Dichtung und Wahrheit |
05.03.2001 00:00 Uhr |
Die Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt hat wenige Tage nach ihrer Amtseinführung die Beibehaltung des Arzneimittelbudgets infrage gestellt. Sie hat aber auch keinen Zweifel daran gelassen, dass durch begleitende Maßnahmen Sorge dafür getragen werden muss, dass bei Umstellung auf ein Richtgrößensystem die Arzneimittelkosten nicht aus dem Ruder laufen. Prompt ergibt sich ein Trommelfeuer von Vorschlägen und Forderungen zur Senkung der vermeintlich explodierenden Arzneimittelkosten, die alle mehr oder minder im Apothekenbereich ansetzen, da angeblich die Distributionskosten mit 40 bis 50 Prozent maßgeblich für die hohen Arzneimittelkosten verantwortlich sein sollen.
So wird unter anderem gefordert, den Kassenabschlag, gestaffelt nach Umsatzgröße der Apotheken, zu erhöhen, die Margen der Arzneimittelpreisverordnung insbesondere bei hochpreisigen Arzneimitteln zu kürzen sowie die angeblich preisgünstigere Versorgung durch den Versand-/Internethandel beziehungsweise die Einbindung von Krankenhausapotheken in den ambulanten Bereich zur "Förderung des Wettbewerbs" zuzulassen. Dies würde die Abschaffung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes sowie des einheitlichen Apothekenabgabepreises durch die Hintertür bedeuten.
All den "Sparvorschlägen" liegt offensichtlich die Vorstellung zu Grunde, dass Mehrausgaben der GKV für Arzneimittel direkt proportional zu den Apothekengewinnen verlaufen, die es folglich zu kürzen gilt, damit die GKV finanzierbar bleibt. Um entsprechende Kürzungsmaßnahmen politisch durchzusetzen, scheut man sich nicht, auch wider besseren Wissens Zahlen in die Welt zu setzen, die bar jeder Redlichkeit liegen.
Richtig ist vielmehr, dass das GKV-Verordnungsvolumen seit 1992 etwa 2,5-fach schneller gestiegen ist als der Apothekenrohertrag. So sind im Jahr 2000 die GKV-Ausgaben durch Erhöhung der Mehrwertsteuer 1998 sowie die Absenkung der Patientenzuzahlung um circa 1,8 Milliarden DM angestiegen, ohne dass der Apothekenrohertrag auch nur um einen Pfennig dadurch zugelegt hätte. Der durchschnittliche GKV-Packungspreis stieg seit 1992 um 50 Prozent, während der Rohertrag nur um 20 Prozent zunahm. Der Kassenabschlag auf den Apothekenabgabepreis beträgt zwar nur 5 Prozent, auf den Apothekenrohertrag bezogen beträgt er jedoch 18,3 Prozent , im Preisbereich oberhalb von 100 DM sogar zwischen 22 und 32 Prozent. Die Vertriebskosten betragen nicht 40 bis 50 Prozent sondern etwa 28,5 Prozent (Apotheken- und Großhandelsmarge), im Preisbereich oberhalb von 100 DM sogar nur zwischen 24,2 und 18,7 Prozent!
Die durchschnittlichen deutschen Arzneimittelvertriebskosten rangieren im EU-Vergleich im unteren Drittel. Dennoch reizen die Struktur der Arzneimittelpreisverordnung sowie die unterschiedlichen Herstellerabgabepreise in den einzelnen EU-Ländern zur Rosinenpickerei gekoppelt mit Arbitragegeschäften. Bevor der Gesetzgeber fremden Mitessern den deutschen Arzneimittelmarkt auftischt, sollte er daher prüfen, ob die Vorschläge der Apotheker unter dem Motto "Bessere Therapie für das gleiche Geld" nicht doch die bessere Lösung sind. Die Apotheker stehen für entsprechende Gespräche bereit.
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