Pharmazie 1 |
18.03.2002 00:00 Uhr |
Im Markt der Phytopharmaka findet sich im Bereich der Magen-Darm-Mittel eine bunte Vielfalt aus tradierten und modernen, hoch und niedrig dosierten und durch Studien und Evaluierungen als sinnvoll belegte Rezepturen. Nachdem das jeweils zu behandelnde Krankheitsbild abgeklärt ist, lassen sich mit Hilfe weniger Richtlinien Präparate auswählen, die allen Kriterien der modernen Phytotherapie entsprechen und eine angemessene Dosierempfehlung sowie hohe pharmazeutische Qualität aufweisen. Das sind zumeist Monopräparate. Diese sollten aktiv empfohlen werden.
Eine Alltagssituation: Eine schlanke, gepflegt aussehende Patientin mittleren Alters betritt die Apotheke. "Ich habe häufig Bauchweh, besonders nach dem Essen. Zuerst schmerzt der Magen, später kommen Blähungen. Wenn es schlimm kommt, ist mir stundenlang übel. Aber meine Verdauung ist in Ordnung. Etwas Pflanzliches wäre sicher gut gegen meine Beschwerden." Dieser Wunsch mag zunächst wenig auffällig erscheinen, er stellt aber an beratende Apotheker hohe Ansprüche. Zu klären ist: Woran leidet die Patientin? Sind Phytopharmaka zur Behandlung geeignet? Und welches Phytopharmakon soll ausgewählt werden?
Die erste Frage ist sicherlich in der Apotheke nicht vollständig zu beantworten. Dennoch müssen hier die Nachfragen bei der Beratung ansetzen. Die Dauer der Beschwerden, eine mögliche Regelmäßigkeit, Begleiterscheinungen wie Diarrhö gilt es abzuklären. Bei Warnsymptomen wie Gewichtsverlust, sichtbarem Blut im Stuhl, starkem Durchfall muss ein baldiger Arztbesuch dingend angeraten werden. Aber auch weniger drastische Symptome wie wiederkehrende krampfartige Schmerzen bedürfen der ärztlichen Abklärung. Etwas leichter wird die Beratung in der Apotheke, wenn die Patientin hinzufügt "Beim Hausarzt war ich schon, der findet nichts Organisches."
Unter dyspeptischen Beschwerden fasst man einen Symptomenkomplex zusammen, der gekennzeichnet ist durch fehlende oder nicht erkennbare Dysfunktionen oder Schäden der Verdauungsorgane (zum Beispiel Magengeschwür oder Ulcus), der den Patienten aber durch wiederkehrende Schmerzen, meist im Zusammenhang mit Mahlzeiten, oft erhebliche Beschwerden bereitet (siehe Definitionen). Die funktionellen, nicht organischen Störungen sind durch Schmerzen im Oberbauch gekennzeichnet und häufig von Übelkeit und vorzeitigem Sättigungsgefühl begleitet. Obstipation oder Diarrhö können als Symptome hinzukommen, sind aber nicht ständig vertreten (1, 2). Deswegen hört man von den Betroffenen oft die Bemerkung, ihre Verdauung sei in Ordnung, der man angesichts der geschilderten Beeinträchtigungen sofort widersprechen könnte. Landläufig ist mit Verdauung Stuhlgang gemeint, und die Patienten erklären hiermit, dass sie kein Abführmittel wünschen. Ein Laxans wäre zur Behandlung auch gänzlich fehl am Platz..
Andere Patienten werden in der Apotheke nach Behandlungsmöglichkeiten für ihren "ständig gereizten Magen" fragen. Die beschriebenen Störungen ähneln sehr denen der dyspeptischen Beschwerden. Tatsächlich benutzt man in der gastro-enterologischen Praxis "dyspeptische Beschwerden" und "Reizmagen" meist gleichbedeutend (1, 2).
Zu unterscheiden sind Symptome des Reizdarms oder Colon irritabile. Auch hier stehen nicht Unregelmäßigkeiten beim Stuhlgang im Vordergrund, sondern Schmerzen mit Lokalisation im unteren Bauchbereich, oft begleitet von aufgetriebenem Unterleib und Flatulenz. Diarrhö oder Obstipation können hinzukommen (1, 3). Viele Patienten leider allerdings zeitweise oder ständig an beiden Symptomenkomplexen, dyspeptische Beschwerden und Reizdarm.
