Thymuspeptide auf dem Weg in die Schulmedizin |
05.04.1999 00:00 Uhr |
Eine erste placebokontrollierte Doppelblindstudie soll dem therapeutischen Einsatz von Thymuspeptiden jetzt den Weg in Richtung Schulmedizin bahnen.
Immunrestaurativ und tumorsuppressiv sollen sie wirken, die biologisch aktiven Peptide aus Thymusdrüsen, bei Krebspatienten die Infektanfälligkeit nach Strahlen- oder Chemotherapie reduzieren, die körpereigene Antitumorwirkung stärken, die Lebensdauer verlängern, Lebensqualität und Allgemeinzustand verbessern. Was bislang im wesentlichen auf Erfahrungsmedizin fußte, soll jetzt wissenschaftlich begründbar werden. Mit einer ersten randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudie will das Herstellerunternehmen Strathmann die klinische Wirksamkeit seines Thymuspräparates Thym-Uvocal® als ergänzendes Krebstherapeutikum belegen.
Durchgeführt wird die Anfang dieses Jahres gestartete Studie mit der Injektionslösung des Präparats. Diese enthält standardisierte, niedermolekulare Thymuspeptide, darunter Thymosin a1, Thymosin b4, Thymulin sowie verschiedene noch nicht identifizierte Peptid-Inhaltsstoffe. Die Studie erfolgt nach GCP-Richtlinien (Good Clinical Practice), insgesamt beteiligen sich 25 Zentren an dem Projekt. Einbezogen sind 480 Patienten mit metastasierendem kolorektalem Karzinom; 240 je Therapiearm. Die Patienten werden nach einem Standard-Therapie-Regime aus 5-Fluorouracil und Folinsäure behandelt. Zusätzlich erhalten sie dreimal wöchentlich 4 ml Thym-Uvocal-Injektionslösung oder Placebo.
Primäre Zielkriterien sind Tumor-Remission und Lebensqualität der Patienten. Eine Zwischenauswertung der Ergebnisse ist für Ende nächsten Jahres geplant. Mit dem Studienabschluß rechnet das Unternehmen Ende 2003.
Ergebnisse auf präklinischer Ebene
Eingesetzt werden Thymuspeptide nicht nur als Zusatztherapeutika in der Onkologie, sondern auch zur spezifischen Immunstimulierung etwa bei primärer Immundefizienz, bei entzündlichen rheumatischen Erkrankungen oder in der Geriatrie. Die jetzt gestartete Phase-IV-Studie soll eine Reihe neuerer Forschungsergebnisse fortsetzen.
Die unter Tym-Uvocal-Zusatztherapie beobachtete Besserung der Allgemeinbefindlichkeit von Tumorpatienten geht offenbar auf ACE-inhibitorische Effekte der Thymuspeptide zurück. Die bislang vermuteten Interaktionen mit dem endogenen Opioidsystem konnten in vitro nicht bestätigt werden. Statt dessen fand man eine konzentrationsabhängige, spezifische Hemmung des Angiotensin-Converting-Enzyms (ACE). Infolge der ACE-Hemmung werden bestimmte Neuropeptide im Gehirn langsamer abgebaut. Wie für andere ACE-Inhibitoren bereits gezeigt, scheint dieser Mechanismus die eigentliche Ursache für die Befindlichkeitsbesserung der Patienten zu sein.
Subcutan injizierte Thymuspeptide wirken offenbar über die dendritischen Zellen auf das Immunsystem. Diese mögliche Erklärung des bisher weitgehend unbekannten Wirkmechanismus von Thym-Uvocal® basiert auf neuen In-vitro-Ergebnissen. Sie zeigen, daß Thymuspeptide die Ausreifung und Aktivierung dendritischer Zellen bewirken und dann selbst wie Antigene auf der Dendritenoberfläche präsentiert werden. Die dendritischen Zellen stimulieren dann die Proliferation von T-Lymphozyten. Thymus-abhängige Lymphozyten sind die Träger der zellvermittelten körpereigenen Abwehr.
Die bei Krebspatienten oft geschwächte körpereigene Antitumor-Wirkung der Leukozyten wird durch Thymuspeptide je nach Tumorart in unterschiedlichem Ausmaß gestärkt. So ließen sich in vitro die Tumor-zytotoxischen Effekte von Lymphozyten und Monozyten bei Patienten mit kolorektalem Karzinom, mit Brustkrebs oder Melanom steigern. Die Aktivität natürlicher Killerzellen konnte bei allen Tumoren durch Thym-Uvocal® nicht gestärkt werden.
Neben den präklinischen Untersuchungen und der bereits angelaufenen klinischen Studie sind nach Angaben der Strathmann AG weitere Projekte mit Thymuspeptiden geplant. So sei eine wirkbeweisführende Studie zum Einsatz bei Hepatitis-C-Patienten in Vorbereitung, heißt es in einer Presseinformation. Auch erste Untersuchungen bei HIV-Patienten sollen fortgesetzt werden. Eine Anwendungsbeobachtung mit Thym-Uvocal® bei 200 geriatrischen Patienten geht im Mai dieses Jahres zu Ende. Sie untersucht den Einfluß der Thymuspeptide auf die Häufigkeit jahreszeitlich bedingter Infektionskrankheiten und saisonal abhängiger entzündlicher Prozesse in dieser Patientengruppe.
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