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Durch den kleinen Korridor kommt ein großer Koffer Kuscheltiere

12.04.1999  00:00 Uhr

-PolitikGovi-Verlag

HUMANITÄRE HILFE IM KOSOVO

Durch den kleinen Korridor kommt ein großer Koffer Kuscheltiere

von Thomas Bellartz, Skopje/Mazedonien

Scharf bremst der Airbus mit dem klangvollen Namen Otto Lilienthal ab. Die Landebahn ist kurz, aber ausreichend für den erfahrenen Piloten. Das Ziel: Skopje, Hauptstadt von Mazedonien. Die Aufgabe: 16 Tonnen Hilfsgüter und Helfer absetzen. Wenige Kilometer vom Krieg im Kosovo entfernt; wenige Kilometer entfernt von den Flüchtlingslagern, die mehr als 100.000 vertriebenen Kosovaren Schutz bieten.

Freitag, 6.00 Uhr: Die kleine Abflughalle versprüht den spröden Charme der 60er Jahre. Auf den Stühlen räkeln sich sichtlich übermüdete Gestalten. Zivilisten und - das Gros - Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diverser Hilfswerke. Malteser und Rotkreuzler neben Johannitern und Helfern des Arbeiter-Samariter-Bundes. Halle und Counter gehören zum Gelände der Flugbereitschaft des Bundesministeriums für Verteidigung im Kölner Vorort Wahn. Das Areal schließt sich dem Köln-Bonner Flughafen direkt an.

Für die meist jungen Soldaten hinter den Schaltern beginnt ein Tag wie jeder andere. Und doch zählt der Zielflughafen der ersten Maschine an diesem kalten Aprilmorgen zu den eher selten angeflogenen Destinationen. Skopje gelangte durch die jüngsten Flüchtlingsströme aus dem Kosovo in den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit.

Flug Nummer 98A5141 ist einer von derzeit rund zehn täglichen Hilfsflügen, die die Flugbereitschaft im Auftrag von Bund und Nato nach Skopje und Tirana/Albanien unternimmt.

Der Airbus A310 "Otto Lilienthal" wurde unlängst in Dresden umgerüstet. Früher als reines Passagierflugzeug in Diensten der Lufthansa ist der Airbus prädestiniert für Einsätze wie sie die humanitären Aufgaben im Balkan erforderlich machen. Neben tonnenschweren Gütern finden rund 50 Passagiere im hinteren Teil des 13 Jahre alten Fliegers komfortabel Platz.

Otto Lilienthal hätte seine wahre Freude gehabt. Der deutsche Flugpionier eröffnete den Menschen schließlich die Pforte vom Traum zur Realität Fliegen.

Einige Helfer sind bereits zum dritten Mal auf diesen Flug gebucht. Schlechtes Wetter und die Enge im schmalen Luftkorridor über Albanien und Mazedonien machten die ersten drei "Versuche" zunichte. Diesmal läuft alles optimal. Oberstleutnant Jürgen Reimann, der Flugkapitän, bringt die Maschine sicher in die Luft. Der Flug ist keineswegs einfach. Zwei Tage zuvor mußte ein Flugzeug auf dem Rückweg Kurs über den Kosovo nehmen. Einige hundert Meter tiefer flogen Nato-Verbände zeitgleich Angriffe gegen serbische Stellungen. Zudem war der Kontakt zum Nato-Frühwarnsystem Awacs ausgefallen.

Im Flieger herrscht eine fast unbeschwerte Atmosphäre. Es wird gelacht, mancher holt die versäumte Portion Schlaf nach, andere diskutieren über die Nato-Einsätze, über die Aufgaben, die sie erwarten. Gute Laune überdeckt die Anspannung. Vier Soldaten der Bundeswehr werden von Diez an der Lahn in die Grenznähe zum Kosovo verlegt. Ihr Auftrag ist ein humanitärer, genauso wie die Mission der 3000 bereits in Tetovo stationierten Kameraden: "Zuhören, trösten, Mut machen", wie einer der Männer lapidar erklärt.

Der Einsatz ist anders, als die Hilfseinsätze in Katastrophengebieten, ob 1988 nach dem Erdbeben in Armenien oder sonstwo auf der Welt. Der Krieg ist allgegenwärtig. Die Helfer werden noch am selben Tag von Skopje aus zurückfliegen. Jeweils Vierertrupps begleiten die Vertriebenen und Flüchtlinge aus dem Kosovo, die mit Chartermaschinen nach Deutschland ausgeflogen werden.

