Arzneien auf und für die Haut |
12.04.1999 00:00 Uhr |
JAHRESTAGUNG DER APV
Innovative Wirkstoffe, Weiterentwicklungen bekannter Substanzklassen und optimierte galenische Formen können die topische Therapie von Hautkrankheiten verbessern. Gerade in den Bereichen Onkologie, Allergologie, Umwelt- und Berufsdermatologie wächst der Bedarf an neuen Therapieansätzen.
Neuen Konzepten bei Dermatika und der Beratung in der Apotheke waren zwei Kurse während der Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für Pharmazeutische Verfahrenstechnik (APV) Ende März in Halle gewidmet. Die traditionell guten Kontakte zwischen Pharmazeuten und Dermatologen bildeten die Basis für die thematische Ausrichtung, sagte Professor Dr. Reinhard Neubert vom Fachbereich Pharmazie der Universität Halle, der die Tagung gemeinsam mit Professor Dr. Wolfgang A. Wohlrab von der Universitätshautklinik leitete (siehe auch PZ 13/99, Seiten 47 und 48).
Große Hoffnung auf neue Wirkstoffe
Azole sind entwicklungsfähig: Ketoconazol als Badeöl könnte laut Professor Dr. Peter Elsner, Direktor der Hautklinik der Friedrich-Schiller-Universität Jena, für die Therapie des atopischen Ekzems eingesetzt werden. Die Substanz R 126638 (Janssen) soll eine bessere Wirkung als Breitband-Antimykotikum und weniger Interaktionen mit Cytochrom CYP3A4 haben. Doch gerade dieses Wechselwirkungspotential der Azole machten sich Wissenschaftler zu Nutze und entwickelten neue Substanzen, die in den Retinoid-Metabolismus eingreifen. RAMBA oder Retinoic Acid Metabolism Blocking Agents wie Liarozol (R 115866 von Janssen) inhibieren über Wechselwirkung mit Cytochrom P450 den Abbau von Retinoiden zu unwirksamen 4-Hydroxy-Verbindungen. Bei systemischer Gabe treten die typischen Retinoid-Effekte und -Nebenwirkungen auf. In Entwicklung befinden sich Cremes und Gele mit 0,5 bis 1 Prozent Wirkstoffgehalt. Phase-I-Studien bei Akne und Psoriasis seien abgeschlossen, sagte Elsner.
Vitamin-D3-Derivate wie Calcipotriol und Calcitriol sind derzeit die am meisten verwendeten Topika bei Psoriasis. Mögliche neue Indikationen seien Ichthyosen, hyperkeratotisches Ekzem und lokalisierte Sklerodermie.
Als echte Innovation in der nicht-steroidaler antientzündlichen Therapie bezeichnete Dr. Martin Abel von Hermal, Reinbek, die Makrolactame Tacrolimus (FK 506, Fujisawa), SDZ ASM 981 (Novartis) und ABT-281 (Abbott). Die peroral applizierbaren Immunsuppressiva wurden ursprünglich zur Vermeidung von Transplantatabstoßungen entwickelt. Im Gegensatz zu Ciclosporin A, dem für diese Indikation weltweit bedeutendsten Wirkstoff, können Makrolactame auch topisch angewendet werden. Für die Indikation atopisches Ekzem liegen bereits Phase-II- und -III-Studien vor. Die topische Gabe bei Psoriasis war bislang nur mit SDZ ASM 981 nach okklusiver Applikation erfolgreich. Ebenso wirkte dieser Stoff gut bei Nickel-Allergikern in einem Nickel-Kontaktekzem-Modell. Für aussichtsreich hält Abel auch immunsuppressive Phosphodiesterase-IV-Hemmstoffe. Dieses Enzym ist bei Atopikern erhöht.
Ebenfalls in das Immungeschehen - aber anregend - greift Imiquimod ein, das zur Behandlung von Feigwarzen zugelassen ist (siehe PZ 2/99, Seite 55). Condylomata acuminata entstehen nach Infektion mit humanen Papillom-Viren (HPV). Der Immunresponse-Modifier induziert die 2´5´-Oligoadenylat-Synthetase und stimuliert damit die Expression von Zytokinen wie IFN-alpha, TNF, IL-1 und IL-6. Das lokale kutane Immunsystem wird angekurbelt. Weitere Indikationen hält Elsner für möglich: Tumoren wie Basalzellkarzinome und aktinische Keratosen, Dellwarzen (Molluscum contagiosum), Infektionen mit genitalem Herpes-simplex-Virus Typ 2 oder gemeine Warzen (Verruca vulgaris).
Die Hoffnung nicht erfüllt haben Wachstumsfaktoren in der Wundtherapie. Beclapermin, ein rekombinanter humaner Platelet-derived Growth Factor (PDGF), soll für die Behandlung diabetischer neuropathischer Ulcera an den unteren Extremitäten zugelassen werden. Nach Ulcusreinigung wird PDGF einmal täglich unter feuchten Kompressen aufgetragen. In zwanzig Wochen heilt etwa die Hälfte der Ulcera ab - kein überragender Erfolg, aber "eine gewisse Verbesserung", so Elsner.