In der gastro-enterologischen Praxis sind dyspeptische Beschwerden wie Reizdarm eine Ausschlussdiagnose. Bevor diese funktionellen Störungen so festgestellt werden, müssen erst organische Schäden oder Fehlfunktionen, zum Beispiel ein Ulcus ventriculi oder duodeni, Gastritis oder Cholezystitis, so weit wie möglich abgeklärt und ausgeschlossen werden (1, 2). Dennoch handelt es sich bei dyspeptischen Beschwerden um einen klar definierten Symptomenkomplex, der rationeller Therapie zugänglich ist.
Glossar
Phytopharmaka - eine Abgrenzung
Liegen dyspeptische Beschwerden vor, so sollten sie in erster Linie mit Phytopharmaka behandelt werden (2). Nicht alle "pflanzlichen" Arzneimittel sind jedoch im strengen Sinn Phytopharmaka. Zwar definiert das AMG in § 3 pflanzliche Arzneistoffe sehr weit, aber Phytopharmaka werden seit Gründung der Kommission E beim Bundesgesundheitsamt, jetzt beim BfArM, enger gefasst (siehe Definitionen). Phytopharmaka enthalten keine Reinstoffe mit starker Wirksamkeit, sondern die Droge selbst oder der nach einer bestimmten Methode hergestellte Extrakt ist der Wirkstoff. Phytopharmaka grenzen sich von pflanzlichen Arzneimitteln der homöopathischen oder anthroposophischen Therapierichtungen ab (2). Dabei ist die Forderung der Kommission E nach der Ausrichtung der Phytotherapie nach den Prinzipien der naturwissenschaftlich orientierten Medizin wichtig. Das bedeutet mindestens eindeutige und durch Studien belegte Indikationen für einzelne Drogen und Extrakte, vom Patienten und vom Therapeuten unabhängig (anders als in der Homöopathie und in der Anthroposophie) sowie nachvollziehbare Dosierung und nachvollziehbare Dosierungsempfehlungen.
Verbraucher und Patienten geben pflanzlichen Arzneimitteln generell einen hohen Vertrauensvorschuss (3). Sie erwarten eine geringe Toxizität, wenig Nebenwirkungen, eine hohe therapeutische Breite, eine milde Wirkung, die bei leichten Erkrankungen und Alltagsbeschwerden ausreicht und bei ernsten Erkrankungen als unterstützende Therapie hilfreich sein kann.
Mit diesen Richtlinien ist die Zahl der Drogen, die für rationelle Phytotherapeutika in Frage kommen, bereits stark eingeschränkt, genauso wie die Erkrankungen, bei denen Phytotherapie sinnvoll zum Einsatz kommen kann. In der Einleitung zur Kompilation ihrer Arbeit schätzt die Kommission E die Drogen, die in der täglichen Praxis relevant sind, auf circa 250 (4, 5).
Auswahl der Pflanze und Zubereitung
Für die Auswahl von Phytopharmaka bei dyspeptischen Beschwerden sollten die Monographien der Kommission E für die einzelnen Drogen unbedingt beachtet werden. Bei zahlreichen Drogen ist das Indikationsgebiet "dyspeptische Beschwerden" in der Monographie ausdrücklich angegeben. Diese Drogen sind in der Tabelle aufgeführt. Dosierungsempfehlungen für die Anwendung bei dyspeptischen Beschwerden sind in den Kommission-E-Monographien oder in Standardzulassungen meist als empfohlene mittlere Tagesdosis für die Droge aufgeführt (4, 5).
Viele dieser Drogen sind in ihrer Monographie und entsprechend ihren Inhaltsstoffen als Bittermittel ausgewiesen. Der Wert von Bitterstoffen bei der Therapie dyspeptischer Beschwerden ist unbestritten, aber alle Vorstellungen zum Wirkmechanismus gehen von einer Wahrnehmung des bitteren Geschmacks aus. So wird man die rationale Anwendung eines reinen Bitterstoffextrakts in festen Arzneiformen bezweifeln müssen. Für viele ätherische Öle dagegen ist belegt, dass sie direkt spasmolytisch an der glatten Muskulatur des Darms wirken.
