Konkurrenz für Aciclovir |
01.04.2002 00:00 Uhr |
von Ulrich Brunner, Eschborn
Vor dreißig Jahren revolutionierte Aciclovir die Therapie von Infektionen mit dem Herpes-simplex-Virus (HSV). Nun stehen verschiedene Substanzen einer neuen Klassen von Virustatika in den Startlöchern.
Im Gegensatz zu Aciclovir greifen die neuen Arzneistoffe an einer anderen Stelle in die Replikation der Virus-DNA ein, dem so genannten Helicase-Primase-Komplex. Dieser Komplex besteht aus drei viralen Proteinen, für die die Gene UL5, UL8 und UL52 codieren. Die drei Eiweiße sorgen gemeinsam dafür, dass die doppelsträngige Virus-DNA entwunden und Primer für die DNA-Synthese gebildet werden.
Die aus der Pipeline der Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim und Bayer stammenden Aminothiazol-Phenyl-Derivate bremsen die enzymatische Aktivität des Helicase-Primase-Komplexe.
Beide Wirkstoffe, die in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature Medicine vorgestellt werden, sind peroral verfügbar, gut verträglich und waren Aciclovir im Versuch mit HSV-1- und HSV-2-infizierten Mäusen überlegen. Eine weiterer Vorteil: Die Arzneistoffe sprachen auch bei Aciclovir-resistenten Erregern an.
Sowohl Bayer als auch Boehringer hoffen jeweils auf einen weiteren Pluspunkt ihrer Neuentwicklungen. So soll das aus Leverkusen stammende BAY 57-1293 die Häufigkeit und Schwere von Reinfektionen reduzieren. B1LS-179-BS spreche sogar noch an , wenn es 65 Stunden nach Infektion eingenommen würde, kontern die Forscher von Boehringer. Diese beiden positiven Begleiteffekte gilt es allerdings noch in weiteren Experimenten zu verifizieren.
Der nächste Schritt sind kontrollierte klinische Studien. Erst diese werden zeigen, ob Aciclovir nach drei Jahrzehnten tatsächlich ernsthafte Konkurrenz bekommt.
© 2002 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de