Während der Airbus entlang der italienischen Küste Kurs Richtung Brindisi nimmt, beschreibt der Hamburger Malteser Jörg Bollmann seine Gefühlslage. "Wir warten zunächst einfach ab, was auf uns zukommt. Auch für uns vier ist das eine völlig neue Situation." Der selbständige EDV-Kaufmann hat sich - wie auch seine drei Mitstreiter - spontan für den Hilfseinsatz entschieden. Das Team besteht aus einer Ärztin, zwei Rettungssanitätern und einem Assistenten. Wenige Stunden nach ihrer Landung in Skopje wird das Quartett mit 150 Flüchtlingen, die in Hamburg aufgenommen werden, das bereitstehende Flugzeug besteigen.

Die Helfer sind gut gerüstet. Neben einer klassischen hausärztlichen Ausstattung ist auch der Notfallkoffer im Gepäck. Aber das wichtigste hat nichts mit Medikamenten oder medizinischer Versorgung zu tun. "Wir haben einen ganzen Koffer voller Kuscheltiere dabei", wissen die Helfer, was zunächst am wichtigsten sein wird. Dr. Dorit Pluns, die Ärztin im Team, weiß, daß die Flüchtlinge traumatisiert sind und unter Schock stehen. "Wir wollen den Menschen ein erstes Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit geben." Und Bollmann vertieft: „Im Prinzip wollen wir ihnen mitgeben: 'Ihr könnt Euch entspannen, habt keine Angst mehr, wir werden schon für Euch sorgen'."

"Wenn ich Rettungsdienst fahre, dann weiß ich auch nicht, was auf mich zukommt", sagt der sympathische Mann mit den Jazz-Hosenträgern und ist gespannt auf seine Aufgabe. Die Situation ist freilich eine andere: "Ich habe einen vierjährigen Sohn; und natürlich mache ich mir eine Menge Gedanken. Krieg hat eine ganz andere Dimension. Man ist hin- und hergerissen. Ich habe bislang keinen Krieg miterleben müssen. Und ich hoffe, das wird auch bei meinem Sohn nicht anders."

Eigentlich sollten die Hamburger bereits am Donnerstag abend gen Mazedonien fliegen, aber wegen der Stornierung des Fluges mußten sie eine Zwangspause in einem Kölner Hotel einlegen. "Alles ist optimal organisiert. Hier greift jede Hand."

Knapp drei Stunden nach dem Start in Köln/Bonn, dem Flug entlang des Stiefels und dem Schwenk über Brindisi, über Tirana Richtung Skopje, setzt Kapitän Reimann zur Landung an. Man sieht karge, bergige Landschaften. Schon der Blick durch die Bullaugen des Airbus verrät, daß Mazedonien nicht von ungefähr zum Armenhaus Europas zählt.

Während der Landung wandern die Blicke der Passagiere vorbei an den Flugabwehrgeschützen entlang des gesamten Flughafens, der eher die Bezeichnung Flugplatz verdient hätte. Es gibt nur eine Start- und Landebahn. Der Blick schweift über weite Lager von Nato und Vereinten Nationen, gewaltige Fahrzeugparks und die Hubschrauber. Drohnen - unbemannte Aufklärungsflugzeuge - werden längsseits der Landebahn startklar gemacht. Schwere Jeeps und Transportfahrzeuge allerorten.

Der Flughafen selbst ist kleiner als die meisten deutschen Regionalflughäfen. Mazedonien ist alles andere als ein Zielort für Touristen. Auch Wirtschaftsbosse interessieren sich kaum für den kleinen Staat. Schwer liegt der Geruch von Kerosin und Diesel in der Luft.

Otto Lilienthal wäre fasziniert. Was für eine rasante Entwicklung. Doch der Traum von der Fliegerei, vom Menschentraum absoluter Freiheit wird hier zum bitteren Zwiespalt. Flugzeuge werden nicht nur für den humanitären Einsatz genutzt, sondern auch eingesetzt, um dem serbischen Despoten den Garaus zu machen.

