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Bundesrat für Positivliste und Parallelimporte

08.02.1999  00:00 Uhr

-Politik

Bundesrat für Positivliste und Parallelimporte

von Karl H. Brückner, Bonn

Der Bundesrat hat sich gegen eine Ausweitung des elektronischen Arzneimittelhandels und eine Lockerung der heilmittelwerberechtlichen Bestimmungen ausgesprochen. Auf heftigen Widerspruch der Pharmaindustrie ist aber die Stellungnahme zu anderen Elementen künftiger Arzneimittelpolitik gestoßen: Die Länderkammer appellierte am vergangenen Freitag auch an die Bundesregierung, eine Positivliste einzuführen, Parallelimporte zu fördern und die Zulassung von Generika zu beschleunigen.

Darüber hinaus müsse sichergestellt werden, daß "sich baldmöglichst nur noch Arzneimittel mit nachgewiesener therapeutischer Wirksamkeit" auf dem deutschen Markt befänden. Weiter sprach sich der Bundesrat für eine Prüfung aus, ob direkte Preisverhandlungen zwischen Industrie und Kassen "marktgerechte Arzneimittelpreise fördern können". Anlaß der Stellungnahme war eine Mitteilung der Europäischen Kommission zur Entwicklung des Binnenmarktes für Arzneimittel in der Europäischen Union (EU).

Der mittelständisch orientierte Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) in Frankfurt am Main und der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) in Bonn reagierten auf den Forderungskatalog der Länder gereizt. Statt sich für mehr Wettbewerb auszusprechen, setze der Bundesrat auf staatliche Lenkung, stellten die Verbände fest. Das belaste nicht nur den Pharmastandort Deutschland, sondern auch die bevorstehenden Gespräche über die Gesundheitsreform 2000.

Der BPI-Vorsitzende Professor Dr. Hans Rüdiger Vogel wandte sich in einem Brief direkt an Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), der im nächsten Halbjahr Ratspräsident der EU ist. Vogel mahnt "eine umfassende Deregulierung" des europäischen Pharmamarktes an. Entsprechende Aktivitäten der EU-Kommission solle der Bundeskanzler unterstützen. Durch eine marktwirtschaftliche Preisbildung könnten möglicherweise die gleichen Einspareffekte erreicht werden, wie sie derzeit mit direkten Preiskontrollen, Festbeträgen und ähnlichen schwerwiegenden Eingriffen bei der Preisbildung zu erreichen versucht würden, gibt der BPI-Vorsitzende zu bedenken. "Wir sind sicher", so Vogel an Schröder weiter, "daß die Innovationskraft der deutschen wie auch der europäischen pharmazeutischen Industrie durch solche deregulierenden Maßnahmen längerfristig gestärkt werden könnte."

Die Länderkammer habe mit ihrer Stellungnahme "dem Wirtschafts- und Technologiestandort Deutschland einen Bärendienst erwiesen", erklärte der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) in Bonn. "Mit dieser Parteinahme konterkariert der Bundesrat die positiven Signale der letzten Jahre", sagte VFA-Hauptgeschäftsführerin Cornelia Yzer in Bonn.

Yzer wies darauf hin, daß Parallelimporte Folge von unterschiedlichen Arzneipreis-Reglementierungen in Europa seien, die zu Wettbewerbsverzerrungen führten. Das Votum für mehr Parallelimporte sei um so unverständlicher, als der Bundesrat mit Stimmen SPD-regierter Länder erst 1996 die Abschaffung der Importförderklausel im Sozialgesetzbuch (SGB) V beschlossen habe. Dabei handele es sich nicht um ein Randproblem: Allein in den ersten neun Monaten 1998 sei der Umsatz mit re- und parallelimportierten Medikamenten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um über 17 Prozent gestiegen.

Auch der Ruf nach Förderung von Generika ist nach Einschätzung des VFA ein falsches Signal. "Eine einseitige Förderung von Generika - sei es bei der Zulassung, sei es bei der Verschreibung - wendet sich gegen Innovationen und damit auch gegen den therapeutischen Fortschritt", erläuterte Yzer.

Insgesamt belaste das Votum der Länderkammer den Dialog der Bundesregierung mit der Pharmaindustrie über die angekündigte Strukturreform im Gesundheitswesen, erklärte die VFA-Hauptgeschäftsführerin weiter. "Wir hatten bisher den Eindruck", so Yzer, "daß eine Strukturierung des Arzneimittelmarktes von Bundesregierung und Koalition der Qualitätssicherung dienen sollte. Hierzu haben wir unsere Dialogbereitschaft signalisiert". Wenn es aber "um reine Kostendämpfung geht, ist das mit uns nicht zu machen", so Yzer. Top

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