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Die Lebensqualität stärken

17.02.2003  00:00 Uhr
Leben mit Krebs

Die Lebensqualität stärken

von Barbara Riess, Freiburg

Das Thema Lebensqualität muss in der Therapie von Krebspatienten deutlich stärker berücksichtigt werden. Eine Neubesinnung ist hier dringend erforderlich, mahnt Professor Dr. Clemens Unger, Ärztlicher Direktor der Klinik für Tumorbiologie Freiburg.

„Insbesondere die Angemessenheit von Therapien sowie die stärkere Einbeziehung des Patienten in die therapeutischen Entscheidungsprozesse dürfen nicht länger vernachlässigt werden“, fordert Unger. Bei einem Symposium zum Thema „Leben mit Krebs“ stellten Ärzte der Freiburger Klinik verschiedene Aspekte der unterstützenden Therapien vor, die an dieser Klinik angeboten werden. Ziel dieser Supportivtherapien ist eine Verbesserung der Lebensqualität.

An Krebs zu erkranken, ist für den Betroffenen eine Existenz erschütternde Lebenserfahrung. Die damit verbundene Hilflosigkeit und der Orientierungsverlust führen häufig dazu, dass sowohl der Patient als auch seine Angehörigen Leiden und Tod vor Augen haben. Dies um so mehr, als nach wie vor nur die Hälfte der Patienten geheilt werden kann.

Patienten einbeziehen

Die Mittel, die gegen die Krebserkrankung eingesetzt werden, gehören auch heute noch zu den aggressivsten Therapieformen in der Medizin. „Selbstverständlich müssen in der Krebsforschung weiterhin intensive Anstrengungen zur Verbesserung der Prognose unternommen werden. Unabhängig davon empfinden wir jedoch auch den Widerspruch zwischen den in den letzten Jahren teilweise enthusiastisch propagierten Fortschritten, zum Beispiel durch Gentherapien oder Hochdosistherapien, und der tatsächlichen Überlebenserwartung der Patienten“, sagte Unger.

Die Patienten seien heute selbstbewusster, artikulieren sich stärker und hinterfragen kritischer die Nutzen-Risiko-Einschätzung des therapeutischen Vorgehens. In dieser Situation müssen sich die Mediziner bezüglich der Angemessenheit ihrer Therapieentscheidungen neu besinnen und die Patienten stärker in diese Entscheidung mit einbeziehen.

Umfassende Orientierung nötig

„Der Anspruch des Patienten an die Medizin geht weit über die Verabreichung eines Medikaments hinaus. Er will eine umfassende Orientierung“, betonte der Arzt. „Nicht nur die Krankheit im Menschen, sondern auch der Mensch in der Krankheit muss endlich mehr Berücksichtigung finden.“ Als Beispiele nannte er psychoonkologische Ansätze zur Verbesserung der Krankheitsverarbeitung, Schmerztherapien, Ernährungsberatung sowie Orientierungshilfen im Gebrauch unkonventioneller Mittel wie Mistel, Enzyme und Vitamine.

„Die Verträglichkeit und Akzeptanz von Krebstherapien wurde in den letzten Jahren durch den Einsatz von so genannten supportiven Therapien deutlich verbessert,“ erklärte Unger. Zu diesen unterstützenden Therapien gehören beispielsweise die hämatopoetischen Wachstumsfaktoren - Erythropoetin zur Stimulation der roten Zellen, G-CSF und GM-CSF zur Stimulation der Leukozyten -, die die toxische Wirkung von Zytostatika auf die Blutbildung im Knochenmark abmildern.

Übelkeit und Erbrechen können durch Antiemetika erfolgreich bekämpft werden. Bisphosphonate, peroral gegeben oder durch Infusionen appliziert, bremsen oder verhindern die Metastasierung von Krebs in die Knochen.