Der Airbus ist am Ziel. Das nächste Problem: Bislang gab es immer zu wenige Entladegeräte in Skopje. Beim ersten Hilfstransport habe man stundenlang auf den einen Gabelstabler gewartet, der schließlich auch noch den Geist aufgegeben hatte. Die Fahrzeuge der Flughafengesellschaft in Skopje sind durchschnittlich 20 Jahre alt, viele sogar älter. Der Standard eines internationalen Flughafens werden deutlich unterschritten. Hier ist die Professionalität der ausländischen Helfer doppelt gefragt. Und dies ohne jeden Anflug von Arroganz.

Schweres Entladegerät aus amerikanischen, deutschen und britischen Beständen ist nun im Einsatz. Maschinen aus zahlreichen Ländern fliegen derzeit Skopje und Tirana an, um Hilfsgüter und Helfer in die Flüchtlingslager zu transportieren. Eine gewaltige logistische Aufgabe.

Der Kooperationswille der mazedonischen Behörden läßt allerdings zu wünschen übrig. Man spürt nicht nur die Überforderung, sondern auch das Mißfallen. Die Behörden scheinen die Anwesenheit der zahlreichen Soldaten als Bedrohung zu empfinden. Die humanitären Maßnahmen sind für sie von grundsätzlich geringer Bedeutung. Hier geht es um eigenes nationales Selbstverständnis. Der Krieg ist nicht mehr nur im Kosovo und in Serbien zu Gange. Die Wellen reichen bis weit hinter die Grenzen der benachbarten Staaten. Auch wenn die Nato Mazedonien erhebliche Sicherheitsgarantien vermittelt - die Skepsis ist den Männern in den dunklen Anzügen, mit Sonnenbrillen und den düsteren Mienen anzumerken.

Umso besser klappt die Zusammenarbeit zwischen den multinationalen Helfern. Man spürt, daß viele das Grauen und die Tragödie persönlich miterlebt haben. Das ist ihre Motivation, der Motor für das beherzte Zupacken. Franzosen helfen ohne Zögern beim Entladen der deutschen Luftwaffenmaschine. Die überdimensionale Aufgabe eint die - zumeist sehr jungen - Soldaten. Amerikaner, Briten, Franzosen und Deutsche arbeiten organisiert und schnell. Schließlich müssen täglich dutzende Flugzeuge abgefertigt werden.

Die 16 Tonnen werden im Zeitplan entladen. Und während sich der Kapitän mit den mazedonischen Behörden plagt, werden hunderte Schaumstoffmatratzen, Hygieneartikel und Stühle dem Bauch der A 310 entnommen. Nur wenige Meter entfernt warten Lkw darauf, die Ladungen aus dem Sammellager aufzunehmen und in die Flüchtlingslager zu transportieren.

Einige Journalisten machen sich derweil auf den Weg Richtung Grenze oder bemühen sich um ein Hotelzimmer in Skopje. Doch die Stadt, die immerhin fast 600.000 Einwohner zählt, kann die Gäste längst nicht mehr fassen. Hunderte Journalisten drängen sich in Hotels und Pensionen, vor Reisen an die Grenze wird überdies gewarnt. Vielen scheint der Krieg in seiner Härte nicht bewußt zu sein.

Erst wenn man in die Gesichter derjenigen sieht, deren Leid unermeßliche Dimensionen angenommen hat. Die Vertriebenen und Flüchtlinge aus dem Kosovo werden unweit Skopjes in riesigen Camps versorgt. Die medizinischen Probleme sind enorm. Es fehlte besonders in den ersten Tagen der Flüchtlingsbewegungen an Medikamenten. Die Menschen wurden ohne Rücksicht auf Krankheit oder Transportfähigkeit in Busse oder Züge gepfercht. Familien wurden getrennt. Besonders die alten Menschen und die Kinder sind von den tagelangen Märsche durch den Kosovo gezeichnet. Durch Nahrungs- und Wassermangel vollends entkräftet brauchen viele Menschen erst eine Notversorgung. Erhebliche Probleme gab es bei der medizinischen Erstversorgung auch, weil serbische Sonderpolizisten und Soldaten ihnen Papiere und die geretteten Habseligkeiten abgenommen hatten. Viele wissen nicht, welche Medikamente sie benötigen. Es hapert oft an der Verständigung. Aber Nato und Vereinte Nationen sind dabei, die Probleme zu lösen.

