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Die grüne Zukunft des Gesundheitssystems

08.02.1999  00:00 Uhr

-PolitikGovi-Verlag

POSITIONSPAPIER

Die grüne Zukunft
des Gesundheitssystems

von Rainer Vollmer, Bonn

Neben dem Koalitionspartner SPD hat auch die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen ein Papier über die Zukunft des Gesundheitswesens erstellt. Autorin ist die neue gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion, Katrin Göring-Eckardt. Ihr Credo: Mehr Patientenschutz und aktive Beteiligung des Bürgers an der Gestaltung des Gesundheitswesens bis hin zur "integrierten Positivliste".

Nach Ansicht der Grünen-Sprecherin ist das deutsche Gesundheitswesen weiterhin gekennzeichnet von Versorgungsdefiziten. Die einzelnen Bereiche im Gesundheitssystem würden strikt voneinander abgeschottet arbeiten. Die Folge seien Mehrfachdiagnosen, unnötige Behandlungen und überflüssige Verabreichung von Medikamenten. Überkapazitäten in allen Bereichen des Systems würden kaum noch bestritten, das Erbringen von Leistungen richte sich nach der Fülle der Angebote und nicht nach den tatsächlichen Bedürfnissen.

Dennoch gebe es ein zunehmendes Bedürfnis nach größerer Eigenverantwortung und Selbstbestimmung, manifestiert Katrin Göring-Eckardt. Zu einer Ausweitung der Rechte von Patientinnen und Patienten müsse sich also eine Gesundheitsförderung und -pädagogik gesellen, die Selbstbestimmung und Eigenverantwortung unterstützen. Zugleich sei ein hohes Maß an Transparenz notwendig, die Alternativen deutlich mache und mögliche Konsequenzen einbeziehe.

Göring-Eckardt: „Die im Koalitionsvertrag festgelegten Strukturveränderungsinstrumente sind auf dem Weg zu einer ganzheitlichen, sektorenübergreifenden und qualitätsorientierten Versorgung in einem solidarischen System, das Eigenverantwortung stärkt und patientenorientiertes Handeln unterstützt, ein erster und wichtiger Schritt."

Sie fordert, in einem breiten öffentlichen Dialog Konzepte zu entwickeln, die weit darüber hinausgehen und nicht auf Legislaturperioden beschränkt sind. Eine grundlegende Reform setze eine breite gesellschaftliche Diskussion mit allen Beteiligten voraus.

Für den ersten Reformschritt ständen drei wesentliche Komplexe an:

Versicherte und Patienten sollen zu Akteuren werden

Neben einer höheren Transparenz und einem Vergütungssystem, das patientenorientierte Leistung belohnt, braucht es Instrumente des Verbraucherschutzes, Beratungsangebote und gesundheitsfördernde wie pädagogische Maßnahmen für Kinder und Erwachsene.

Bei der zum 1. Januar 2000 geplanten Strukturreform werden die Fragen der Patientenrechte und der Patientenorientierung im Sinne eines Querschnittsanliegens alle Einzelveränderungen durchdringen. Darüber hinaus soll es aber in einem eigenen Gesetz eine Zusammenfassung, Erweiterung und Neudefinition der Patientenrechte geben. Dazu gehören umfassende Eingriffsmöglichkeiten bei Behandlungsfehlern oder Fehlverhalten der Kassen sowie Angebote von Verbraucherschutz, Beratung sowie eine Stärkung der Selbsthilfe.

Modernisierung für mehr Qualität und Wirtschaftlichkeit

Die strikte Abschottung der Sektoren im Gesundheitswesen hat zu immensen Fehlentwicklungen geführt. Eine weitgehende Verzahnung und Öffnung der Bereiche ist das Ziel einer umfassenden Reform. Hierzu sind wettbewerbliche Elemente, die der Erhöhung der Qualität dienen, gewollt. Mit Behandlungsleitlinien und einer am neuesten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis orientierten Evidenz-basierten Medizin sind Rahmen gesetzt, die eine qualitativ hochwertige Versorgung sichern. Innerhalb eines Globalbudgets setzen wir einerseits eine Obergrenze für zu erbringende Ausgaben, andererseits ermöglichen wir eine weitgehende Verzahnung der Bereiche. Das gilt auch für schon bestehende Alternativen wie vernetzte Praxen und Gesundheitszentren. Besonders soll es aber auch weitere Modelle und Initiativen ermöglichen, neue Wege einer integrierten Versorgung zu gehen. Patienten sollen durch Versorgungsketten geleitet werden, die ihren Bedürfnissen, den medizinischen Notwendigkeiten und langfristiger Gesundheitsvorsorge dienen.

Hierzu bedarf es unter anderem einer Stärkung der Koordinationsfunktion der Hausärzte und einer Neuorientierung ärztlicher Vergütung insgesamt. Diese soll sich an dem Prinzip "Geld folgt Leistung" orientieren und Kooperationen zwischen den Sektoren fördern.

Zur Sicherung der Qualität bei der Versorgung mit Arzneimitteln wird eine Positivliste Schutz und Sicherheit bieten. Hierbei soll eine qualitätsorientierte Dreiteilung vorgenommen werden: Arzneimittel, die notwendig, die für gezielte Indikation geeignet und deren Verordnung wegen Risiken oder zweifelhafter Wirkung wenig sinnvoll sind. Die Wirksamkeitskriterien, die zu erstellen sind, sollen sich auf Mittel der Naturheilkunde wie auf chemische Präparate gleichermaßen beziehen, so daß eine integrierte Positivliste entsteht.

Die duale Finanzierung im Krankenhausbereich hat nicht nur zu Überkapazitäten geführt, sondern auch zu eher fragwürdigen Neubauten im Sinne von Denkmälern für Landräte. Mit Einführung einer monistischen Finanzierung und Planung, an der Land und Kassen beteiligt sind, wird es in einem ersten Schritt zu einer bedarfsgerechteren Planung kommen, auch hier darf die Öffnung für Modelle kombinierter ambulant-stationärer Versorgung nicht unbeachtet bleiben.

Beitragssatzstabilität sichern

Durch bessere Kooperation der Leistungserbringer werden erhebliche Wirtschaftlichkeitsreserven und Einsparmöglichkeiten erschlossen. Die Verhinderung von Doppeluntersuchungen, die Etablierung der Qualitätssicherung durch Behandlungsleitlinien und eine patientenorientierte Versorgung ergeben sich neue Gestaltungsmöglichkeiten auch im gegebenen Finanzrahmen.Top

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