Editorial
von Dr. Hermann Vogel
Präsident der Bayerischen Landesapothekerkammer
"Frei Haus" bekommt die Bevölkerung immer und gebetsmühlenhaft immer wieder über alle Medien als einen Vorschlag oder als Forderung zum Arzneimittelbereich von den Krankenkassen serviert: Versandapotheken seien zu erlauben. Versandapotheken, selbstredend in der Regie der Krankenkassen, würden die Arzneimittel genauso sicher, aber billiger an den Versicherten bringen, sagen sie.
Wie so oft bei Vorschlägen der Krankenkassen wird allein ökonomisch gedacht und werden neue Verbindungswege nicht mit Zahlen belegt, wird in Wirklichkeit nur Rosinenpickerei mit hochpreisigen Arzneimitteln geplant und wird die tatsächliche Mischkalkulation in den Apotheken ignoriert.
Arzneimittel "frei Haus" durch eine entfernte Krankenkassen-Versandapotheke (wer zahlt wohl das Porto?) ist als vermeintliche Kostensenkung sicher ein Trugschluß und ist wegen Umgehung der Apotheke vor Ort grundsätzlich eine Gefährdung der Arzneimittelsicherheit.
Bislang haben wir die Politiker mit besseren Argumenten auf unserer Seite. Persönliche Betreuung, ständige Rückfragemöglichkeit, insbesondere der Grundsatz der (persönlichen) Arzneimittelabgabe in der Apotheke garantieren die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung rund um die Uhr und flächendeckend und damit das erforderliche volle Maß an Arzneimittelsicherheit. Dies sind die besseren Argumente.
Dies ist auch die Rechtslage. Arzneimittelgesetz und Apothekenbetriebsordnung statuieren den Grundsatz der Arzneimittelabgabe in der Apotheke. Die Zustellung durch Boten ist auf den "begründeten Einzelfall" beschränkt. Versand "frei Haus", auch aus der Apotheke heraus, ist wie den Krankenkassen auch den einzelnen Apotheken grundsätzlich verboten. Wer diesen Grundsatz der Apothekenbetriebsordnung verletzt, stellt unser Apothekenwesen in Frage und leistet den Bestrebungen der Krankenkassen Vorschub.
Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer hat mehrfach und öffentlich und in Richtung auf die Krankenkassen geäußert, daß es mit ihm Versandapotheken nicht geben wird. Denn er will die bestehende sichere Arzneimittelversorgung durch den Heilberufler Apotheker nicht zerstören.
Dies sollten die Apotheker selbst auch nicht tun. Bei einigen Kolleginnen und Kollegen ist mehr Sensibilität anzumahnen, wenn sie mit "Zustellung frei Haus" - also in jeder Hinsicht verbotenerweise - werben. Solche falsch verstandenen "Serviceangebote" sind nicht nur unlauterer Wettbewerb, sondern auch politisch höchst unklug.
© 1996 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de