Bedarfsgerechte Ernährung

Ein wichtiger Punkt, sowohl nach als auch während der Krebserkrankung, ist die Ernährung. „Die beste Krebsprävention ist eine abwechslungsreiche, vielseitige, möglichst frische und schonend zubereitete Kost mit reichlich pflanzlichen Produkten wie Gemüse, Obst und Hülsenfrüchten“, sagte Ernährungsmediziner Dr. Jan Arends. Fisch sollte häufiger, Fleisch seltener genossen werden. Nikotin sei gänzlich zu meiden; statt blauem Dunst empfiehlt Arends mehr Bewegung an der frischen Luft.

Bei einer aktiven Krebserkrankung leiden die Patienten oft unter starkem Gewichtsverlust. Deshalb sei eine bedarfsgerechte Energie- und Nährstoffaufnahme unbedingt zu sichern. Psychische Belastungen, Schmerzen, Tumor- und Therapie-bedingte Appetitlosigkeit sowie Störungen des Verdauungstraktes führten häufig zu schleichendem Gewichtsverlust. Aus ernährungsmedizinischer Sicht ist hier eine leichte, gut verträgliche, schmackhafte und Appetit steigernde Kost angezeigt.

Der Vielschichtigkeit der Erkrankung können nur interdisziplinäre Therapieansätze gerecht werden. Dazu gehört eine kompetente Schmerzbehandlung, denn Schmerzen gelten als eine der Hauptursachen für Ängste im Zusammenhang mit einer Krebserkrankung. „Es stehen heute zahlreiche Medikamente zur Verfügung, um Schmerzen auf ein erträgliches Maß zu reduzieren“, betonte Freiherr Dr. Wilhelm von Hornstein, Leiter der Abteilung Schmerztherapie. „Der Schmerz als subjektive Wahrnehmung betrifft den Menschen in seiner Gesamtheit, in seiner körperlichen, psychischen, sozialen und spirituellen Dimension. Darauf ist in der Therapie Rücksicht zu nehmen.“ In diesem Sinne arbeite die Schmerztherapie Hand in Hand mit der Psychoonkologie.

Die Krankheit ins Leben integrieren

Angststörungen, Depression, akute Belastungsreaktionen und Anpassungsstörungen: Dies sind die häufigsten psychischen Beeinträchtigungen, an denen Krebspatienten leiden. Professor Dr. Joachim Weis, der die psychoonkologische Abteilung leitet, skizzierte das Spektrum der psychologischen Behandlungsziele.

Wichtig für eine gute Bewältigung seien Informationen und Wissen über die Krankheit, ein tragfähiges Netz von Beziehungen und sozialer Unterstützung, die Bereitschaft und Fähigkeit, die Krankheit in das eigene Leben integrieren und Hilfen annehmen zu können. Ebenso wichtig sei es, die gesunden Anteile zu fördern und zu stärken und dem Patienten zu vermitteln, dass der Prozess der Krankheitsverarbeitung Zeit braucht.

Komplementäre Angebote nutzen zu können, betrachten viele Patienten als Gewinn an Lebensqualität. Dazu gehören auch die unkonventionellen Mittel in der Krebstherapie (UMK) wie Antioxidantien (Vitamin A, C, E), Spurenelemente (Selen, Zink), pflanzliche Stoffe (Echinacea, Mistel, Grüner Tee), Enzyme und Thymusextrakte. „Wichtig ist festzustellen, dass diese Verfahren bislang keine klinisch bewiesene, direkte antitumorale Wirkung haben“, betont Oberarzt Dr. Marc Azemar. Es gehöre jedoch zur wissenschaftlichen Ehrlichkeit, zu beobachten, dass eine indirekte antitumorale Wirkung nicht ausgeschlossen sei.

„Auf dieser Grundlage erscheint es unter bestimmten Bedingungen sinnvoll, solche Verfahren bei der Behandlung von Krebspatienten einzusetzen. Selbst wenn es bislang keine klinischen Beweise für die direkte antitumorale Wirksamkeit vieler UMK gibt, berichten viele Patienten über Linderung von Symptomen und verbesserte Lebensqualität“, so Azemar aus seiner Erfahrung. Top

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