Viele sind froh, bei Regen und Kälte wenigstens einen Unterschlupf zu finden. Die Heimat ist verloren. Haus, Besitz und Paß geraubt. Die Mehrzahl der Vertriebenen sind physisch und psychisch angeschlagen. Für die Helfer ist es noch eine enorme Aufgabe, mehreren hunderttausend Menschen zu helfen. Vergleichbar damit, eine Großstadt in wenigen Tagen zu errichten und am Leben zu halten.

Eine Gruppe von Vertriebenen wird gleich neben der Otto Lilienthal in eine alte Maschine der Jaro-Air gebracht. Die Helfer, gerade erst aus Deutschland eingetroffen, übernehmen die Gruppe. Erste Kontaktaufnahme beim Einsteigen: Die Kinder bekommen Süßigkeiten. Ein erstes Lächeln huscht über die verängstigten Gesichter.

Kurz nachdem der Flieger abgehoben hat, berichtet eine deutsche Ärztin von einer jungen Familie, die draußen vor dem Flughafengebäude wartet. Sie hätte eigentlich auch in der Jaro-Maschine sitzen sollen. Die Frau ist im neunten Monat schwanger. Die mazedonischen Behörden kümmerten sich nicht um die Familie. Erst durch das Engagement der deutschen Airbusbesatzung werden die Kosovo-Albaner sicher in einem Flüchtlingslager gebracht.

Die warme Frühlingssonne, die das Thermometer über 20 Grad steigen läßt und die umliegenden Berge, die noch Schneehauben tragen, lassen Ferienstimmung aufkommen. Für Otto Lilienthal wäre ein solcher Tag für seine Flugversuche ideal gewesen.

Die Flugzeuge der US Airforce, die in kurzen Abständen landen, Personen oder Fracht abladen und kurz darauf wieder abheben, deuten von der Dramatik der Ereignisse, die sich hinter der nur knapp 20 Kilometer entfernten Grenze zum Kosovo abspielen.

Hubschrauber starten und landen im Minutentakt. Die mächtige militärische Materialschlacht rückt näher. Die Sprache ist militärischer, Zivilisten sind in der Unterzahl.

Für Kapitän Reimann und seine Crew, aber auch die anderen Mitarbeiter der Flugbereitschaft sind diese Tage ein Ausnahmezustand. Personal wurde aus dem Urlaub geholt, und auch die Familien leiden natürlich unter dem schärferen Dienstplan. Aber Reimann macht klar: "Wir wissen ja, wofür wir das hier tun." Auch für den erfahrenen Piloten, der bereits seit 25 Jahren aktiv und seit 13 Jahren für die Flugbereitschaft fliegt, ist das eine neue Situation.

Pünktlich macht sich der Airbus auf den Weg zurück nach Köln. Prominenz teilt sich die wenigen Plätze im Heck der Maschine. Im Konvoi trifft Walter Kolbow, Staatsekretär im Verteidigungsministerium und Stellvertreter von Rudolf Scharping ein. Militärs begleiten den Politiker, der in Skopje einen ranghohen Beamten installieren will, um die Maßnahmen besser koordinieren zu können. Auch in 10.000 Metern Flughöhe wird gearbeitet. Die Diplomatie kennt derzeit keine Pausen. Eine Art Überraschungsgast ist Dr. Rupert Neudeck, Gründer und agiler Streiter der Hilfsorganisation Cap Anamur (siehe Interview) - krasser können Gegensätze kaum sein. Trotzdem bleiben alle Beteiligten gelassen. Beide eint in diesen kriegerischen Tagen ein Ziel: ein vertriebenes Volk zu retten und dessen Heimat zu bewahren.

17.35 Uhr, Flughafen Köln-Bonn. Der Airbus ist gelandet. Die Regierungslimousine wartet auf den Staatssekretär, Neudeck wird von seiner Frau abgeholt, für die Piloten und die Crew geht ein ganz normaler Arbeitstag zu Ende.

Auch wenn der Einsatz beendet ist, bleiben die Gedanken. Und die Ansicht, daß jeder Flug im humanitären Einsatz, der in diesen kriegswirren Tagen Hilfsgüter in die Krisenregionen rund um den Kosovo, nach Albanien und Mazedonien bringt, den Namen Otto Lilienthal verdient hätte.

INTERVIEW

Ich bin unglaublich traurig

Rupert Neudeck ist der Gründer der Hilfsorganisation Cap Anamur. Zwölf Tage lang verbrachte er an der Grenze zum Kosovo, versuchte sich nicht nur ein Bild von der Flüchtlingskatastrophe zu machen, sondern auch erste Hilfsmaßnahmen zu koordinieren.