DrogeDeutsche BezeichnungInhaltsstoffgruppen Absinthii herba
Besonders gut ist Pfefferminzöl untersucht. Es wirkt hemmend an Calciumkanälen und kompetitiv zu Nifedipin. In entsprechend hoher Dosierung - 0,6 ml Tagesdosis - und in magensaftresistenter Arzneiform kann es bei Reizdarm eingesetzt werden (3). Phenolcarbonsäuren und mehr noch Scharfstoffe haben einen choleretischen Effekt, das heißt es wird mehr Gallensaft gebildet. Für den Curcuma longa-Extrakt ist darüber hinaus ein starker cholekinetischer Effekt nachgewiesen, es wir auch mehr Gallensaft ausgeschüttet. Da eine gestörte Gallenblasenentleerung trotz Abwesenheit von Gallensteinen oft eine Ursache für dyspeptische Beschwerden ist (2), sind diese Drogen sinnvoll, wenn man sie angemessen dosiert.
Bei vielen dieser Drogen findet sich der Hinweis, dass die Kombination mit anderen Drogen, die gegen dyspeptische Beschwerden wirken, sinnvoll sein kann. Einige Kombinationen haben eine eigene positive Monographie der Kommission E erhalten, zum Beispiel fixe Kombinationen von Angelikawurzel, Enzianwurzel und Kümmel (6). Für die Kombination von verschiedenen Pflanzenextrakten muss gelten, was generell für kombinierte Arzneimittel gilt: Jeder arzneilich wirksame Bestandteil muss nach § 22 AMG einen Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittels leisten (7). Bei den fixen Kombinationen finden sich nie mehr als drei Bestandteile.
Selbstverständlich müssen die phytotherapeutisch benutzten Drogen die Qualität aufweisen, die die Arzneibücher fordern. Anforderungen an Identität, Reinheit und erforderlichen Mindestgehalt an Wirkstoffen werden längst nicht von allen gehandelten Arzneidrogen erfüllt. Identitätsprobleme zum Beispiel gab es lange Zeit mit der Drogen Curcumae longae rhizoma (Curcumawurzelstock) und Curcumae xanthorrhizae rhizoma (Javanische Gelbwurz) (5, 8). Beide werden für das Indikationsgebiet der dyspeptischen Beschwerden empfohlen.
Traditionell gilt die Javanische Gelbwurz in der deutschen Phytotherapie eher als Arzneidroge, während Curcuma longa manchmal nur als Gewürz bezeichnet wird. Beide Drogen enthalten ätherisches Öl und Curcuminoide, aber der Gehalt ist jeweils unterschiedlich. Für die ausgeprägte choleretische und antioxidative Wirkung des Drogenextrakt ist die der Fraktion der Curcuminoide maßgeblich. Diese sind im Wurzelstock von Curcuma longa zu 3 bis 5 Prozent enthalten, während Curcuma xanthorrhiza nur 0,8 bis 2 Prozent Curcuminoide enthält (8). Demnach sollte Curcumae longae rhizoma bevorzugt bei dyspeptischen Beschwerden angewendet werden. Bei einigen Phytopharmaka sind aber die Identität und die Dosierung der verwendeten Curcumadroge nicht klar oder jedenfalls nicht klar ersichtlich.
Das richtige Fertigarzneimittel
In der Apothekenpraxis gilt es häufiger eine Auswahl zwischen Fertigpräparaten mit der Indikation "dyspeptische Beschwerden" als zwischen Drogen zu treffen. Für die Beurteilung von Fertigpräparaten ist die Zulassung nach § 105 AMG ein wichtiges Kriterium. Der Zulassungsstatus eines Präparats findet sich nicht in der Roten Liste, nicht in den Fachinformationen, sondern wenn leider ausschließlich auf der Packung des Arzneimittels. Präparate mit einer Zulassungsnummer sind nach § 105 des AMG zugelassen oder haben diesen Status durch Nachzulassung erlangt. In beiden Fällen mussten die Hersteller die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit im Sinne des Arzneimittelgesetzes nachweisen. Präparate, die auf diesem Weg zugelassen wurden, sind außer an der Zulassungsnummer auch daran erkennbar, dass sie für ein klares Indikationsgebiet ausgewiesen sind, zum Beispiel dyspeptische Beschwerden oder Reizmagen. Außerdem tragen sie den Hinweis "apothekenpflichtig".
Davon zu unterscheiden sind Präparate, die nach § 109a des AMG zugelassen sind. Sie tragen eine Zulassungsnummer, aber kein Indikationsgebiet. Statt dessen sind sie gekennzeichnet mit Hinweisen wie "traditionell angewendet bei ..." oder " zur Vorbeugung von ..." oder " zur Stärkung oder zur Kräftigung von ...". Die Pharmazeutischen Unternehmer, die derartige Arzneimittel in Verkehr bringen, müssen lediglich versichern, dass die erforderliche pharmazeutische Qualität gewährleistet ist. Nachweise der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit fordert die Zulassungsbehörde hier nicht. Entsprechend sind nach §109a zugelassene Präparate nicht apothekenpflichtig.
