Pharmazie 2 |
18.03.2002 00:00 Uhr |
von Stephanie Czajka, Berlin
Da die Ansprechraten für klassische Zytostatika teilweise unter 20 Prozent liegen, sind Medikamente zur adjuvanten Therapie für die Behandlung von Krebserkrankungen wichtig. Auf dem Berliner Krebskongress beschäftigten sich Forscher letzte Woche mit neuen Ansätzen zur Entwicklung antineoplastischer Substanzen, darunter Hemmstoffe der Telomerase und der Cyclooxygenase-2 sowie so genannte Hypoxie-selektive Wirkstoffe.
Während ein wachsender Tumor verstärkt die Bildung neuer Gefäße anregt, gibt es in vielen soliden Tumoren große schlecht durchblutete Bereiche mit entsprechend geringer Sauerstoffversorgung (Hypoxie). Dort wirken Chemo- und Strahlentherapie meist schlechter als in besser durchbluteten Geweben. Forscher entwickelten daher Prodrugs, die in sauerstoffarmer Umgebung durch metabolisierende Enzyme reduziert und so in ihre Wirkform umgewandelt werden. Dieses Prinzip sei viel versprechend und interessant, wenngleich die klinische Entwicklung Hypoxie-selektiver Stoffe im vergangenen Jahr nicht vorangekommen sei, sagte Dr. Hans Peter Peters, Klinischer Pharmakologe aus Süsel. Potenzielle Kandidaten kommen aus den Gruppen der Chinone, der aromatischen Stickoxide, der Metallkomplexe, der Nitroaromaten und der aliphatischen Stickoxide. Ein Vertreter der aromatischen Stickoxide, Tirapazamin, wurde bereits in Phase-III-Studien untersucht. In Kombination mit Cisplatin waren Überlebens- und Ansprechrate bei Lungenkrebspatienten höher als unter Cisplatin alleine. Im Vergleich zur Kombination von Cisplatin mit Etoposid brachte Tirapazamin aber keine Vorteile. Ob oder wann Tirapazamin auf den Markt kommen wird, wusste Peters nicht.
Eine weitere Gruppe möglicher Adjuvantien ist bereits auf dem Markt, allerdings nicht für diese Indikation. Es gebe Experimente, die auf eine Wirksamkeit von Hemmstoffen der Cyclooxygenase-2 (COX-2) bei Tumorerkrankungen hinweisen, sagte Dr. Frank Gieseler von der Universität Kiel. So haben Versuche gezeigt, dass die Expression des COX-2-Gens in allen Stadien der Tumorentstehung eine Rolle spielt. Immunhistochemisch wurde nachgewiesen, dass beispielsweise bei Dickdarm-, Brust- oder Pankreastumoren die Stärke der COX-2-Expression mit dem Stadium des Tumors korreliert. In Tumorzellen selbst allerdings sei die Expression so stark, dass sie durch COX-2-Inhibitoren kaum zu hemmen sei, betonte Gieseler. Jedoch könnten in der unmittelbaren Umgebung des Tumors COX-2-Inhibitoren wirken, denn auch dort sei die Expression erhöht, wenngleich etwas schwächer. Eine Folge sei dann die Hemmung der Angiogenese. Ein Versuch an Rattenaugen zeigte, dass die Neubildung von Gefäßen mit Celecoxib oder Indometacin gebremst wird, nicht aber mit einem COX-1-selektiven Wirkstoff. Gieseler zufolge geben diese Versuche Anlass, auf gute Ergebnisse in klinischen Studien zu hoffen.
Telomere sind DNA-Abschnitte aus der sich tausendfach wiederholenden Sequenz TTAGG. Sie sitzen an den Enden der Chromosomen, um diese vor Degradation und Instabilität zu schützen. Mit jeder Zellteilung verkürzen sich diese Abschnitte. Zellen mit sehr kurzen Telomeren altern schließlich und sterben ab. Das Enzym Telomerase hält diesen Vorgang auf. Physiologisch ist es in Keim- und Stammzellen aktiv, pathologisch in 90 Prozent aller humanen Krebsarten, sagte Dr. Tim Brümmendorf von der Universität Tübingen. Mehrere Strategien wurden bereits erprobt, um die Telomerase zu hemmen, unter anderem der Einsatz von Hemmstoffen der Reversen Transkriptase oder Antisense-Molekülen. Am viel versprechendsten ist für Brümmendorf die nicht nukleosidische und nicht peptidische Substanz BIBR 1532. Dieser Wirkstoff hemmt die humane Telomerase spezifisch, ohne andere DNA- oder RNA-Polymerasen zu inhibieren. Die halbmaximale Hemmkonzentration liegt bei 100 nM. In Prostata- oder Brustkrebs-Zellinien führte BIBR 1532 zu Zellalterung und Verkürzung der Telomeren und damit zur Hemmung der Proliferation. Je länger die Ausgangstelomere waren, desto später war die Wirkung zu beobachten. Damit der Zeitpunkt des Wirkeintrittes nicht allzu weit hinausgezögert wird, müssten für klinische Studien Patienten ausgewählt werden, deren Tumore durch hohe Telomeraseaktivität und stark verkürzte Telomerstücke gekennzeichnet sind. Brümmendorf zufolge eigne sich beispielsweise die chronisch myelogene Leukämie.
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