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Kompromiss mit Fußangel

09.04.2001  00:00 Uhr

FESTBETRÄGE

Kompromiss mit Fußangel

von Rainer Vollmer, Berlin

Das Bundesgesundheitsministerium hat schnell gearbeitet: Es legte nur wenige Tage nach der Einigung zwischen Pharma- und Kassenverbänden den Entwurf eines Gesetzes über die Festsetzung von Festbeträgen für Arzneimittel vor.

Der Inhalt des Gesetzentwurfs gibt den Kompromiss wieder: Danach wird das Ministerium ermächtigt, bis Ende 2003 einmalig durch Rechtsverordnung Festbeträge abzusenken und in Ausnahmefällen neue Gruppen festzusetzen. Wenn sich Bundestag und Bundesrat mit der Beratung beeilen, könnte das Gesetz noch vor der Sommerpause in Kraft treten.

Nach dem Gesetzentwurf legt das Ministerium durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, aber im Einvernehmen mit dem Bundeswirtschaftsministerium, einmalig Festbeträge fest. Sie sollen höchstens um 27,5 Prozent abgesenkt werden und 650 Millionen DM Einsparungen bringen. Mindestens ein Drittel aller Verordnungen und mindestens ein Viertel aller am Markt befindlichen Packungen einer Gruppe müssen zum Festbetrag verfügbar sein. Neue Gruppen von Arzneimitteln dürfen Therapiemöglichkeiten nicht einschränken. Es ist sicherzustellen, dass medizinisch notwendige Verordnungsalternativen zur Verfügung stehen.

Für patentgeschützte Arzneimittel, die nach 1995 zugelassen wurden, werden keine Festbeträge gebildet. Ebenfalls ausgenommen sind Arzneimittel mit patentgeschützten Wirkstoffen, deren Wirkungsweise neuartig ist und die eine therapeutische Verbesserung, auch wegen geringerer Nebenwirkung, bedeuten. Kassen-, Pharma- und Apothekerverbände werden durch das neue Gesetz verpflichtet, dem Gesundheitsministerium die erforderlichen Daten zu übermitteln und auf Verlangen notwendige Auskünfte zu erteilen.

Schließlich müssen die Kassenverbände Übersichten über sämtliche Festbeträge und die betroffenen Arzneimittel an das Deutsche Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) übermitteln. Dieses veröffentlicht die Daten im Internet. Sie sind vierteljährlich zu aktualisieren.

Eine bedeutungsvolle nicht abgestimmte Vorschrift enthält der Gesetzentwurf dennoch: Für Klagen ist nur noch das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen zuständig. Damit sollen Zivilklagen von einzelnen Pharmaunternehmen verhindert werden.

 

Kritik der Kassen Bei den Krankenkassen stößt der Entwurf zum Festbetragsanpassungsgesetz auf wenig Sympathie. Statt der besprochenen "kleinen Übergangslösung" habe das Ministerium faktisch ein "Festbetrags-Abschaffungsgesetz" beschlossen, schreibt der Bundesverband der Betriebskrankenkassen in einem Brief an das Ministerium. Von den ursprünglichen Zielen sei dieser Entwurf weit entfernt.

Die Kassen kritisieren unter anderem die Absicht des Ministeriums, zukünftig selbst in Festbetragsgruppen bilden zu dürfen. Das Ministerium sei nicht in der Lage sachgerechte Entscheidungen vorzunehmen, so die Einschätzung des BKK-Bundesverbandes. Außerdem werde den Beteiligten das Recht auf Anhörung verwehrt.PZ

 

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