In der Apotheke sollten Präparate gegen dyspeptische Beschwerden empfohlen werden, die nach §105 AMG zugelassen sind oder solche, die einen Extrakt einer Droge (Monopräparate) enthalten, für die eine positive Monographie für das entsprechende Indikationsgebiet von der Kommission E existiert. Bei der Beurteilung der Fertigarzneimittel geht man am besten stufenweise vor.
Neben der Monographie-konformen Indikation der verwendeten Droge, die eindeutig bezeichnet sein muss, sollte bei Empfehlung eines Arzneimittels unbedingt auf die vollständige Deklaration der Extraktzubereitung und auf die passende Dosierung geachtet werden. Die mindestens notwendige Deklaration des Extraktes umfasst das Extraktionsmittel, das Droge-Extrakt-Verhältnis (DEV) und die Deklaration der Extraktmenge pro Arzneiform (10).
Ein Extrakt aus derselben Droge kann je nach Zubereitung in seiner Zusammensetzung stark schwanken (11). Eigentlich ist das eine Binsenweisheit. So wissen alle Konsumenten von Schwarzem Tee, dass das Getränk, zubereitet mit Blättern aus derselben Teedose, abhängig von der Menge, der Härte und der Temperatur des Wassers und Extraktionsdauer sehr verschieden schmeckt und wirkt. Für Drogenextrakte kommen Lösemittel ganz unterschiedlicher Polarität der Einsatz und neben einfachem "Ziehenlassen" gibt es apparative Extraktionsmethoden mit höherer Effizienz (Abbildung 1). Damit wird anschaulich, dass für den Vergleich und die Beurteilung von Extrakten derselben Droge zumindest die Art des benutzten Lösemittels und - als Indikator für die Effizienz der Extraktion beziehungsweise die Anreicherung der extrahierten Wirkstoffe - das Droge-Extraktverhältnis angegeben werden müssen. Extrakte aus der Droge Pfefferminzblätter weisen, je nachdem ob sie mit Wasser, mit Ethanol oder durch Wasserdampfdestillation gewonnen werden, eine sehr unterschiedliche Zusammensetzung auf. Auch werden pro Gramm Droge unterschiedlich viel Extraktstoffe gewonnen. Das ist in DEV ausgedrückt. Dieses Verhältnis ist auf den meisten Phytopharmaka als Spanne angegeben; zum Beispiel Trockenextrakt aus Curcumawurzelstock, (13-25:1). Das heißt, für ein Gramm Trockenextrakt werden 13 bis 25 Gramm Droge verwendet.
Auch wenn die Angabe von Inhaltsstoffgruppen oder Leitsubstanzen auf der Arzneimittelpackung nicht mehr erlaubt ist (11), standardisieren die Hersteller ihre Extrakte doch auf einen bestimmten Gehalt an Wirkstoffen, zum Beispiel hier auf Curcuminoide und ätherisches Öl. Damit ergibt sich die Spanne für die verwendete Drogenmenge. Um zu prüfen, ob die Dosierungsempfehlung der Monographien eingehalten werden, muss aus dem DEV die Masse der verwendeten Droge pro Dosiereinheit berechnet werden. Dabei gilt für feste Arzneiformen:
Flüssige Arzneiformen werden ebenso pro Volumen statt pro Einzeldosis berechnet, wenn sie aufgelösten Trockenextrakt enthalten. "200 mg Trockenextrakt (7:1) pro 100 ml" bedeuten zum Beispiel 14 g Droge pro 100 ml Lösung.
Viele flüssige Arzneiformen werden nicht mit getrockneten Extrakten hergestellt, sondern zum Beispiel mit Fluidextrakten. Auch hier sollte das DEV angegeben sein, zum Beispiel "1 ml Lösung enthält Fluidextrakt aus Artischockenblättern (1:1) 1 ml". Schwieriger wird der Rückschluss auf die verwendete Drogenmenge bei flüssigen Kombinationsarzneimitteln, besonders wenn Tinkturen und Fluidextrakte gemischt verwendet und unterschiedlich deklariert werden. Nur klar und vollständig deklarierte Präparate sollten empfohlen werden.
