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Mukoviszidose: keine Heilung, aber längeres Überleben

03.02.1997  00:00 Uhr

-Pharmazie

  Govi-Verlag

Mukoviszidose: keine Heilung,
aber längeres Überleben

Pharmacon Davos

  "Die Krankheit gibt es schon viel länger, als wir sie in Lehrbüchern finden", betonte Professor Dr. Ulrich Wahn, Kinderklinik der Freien Universität Berlin, auf dem Pharmacon der Bundesapothekerkammer in Davos. Bereits im vergangenen Jahrhundert hätten Hebammen gewußt, daß Neugeborene, deren Haut einen salzigen Geschmack hatte, nicht alt werden würden. Tatsächlich starben früher 60 bis 80 Prozent dieser Kinder in den ersten zwei Lebensjahren an der Erkrankung, die damals noch keinen Namen hatte und deren Ursache man nicht kannte.

Heute heißt sie Mukoviszidose, cystische Fibrose oder "Krankheit des zähen Schleims". Sie ist rezessiv vererbbar und geht auf einen Gendefekt auf dem langen Arm des 7. Chromsoms zurück; es gibt Therapiemöglichkeiten und die Patienten erreichen durchschnittlich das 20. bis 30. Lebensjahr. Aber: Heilung ist auch heute noch nicht möglich. Rund jeder 25. ist Träger des defekten Gens, erklärte Wahn. Man kennt inzwischen rund 300 Mutationen, die das Genprodukt des defekten Gens betreffen. Am häufigsten: Delta F 507, eine Punktmutation der 507. Aminosäure, die sich bei fast drei Viertel der deutschen CF-Patienten nachweisen läßt. Infolge des Gendefekts kommt es zur Funktionsbeeinträchtigung eines Proteins, das für den Chloridtransport in den Zellmembranen von Epithelzellen unter anderem im Respirationstrakt, in der Bauchspeicheldrüse und den Schweißdrüsen zuständig ist.

Leitsymptom ist laut Wahn die exokrine Pankreasinsuffizienz mit Maldigestion. Resultat: Untergewicht und Wachstumsverzögerungen der Kinder und übelriechende Fettstühle. Die Atemwege von CF-Patienten sind mit zähem Schleim verstopft - pro Tag werden davon 200 bis 300 ml produziert - und bilden ein optimales Nährmedium für Keime. Wahn: "Die Lebenserwartung der Patienten wird durch die komplizierenden Infektionen der Atemwege bestimmt. Allen voran Pseudomonas aeruginosa."

Die Behandlung der Mukoviszidose hat nach Worten des Pädiaters drei Standbeine: die Ernährungstherapie mit gleichzeitiger Höchstdosis-Supplemetierung von Pankreasfermenten, die Physiotherapie (autogene Drainage) zur Unterstützung der Schleimverflüssigung und die antibiotische Behandlung (3.-Generations-Cephalosporine) der Atemwegsinfektionen. Einen hohen Stellenwert räumt Wahn der Ernährungstherapie ein. Infolge der Malabsorption und des erhöhten Energieverbrauchs bei CF-Patienten bestehe ein rund 50 Prozent höherer Nährstoffbedarf als bei gesunden Gleichaltrigen. Aufgrund der chronischen Appetitlosigkeit bei Mukovsizidose-Kindern sei der Bedarf durch normale Nährstoffzufuhr kaum zu decken; daher: zusätzlich hochkalorische Sondennahrung (auch nachts).

Ein weiterer Bestandteil der Dauertherapie sind laut Wahn sekretolytische Substanzen wie Acetycystein oder ß-Sympathomimetika. Zu den neueren, zum Teil noch nicht evaluierten Therapieansätzen gehöre der Einsatz von Antiprotease, von antiinflammatorischen Wirkstoffen oder von rekombinanter DNAse. Letztere bewirkt durch Verflüssigung des zähen Bronchialsekrets eine Besserung der Lungenfunktion um 5 bis 10 Prozent. Die jährlichen Kosten betragen allerdings 20000 DM.

"Das lebenlimitierende Organ der Mukoviszidosepatienten ist die Lunge", betonte Wahn. Infolge ihrer zunehmenden Fibrosierung im fortschreitenden Verlauf der Erkrankung ende jeder CF-Kranke irgendwann am Sauerstoffgerät, "selbst drei Schritte sind dann zuviel". Die letzte Möglichkeit sei eine Lungentransplantation. Man dürfe jedoch nicht vergessen, daß auch damit keine Heilung erreicht werde, hob er hervor. Denn die anderen von CF betroffenen Organe bleiben weiterhin in ihrer Funktion gestört.

Hoffnung auf eine kausale Behandlung der Mukoviszidose bietet laut Wahn die Gentherapie: Man versucht, über Virusvektoren oder Liposomen den Patienten das gesunde Gen einzuschleusen. "Wenn nur 5 Prozent der Epithelzellen es schaffen, das gesunde Gen zu inkorporieren, ist mit einer normalen Schleimproduktion zu rechnen". Erste Versuche laufen in England und den USA, die Umsetzung ist bisher jedoch schwierig. Bis zu einer Realisierung müsse man mit mindestens noch 6 bis 8 Jahren rechnen, vermutet der Pädiater.

PZ-Artikel von Bettina Schwarz, Davos
   

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