Politik
Jahrzehntelang hat sich die pharmazeutische Industrie über schlechte Rahmenbedigungen für gentechnische Forschung und Produktion in Deutschland beklagt. Nach der Novellierung des Gentechnikgesetzes 1993 sind die Voraussetzungen deutlich besser geworden. Trotzdem ist die Biotechnik in Deutschland noch kein Selbstläufer.
Die Novelle des Gentechnikgesetzes habe die Trendwende für die Biotechnik in Deutschland eingeleitet, sagte Professor Dr. Peter Stadler, Leiter des Bereiches Pharma Biotechnologie bei Bayer in Wuppertal, auf einer Euroforum-Konferenz in Frankfurt. Haupthemmnis des alten Gesetzes war das umständliche Genehmigungsverfahren mit unabsehbarem Ausgang. In der "entrümpelten" Neufassung sei das Genehmigungsverfahren auf drei Monate begrenzt, so Stadler. "Wir haben heute ein Gentechnikgesetz, über das sich niemand mehr ernsthaft beschweren kann."
Doch bessere gesetzliche Rahmenbedingungen reichen nicht aus, um Deutschland zu einem führenden Biotechnikstandort zu machen. Stadler: "In Deutschland fehlt die nötige Infrastruktur für Innovationen auf diesem Gebiet." Alle großen Pharmaunternehmen haben Forschung und Produktion außerhalb von Deutschland; kleine, junge Unternehmen, wie in den USA, gibt es bei uns auch nicht. Gerade die würden jedoch dringend benötigt, so Stadler. Er wünscht sich eine gezielte Förderung von Unternehmensneugründungen. Mitarbeiter an den Universitäten müßten die Möglichkeit haben, ihre Forschungsergebnisse selbst zu vermarkten. In den USA seien diese Firmen die Triebfeder für die Expansion der Biotechnik gewesen.
BioRegio-Programm war voller Erfolg
Um die strukturellen Schwierigkeiten zu beseitigen, hat das Bundesforschungsministerium im Oktober 1995 das BioRegio-Programm ins Leben gerufen. In einem Wettbewerb sollten Behörden, Industrie und Forschungseinrichtungen gemeinsam Konzepte zum Aufbau einer biotechnischen Forschung und Produktion entwickeln. Die drei besten Regionen (Rheinland, München und Rhein-Neckar) wurden im vergangenen Jahr ausgezeichnet und sollen bis 2001 verstärkt gefördert werden.
Nach Einschätzung von Dr. Dieter Jahn, Abteilungsleiter Forschungsplanung bei BASF in Ludwigshafen, war das Programm ein voller Erfolg. Sein Unternehmen hat sich in der Region Rhein-Neckar am Wettbewerb beteiligt. Insgesamt seien hier rund 180 Projekte geplant worden, von denen etwa ein Drittel nach Einschätzung der Projektteilnehmer marktfähig sei.
Aus Sicht des Bundesforschungsministeriums wird der Aufbau einer biotechnischen Industrie in Deutschland noch durch Innovationshemmnisse erschwert. In Deutschland würden zu wenige Patente beantragt, so Minsterialdirigent Dr. Knut Bauer. Mitarbeiter von Universitäten seien oft nicht an der Patentierung und Vermarktung ihrer Forschungsergebnisse interessiert. Mit einer Patentinitiative will sich das Ministerium deshalb gezielt an Erfinder innerhalb und außerhalb der Hochschule wenden und sie beim Patentierungsverfahren unterstützen.
Außerdem mangele es in Deutschland an echtem Risikokapital, sagte Bauer weiter. 88 Prozent des deutschen Venture Kapitals würden in traditionelle Industrien mit geringem Risiko investiert. Diesen Mißstand will die Bundesregierung jetzt mit einem Beteiligungs- und Darlehensprogramm mindern. Bis zum Jahr 2000 sollen 900 Millionen DM Beteiligungskapital in Deutschland mobilisiert werden.
Das Ziel von Forschungsminister Dr. Jürgen Rüttgers, Deutschland bis zum Jahr 2000 zum größten Biotechnikstandort in Europa zu machen, hält Bauer für realisierbar. Es komme jedoch weniger darauf an, wann dieses Ziel erreicht werde, wichtiger sei, daß es mittlerweile einen weitgehenden Konsens darüber gebe, dieses Vorhaben anzugehen.
PZ-Artikel von Daniel Rücker, Frankfurt © 1996 GOVI-Verlag
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