Galenik mit Pfiff
Weniger stürmisch verläuft die Entwicklung auf dem Gebiet der Vehikel. Neue Wirkstoffe werden praktisch immer in bewährte Grundlagen gesteckt, zeigte Professor Dr. Christel Müller-Goymann, Braunschweig, an Präparaten, die in den letzten drei Jahren zugelassen wurden. Es handelt sich um klassische Hydrogele, O/W-Cremes, die der nichtionischen hydrophilen Creme des Arzneibuchs ähneln, und einfache Salben auf Kohlenwasserstoffbasis.
Gängige Arzneiformen werden aber auch weiterentwickelt. Eine extrem niedrige aber konstante Abgaberate von 5-Fluorouracil in die Epidermis ermöglicht ein komplex aufgebautes, "superfizielles therapeutisches System" (STS). Es wird zur Lokaltherapie der aktinischen Keratose eingesetzt (Actino-Hermal® Pflaster). Zur Lokalanästhesie, vor allem bei Kindern, dient das Emla® Pflaster. Der Name ist Programm: Emla steht für eutektische Mischung von Lokal-Anästhetika. Bei Raumtemperatur ist die Mischung aus Prilocain und Lidocain ölig-flüssig; sie wird in einem Hydrogel emulgiert, das zur Imprägnierung eines im Pflaster integrierten Gazestreifens dient. Laut Müller-Goymann wird damit eine Lokalanästhesie bis in eine Hauttiefe von 5 mm erreicht.
Zu den flüssigkristallinen Systemen gehören die Tensidgele, zum Beispiel mit Ibuprofen oder Bifonazol. Die nicht-ionischen Tenside bilden in hydratisierter Form Mizellen mit dem solubilisierten Wirkstoff. Die hohe Tensidkonzentration beeinflußt die Struktur der Hautlipide, so daß die Wirkstoffe besser diffundieren können. Mit viel Wasser können Tensidgele leicht abgewaschen werden.
Eine pfiffige Gelvariante ist das Dentalgel mit Metronidazolbenzoat, das mit einem Applikator in infizierte Zahnfleischtaschen gefüllt wird und eine Sanierung der Parodontitis bewirken soll (Elyzol®). Bei Raumtemperatur ist das Oleogel aufgrund der Kristallisation des W/O-Emulgators halbfest. Nach Applikation schmilzt der Emulgator bei Körpertemperatur, und der Träger nimmt Wasser aus dem Speichel auf. Dabei bildet sich eine hochvisköse Flüssigkeit, die gut an der Schleimhautoberfläche haftet und das suspendierte Prodrug freigibt. Die Hydrolyse des Arzneistoffs ist somit verlangsamt und die mikrobizide Wirkung verlängert.
Nur als Kosmetika etabliert sind physikalische Lichtschutzformulierungen mit ultrafeinen Partikeln aus Titandioxid (etwa 20 nm) oder Zinkoxid (bis 100 nm). Die Cremes, Milchen und Lipogele sind transparent und schützen durch Reflexion, Streuung und Absorption der Strahlung (zum Beispiel Ilrido® ultra, Lutsine® Ecransol, MicroSun®, Penaten Baby).
Heftige Diskussionen löste in Halle Professor Dr. G. Cevc von der Technischen Universität München mit der Präsentation seiner "Transfersomen" aus. Die komplex aufgebauten Vesikel seien leicht verformbar, da sich die Komponenten auf der Haut entmischen und neuordnen könnten. Anders als Liposomen, kugelförmige Vesikel im Nanometer-Bereich, könnten die stark hydrophilen Vesikel intakt die Haut penetrieren und dabei auch große Moleküle einschleusen, postulierte Cevc. Angeblich soll Insulin aus Transfersomen nach topischer Aufnahme den Blutglucosespiegel reproduzierbar senken.
Viel für die Haut
Wollen Sie mehr wissen über moderne galenische Systeme wie Lipopearls, O/W/O-Emulsionen oder Hydrolipid-Dispersionen, über Hautpflege und Psoriasis? Dann lesen Sie auch:
Daniels, R., Moderne Grundlagen und ihre Wirksamkeit. Dermopharmazie 3/98; Beilage zur PZ 35/98.
Kurz, G., Galenische Charakterisierung ausgewählter Hautpflegeprodukte. Titelbeitrag in PZ 45/97.
Müller, R., Dingler, A., Feste Lipid-Nanopartikel als neuartige Carrier für Wirkstoffe. Titelbeitrag in PZ 49/98.
Müller-Goymann, C., Neuere Entwicklungen bei topisch anzuwendenden Arzneimitteln. Titelbeitrag in PZ 42/96.
Schweig, T., Reinigen, pflegen, stabilisieren: Hilfen für die trockene Haut. Titelbeitrag in PZ 43/98. Wolf, E., Schuppenflechte: Die Licht- und Schattenseiten der (BeStrahlungstherapietherapie. Titelbeitrag in PZ 4/99.
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