Mit diesen knappen Richtlinien lassen sich Phytopharmaka in der Praxis schnell einschätzen, soweit es sich um Monopräparate handelt. Monopräparate sind in der Phytotherapie grundsätzlich vorzuziehen (12). Bei Kombinationen, sofern sie nicht von der Kommission E als fixe Kombinationen positiv evaluiert wurden, ist die Sinnhaftigkeit jedes Bestandteils kritisch zu prüfen: Trägt er zur Wirkung bei, ist er in der Dosierung wirksam und sinnvoll (Gegenbeispiel: Geschmackskorrigentien in festen Arzneiformen)? Die Kommission E empfiehlt die Kombination von zwei oder drei Drogen. Daher sind Kombinationspräparate mit vier oder mehr Drogen in der Regel nicht als empfehlenswert einzustufen. Eine Besonderheit von Phytopharmaka besteht darin, dass die Pflanze, Droge oder deren Extrakt den Wirkstoff darstellen und damit schon der Wirkstoff ein Vielstoffgemisch ist.
Eine weitere Besonderheit von Phytopharmaka, die für die Indikation Magen-Darm-Beschwerden angeboten werden, besteht allerdings darin, dass sie häufiger als Präparate mit synthetischen Arzneistoffen als Kombinationsarzneimittel im Markt erscheinen (9). Bei Kombinationen von fünf und mehr verschiedenen Arzneidrogen ist das mit den Grundsätzen einer naturwissenschaftlich orientierten Medizin schwer vereinbar. Hier werden einige oder alle Bestandteile bis zur Unwirksamkeit verdünnt vorliegen.
Schulz und Hänsel mutmaßen, dass bei den vielen ungeradzahligen Kombinationen mit fünf, sieben oder gar neun Bestandteilen, noch die mittelalterliche Zahlenmystik und der "Theriak-Gedanke" (wenn ich nicht weiß, was hilft, nehme ich alles, was ich kenne) eine Rolle spielte, nicht aber rationelle Phytotherapie (3).
Dies schließt nicht aus, dass für bestimmte Kombinationsarzneimittel präparatbezogene klinische Studien vorliegen. Diese müssen aber kritisch gelesen werden. Grobe Mängel im Studiendesign lassen sich schnell erkennen. Randomisierte Patientenauswahl und Doppelblindversuch gegen Placebo sind bei Patienten mit dyspeptischen Beschwerden auf jeden Fall zu fordern, weil die Ansprechrate auf Placebo bei 35 bis 50 Prozent liegt (1). Wenn Experten bei Zulassungsbehörden klinische Studien als aussagekräftig bewerten, so kann das als Maßstab für die positive Einschätzung dienen. Ansonsten ist die vollständige Beurteilung von klinischen Studien eine Aufgabe, die gewöhnlich über das hinaus geht, was Offizinapotheker leisten können. Deswegen sollten bei der aktive Empfehlung in der Praxis gegen dyspeptischen Beschwerden positiv monographierte Drogen und daraus hergestellte, angemessen dosierte Monopräparate oder solche mit fixen Kombinationen von Drogen die erste Wahl sein.
In der Roten Liste finden sich derartige Präparate, leider neben einer großen Zahl weniger empfehlenswerter. In der Gruppen der pflanzlichen Laxantien beispielsweise fand in den letzten Jahren eine erfreuliche Konzentration auf angemessen dosierte und sachgerecht deklarierte Fertigpräparate statt. Statt vielfältiger Drogengemische zur "Darmpflege" oder zur "Blutreinigung" beispielsweise sind die neueren Präparate sachgerecht "zur kurzfristigen Anwendung bei Verstopfung" indiziert. Eine solche Konzentration in der Gruppe der Präparate gegen dyspeptische Beschwerden steht an.
Zum Schluss: Die genannte Auswahlkriterien (siehe Richtlinien im Kasten) sind leicht zu handhaben, bedürfen aber ständiger Aktualisierung. So gilt für Cheledonii herba (Schöllkraut), das von der Kommission E positiv monographiert wurde (13), seit 1998 ein Stufenplanverfahren, weil die enthaltenen Benzylisochinolinalkaloide toxisch sind. Bei mehr als 2,5mg Alkaloiden pro Tagesdosis - das ist weniger als die monographiekonforme Menge von 12 bis 30 mg pro Tag - muss ein Warnhinweis zur möglichen Leberschädigung gegeben werden. Grundsätzlich sollten hoch dosierte Schöllkrautpräparate nicht mehr aktiv empfohlen werden; niedrig dosierte sind wahrscheinlich harmlos und wirkungslos.
