Über 90 Prozent richteten sich nach den europaweit publizierten Leitlinien der Konsensus-Konferenz in St. Gallen, die alle drei Jahre stattfindet. Um jedoch neuartige Therapiekonzepte in die Praxis einzuführen, sind diese Leitlinien weniger geeignet, sagte Kreienberg. Sie beruhen auf Studien, die teilweise schon vor zehn Jahren begonnen wurden. Deshalb hat die Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) und die German Adjuvant Breast Cancer Group (GABG) die Gravenbruch-Initiative ins Leben gerufen, die neue Ergebnisse klinischer Studien in ihre Leitlinien einarbeitet.

Leitlinien reichen nicht aus

Dass es mit Konsensus-Konferenzen nicht getan ist, gab auch Kreienberg zu: "Leitlinien alleine reichen nicht, wir brauchen Kontrolle." Und gerade das sei in Deutschland ein heißes Eisen. Er plädierte trotzdem für die Zertifizierung von Kliniken. Denn in der Umfrage hatte sich auch gezeigt, dass Praxen und Kliniken sich unterschiedlich gut an die Leitlinien halten. Wo wenige Patienten behandelt werden, wich die Therapie am deutlichsten vom derzeit gültigen Standard ab, berichtete Untch.

Kreienberg rief Patientinnen mit Mammakarzinom dazu auf, sich an Studien zu beteiligen. Um optimale Therapieregime zu entwickeln, brauche man dringend Studien mit vielen Patientinnen. In Deutschland herrsche aber noch immer die weit verbreitete Meinung, dass Studienteilnehmer Versuchskaninchen seien. Im Gegensatz dazu würden Patienten in Amerika zum Beispiel ihren Arzt gezielt danach fragen, in welche Studie er sie integrieren wolle, sagte Professor Dr. Werner Lichtenegger von der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Charité Berlin.

Optimale Therapie in Studien

Die Patienten wüssten dort, dass es für sie auf keinen Fall einen Nachteil bedeutet, in eine Studie aufgenommen zu werden. Denn Studienteilnehmer erhalten eine Therapie nach internationalem Standard oder eine Therapie, von der die Ärzte glauben, dass sie dem Standard überlegen ist. Zudem würden sie in den Studien besser versorgt und betreut. Außerdem gebe es auch in Deutschland inzwischen eine Qualitätskontrolle innerhalb der Studien. Ethikkommissionen überwachen die Untersuchungen, und Experten überprüfen während der Studie die Daten, versicherte Kreienberg. Über klinische Studien zum Mammakarzinom gibt zum Beispiel die Deutsche Krebsgesellschaft Auskunft. 

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