Neue Waffen gegen Influenza-Viren |
01.03.1999 00:00 Uhr |
NEURAMINIDASEHEMMER
In jedem Winter werden Menschen von Influenza-Infektionen geplagt, die sich als Grippe-Epidemien ausbreiten können. Experten empfehlen insbesondere älteren Menschen und chronisch Kranken, die Prophylaxe mittels einer Grippe-Impfung. Die Neuraminidase-Hemmer, eine neue Gruppe von prophylaktisch wirksamen Arzneistoffen, können die Verbreitung einer Influenza-Infektion im Körper verhindern. Der erste Vertreter dieser Gruppe, Zanamivir, soll Ende 1999 in Deutschland auf den Markt kommen.
Die Antigenität der Grippeviren (Influenza-Virus A, B und C) wird in erster Linie durch die Oberflächenproteine Hämagglutinin und Neuraminidase bestimmt. Deshalb ist die Gabe von Antikörpern gegen diese Antigene in Form eines Impfstoffes als Prophylaxe gegen eine Influenza-Infektion sinnvoll.
Die Schwierigkeiten eines solchen Grippeschutzes bestehen aber darin, daß bei den Typ-A-Viren 14 verschiedene Subtypen des Hämagglutinins und neun Subtypen der Neuraminidase bekannt sind. Daraus resultiert eine große Vielfalt von Kombinationen dieser beiden Oberflächenantigene. Eine neue Kombination, ein sogenannter Antigen-Shift, kann dann entstehen, wenn in einer Tierart verschiedene Influenzaviren zusammentreffen und sich in derselben Zelle vermehren.
Gegen diese neue Kombination kann ein Impfstoff, der die Antigenität der letzten Jahre abdeckt, nicht wirksam sein. Dazu kommen Punktmutationen auf dem Hämagglutinin und der Neuraminidase, sogenannte Antigen-Drifts. Dabei bleiben zwar die Antigentypen erhalten, die mit dem entsprechenden Impfstoff behandelten Menschen besitzen aber nur noch eine Teilimmunität gegenüber diesen Antigenen.
Da inzwischen die Funktionen der Oberflächenantigene für die Ausbreitung der Viren bekannt und auch deren Strukturen aufgeklärt wurden, setzt man jetzt große Hoffnungen darauf, die Funktionen der Oberflächenantigene zu beeinflussen. Davon erhoffen sich Forscher einen Fortschritt sowohl für die Prophylaxe als auch die Therapie der Grippe.
In den 80er Jahren entwickelten australische Forscher auf der Basis der vorhandenen Kenntnisse neue Hemmer gegen das Enzym Neuraminidase. Der erste Vertreter dieser Gruppe, Zanamivir (vorgesehenes Warenzeichen Relenza® von Glaxo Wellcome), soll Ende 1999 in Deutschland zur Verfügung stehen.
Wirkungsmechnismus der Neuraminidasehemmer
Das Hämagglutinin befähigt die Influenza-Viren die Zellen des Respirationstraktes zu erkennen und bindet über die Sialinsäure, auch Neuraminsäure genannt, an die humanen Zellen. Das angedockte Virus wird in Form eines Endosoms in die Wirtszelle aufgenommen und kann sich dort vermehren. Das neu entstandene Virus wird wie eine Knospe von der Wirtzelle nach außen abgeteilt, bleibt aber über die Sialinsäure an der Wirtszelle zunächst gebunden.
Hier werden die virusspezifischen Neuraminidasen aktiv, die die Spaltung der Sialinsäure katalysieren. Erst dann wird das neue Virus für andere Zellen infektiös und die Influenza-Infektion breitet sich im Körper aus. Die Neuraminidasehemmer sollen diesen Prozeß blockieren.
Wie die Sialinsäure enthält das Zanamivir eine Carboxylatgruppe, die an den positiv geladenen Aminosäuren (Arg 118, Arg 292, Arg 371) des aktiven Zentrums der Neuraminidase binden kann. Die in 4-Stellung vorhandene Guanidingruppe bindet offensichtlich im aktiven Zentrum an zwei Glutamat-Molekülen (Glu 119, Glu 227), wodurch das aktive Zentrum der Neuraminidase erst effektiv gehemmt wird. Zanamivir zeigt Virusspezifität, denn verwandte Enzyme in Bakterien und Säugetieren werden nicht beeinflußt.
Zanamivir wird über einen Inhaler verabreicht. Damit soll gesichert werden, daß der Wirkstoff direkt auf die Oberfläche des Respirationstraktes, dem eigentlichen Sitz des Grippevirus-Infektes beim Menschen, gelangt. Die präklinisch nachgewiesene Wirksamkeit von Zanamivir konnte inzwischen in zwei klinischen Untersuchungen nach inhalativer Anwendung an insgesamt 811 Patienten bestätigt werden (siehe auch PZ 51/52/98 auf Seite 44).
Neben der inhalativen Applikation kann Zanamivir auch intranasal zugeführt werden. Die Ergebnisse der Studien zeigen, daß die Patienten der Zanamivir-Gruppe zweieinhalb bis drei Tage schneller symptomfrei waren als die der Placebogruppe. Außerdem traten weniger Komplikationen auf und es mußten seltener zusätzlich Antibiotika verabreicht werden.
© 1999 GOVI-Verlag
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