PZ: Herr Neudeck, was haben sie persönlich in den letzten Tagen erlebt?

Neudeck: Ich war jetzt einige Tage in der Region. Wir haben uns angeschaut, was getan werden muß, um den Menschen, um dem Volk der Kosovaren zu helfen.

PZ: Was sind ihre Empfindungen?

Neudeck: Ich bin unglaublich traurig. Wir hatten den Kosovo-Albanern versprochen, daß wir sie schützen werden. Wir hatten uns alle sehr ins Zeug gelegt, daß sie den Vertrag von Ramboulliet unterschreiben. Aber wenn man jetzt miterlebt, daß ein ganzes Volk von der Landkarte verschwindet, vertrieben und ermordet wird, ist das unbeschreiblich schmerzvoll.

PZ: Die Spendenbereitschaft ist enorm. Ihre Hilferufe werden also gehört.

Neudeck: Ich weiß nicht, wieviel eingeht oder eingegangen ist. Wichtig ist, daß wir jetzt schnell und unbürokratisch helfen. Und die Dramatik erkennen.

Medikamente für Kosovo

Zahlreiche Pharmaunternehmen spenden für die Betroffenen des Kosovokrieges. Die Firma Merck, Darmstadt, verschickte zwei Paletten des Analgetikums Tramadol und Johanniskrautpräparate für Flüchtlinge und Vertriebene in Albanien. Ferner ist eine Lieferung von Vitamintabletten vorbereitet. Für die Organisation und den weiteren Transport ist die ORA e.V. Deutscher Hilfsfond in Korbach zuständig.

Ebenfalls über die ORA e.V. stellt Novartis Pharma, Nürnberg Medikamente bereit. Zu der Lieferung gehören Mineralbrausetabletten sowie Analgetika, Spasmolytika und verschiedene Herz-Kreislaufmedikamente.

In Zusammenarbeit mit der German Pharma Health Fund e.V., Frankfurt am Main stiftet Bayer Antibiotika und Aspirin. Antibiotika gehören auch zum Hilfsprogramm der Glaxo Wellcome. Entsprechend den Erfordernissen sollen weitere Sendungen folgen. Das Unternehmen hat eine eigene internationale Hilfsorganisation. Diese sammelt die Beiträge der Firmenniederlassungen aus den jeweiligen Ländern.

Mit Geldspenden beteiligt sich Beiersdorf, Hamburg. Voraussichtlich folgen bald auch Warenlieferungen.

700 Geburten pro Monat

Unter den Kosovo-Flüchtlingen befinden sich nach Schätzung der Vereinten Nationen wenigstens 35000 schwangere und stillende Frauen. Jeden Monat dürften alleine in den albanischen Flüchtlingslagern rund 700 Babys geboren werden.

"Das sind die Zahlen, die wir von einem Flüchtlingsstrom dieser Größe unter Berücksichtigung der Geburtenrate von Kosovo-Albanern erwarten", sagte die Notfall-Koordinatorin der UN-Agentur UNFPA, Pamela Delargy. UNFPA (United Nations Population Fund) ist für die reproduktive Gesundheit der Weltbevölkerung verantwortlich.

Etwa zwei bis fünf Prozent der weiblichen Flüchtlinge werden nach Einschätzung der UN Opfer einer Vergewaltigung. Diesen Frauen stellt UNFPA die "Pille für den Morgen danach" zur Verfügung. Sie verhindert eine Schwangerschaft, wenn sie in den ersten 72 Stunden nach dem traumatischen Erlebnis eingenommen wird.

Manche Frauen sähen in Notsituationen wie jetzt auf der Flucht aus dem Kosovo keinen anderen Weg, als eine Schwangerschaft abzubrechen, erklärt die Hilfskoordinatorin. Die Angst vor der Zukunft sei oft zu groß, um den Gedanken an ein Kind zu ertragen. "Wir betrachten es als unsere Aufgabe zu verhindern, daß diese Frauen anschließend an einer schweren Infektion erkranken oder sogar sterben".

Zu der UNFPA-Fracht, die am Wochenende in Tirana eintraf, gehören auch Erste-Hilfe-Ausrüstungen für Geburten in den albanischen Flüchtlingslagern.Top

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