Auswahlkriterien für Phytopharmaka bei dyspeptischen Beschwerden1. Zulassungsstatus?
Nach §105 AMG zugelassene Arzneimittel sind erkennbar an der Zulassungsnummer auf der Präparateverpackung, Angaben zu einem klaren Indikationsgebiet (dyspeptische Beschwerden Reizmagen, et cetera ) und dem Hinweis "apothekenpflichtig".
> Empfehlung
wenn nicht zugelassen nach §105
2. Monopräparat: Extrakt oder Zubereitung aus einer Droge?
wenn ja, Positiv-Monographie der Kommission E?
wenn ja, Monographie-konforme Indikation?
wenn ja, vollständige Deklaration des Extrakts, Extraktionsmittel und Droge-Extrakt-Verhältnis?
wenn ja, Deklaration der Extraktmenge pro Arzneiform,
(pro Einzeldosis bei festen Arzneiformen und pro Packung oder Volumen bei flüssigen Arzneiformen)?
Monographie-konforme Einnahme- und Dosierhinweise?
wenn ja
> Empfehlung
wenn nicht zugelassen nach §105 und nicht Monopräparat
3. Kombination von Drogen, die einzeln eine positive Monographie der Kommission E haben?
wenn ja, Zahl der Drogen?
wenn bis zu drei: jede einzelne Droge mit Monographie-konformer Indikation, vollständiger Deklaration des Extrakts (siehe oben) und sinnvoller Dosierung?
> Empfehlung
In jedem Fall: Gibt es neuere Berichte über unerwünschte Wirkungen, Stufenplanverfahren?
wenn ja,
> keine Empfehlung
Bei weiteren Drogen mit toxischen Inhaltsstoffen ist unbedingt die Fachkenntnis von beratenden Apothekern gefragt: Fumaria officinalis (Erdrauch) ist eng verwandt mit Chelidonium majus und wurde von der Kommission E bei dyspeptischen Beschwerden positiv beurteilt (14). Fumariae herba enthält 0,2 bis 1,2 Prozent Protopin-Alkaloide. Besonders Cryptopin ist stark toxisch, aber alle Protopinalkaloide sind schlecht wasserlöslich (15, 16). Die beschriebene geringe Toxizität des Extrakts aus Fumariae herba gilt nur für den wässrigen Auszug (17), wahrscheinlich gehen die Alkaloide kaum in diesen Extrakt über. Handelspräparate, die andere als wässrige Auszüge oder solche aus nicht näher bezeichneten Extraktionsverfahren enthalten, sollten nicht empfohlen werden.
Iberis amara (Bittere Schleifenblume) enthält circa 0,2 mg Cucurbitacine pro Gramm Frischmasse im Kraut, die bitter schmecken. Alle Vertreter dieser umfangreichen Gruppe von tetracyclischen Triterpenen gelten als stark toxisch. Ihre hohe Cytotoxizität und ihre alkylierenden Eigenschaften geben neuerdings Anlass zu Untersuchungen der Cucurbitacine gegen Tumorzelllinien (16, 17). Möglicherweise sind entsprechend verdünnte Extrakte harmlos, aber sie sollten vorsichtshalber zurückhaltend empfohlen werden und wegen der Cytotoxizität keineswegs in der Schwangerschaft angewendet werden.
Das Kava-Kava-Rhizoma (Piper methysticum) kann ebenfalls die Leber schädigen. Derzeit läuft bereits ein Stufenplanverfahren. Kava-Kava ist nach seinem Anwendungsgebiet "Nervöse Angst- und Spannungszustände" in Präparaten gegen dyspeptische Beschwerden nicht indiziert, findet sich aber dennoch in Arzneimitteln mit diesem Indikationsgebiet.
Andererseits unternehmen einige Pharmazeutische Unternehmer Anstrengungen, ihre Präparate ausführlich pharmakologische und klinisch testen zulassen, auch die Ergebnisse dieser Studien sollten berücksichtigt werden.
Danksagung
Ich bedanke mich bei Herrn Professor Dr. Volker Fintelmann für zahlreiche Erläuterungen und Diskussion sowie für die Überlassung des Buchkapitels "Dyspeptische Beschwerden" vor der Drucklegung.
Literatur
© 2002 GOVI-Verlag
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