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Ernährung und Prävention: eins oder uneins?

27.01.1997  00:00 Uhr

-Pharmazie

  Govi-Verlag

Ernährung und Prävention: eins oder uneins?

 

Ausreichende Vitaminzufuhr sowie gesunde Ernährungs- und Lebensweise sind für immer mehr Menschen als Prävention wichtig. Ist Prävention gleich Medikation? Das Arzneimittelgesetz (AMG) sagt ja, die Experten jein und die Logik nein. Aus Anlaß des zehnjährigen Jubiläums des Arbeitskreises Ernährungs- und Vitamininformation, besser bekannt als evi, diskutierten Experten unter dem Motto "Lebenslang gesund und fit - Was können Vitamine und Omega-3-Fettsäuren dazu beitragen?" neue wissenschaftliche Erkenntnisse.

Wie Professor Dr. Volker Pudel, Göttingen, aufzeigte, werden die Ernährungsrisiken zwischen Wissenschaftlern und Bevölkerung unterschiedlich gewichtet. Mehr als ein Drittel der Menschen könne die gesundheitliche Bedeutung des eigenen Eßverhaltens nicht richtig einschätzen.

Das könnte auch ein Generationsproblem sein. In einer Untersuchung zu Verbrauchermeinungen und -einstellungen fand Professor Dr. Michael Hamm, Hamburg, daß die Fit-for-Fun-Generation sich schon in jungen Jahren durch besonderen Lebensstil, hohes Gesundheits- und Ernährungsbewußtsein sowie eine generell positive Lebenseinstellung von der Durchschnittsbevölkerung unterscheidet. Diese Gruppe hat auch den Wunsch, Genuß und Gesundheit in Einklang zu bringen, wobei Vitamine und Vitaminpräparate eine bedeutende Rolle spielen.

Zur optimalen Nahrungsversorgung mit Vitaminen gilt in USA die "Five-a-day"-Maxime, das heißt täglich fünf Portionen Gemüse (200 bis 300 g) oder Obst (300 bis 400 g). Diese Größenordnungen sind nicht ohne weiteres zu realisieren, wie Professor Dr. Hans-Konrad Biesalski, Hohenheim, feststellte, so daß Vitaminzusätze beziehungsweise Vitaminsupplemente durchaus einen Stellenwert beim Ausgleich einer zeitweise unzureichenden Zufuhr hätten. Dies sei aber kein Ersatz für eine gesunde Ernährung oder Lebensweise.

Vitamine und Therapie

Zu den harten Indikationen für eine Therapie mit Vitaminen zählt nach Professor Dr. Heinrich Kasper, Würzburg, der vor allem in höherem Lebensalter auftretende Typ II Diabetes mellitus. Nach Kasper deutet viel darauf hin, daß eine erhöhte Zufuhr der antioxidativen Vitamine C und E diabetischen Spätkomplikationen wie Schäden am Gefäßsystem, Augen und Nieren vorbeugen kann.

Ein noch wenig beachteter Risikofaktor bei koronaren Herzkrankheiten (KHK) ist der Homocysteinspiegel. Professor Dr. Klaus Pietrzik, Bonn, konnte in Untersuchungen an Studenten belegen, daß bereits eine mäßige Supplementierung mit den B-Vitaminen Folsäure, B6 (Pyridoxin) und B12 (Cobalamin) den Homocysteinspiegel deutlich senkt. Dies, so Pietrzik, deute darauf hin, daß in den untersuchten Gruppen bereits ein unerkanntes Vitamindefizit vorlag.

Die Wichtigkeit einzelner Nährstoffe zur Vorbeugung von KHK erläuterte Privatdozent Dr. Clemens von Schacky, München, am Beispiel der Omega-3-Fettsäuren. Trotz aller positiven Effekte auf das Herz-Kreislauf-System hätten sich jedoch die großen Hoffnungen zur Prävention und Therapie von Restenosen mit Omega-3-Fettsäuren bisher nicht erfüllt. Allgemeine Supplementierungsempfehlungen, so von Schacky, seien noch verfrüht; als Alternative empfiehlt er zwei Portionen fetten Seefisch pro Woche im Speiseplan.

Prävention oder Medikation

Vitamine sind wichtig bei marginalen Defiziten, die relativ häufig unbemerkt auftreten. Sie besitzen auch Synergiewirkungen, die früher nicht beachtet wurden. Mehrheitlich plädieren die Experten für eine gemischte Anwendung, keine Monotherapie. Zur Supplementierung empfahlen die Referenten besonders Vitamin D (unbedingt bei Senioren), Folsäure, da die Nahrungsquelle Leber entfällt, und für Urlauber als Sonnenschutz orales Beta-Carotin vier Wochen vor Urlaubsbeginn, ergänzt durch adäquaten lokalen Zellschutz.

Als Strategie zur Verbraucherberatung ist es nicht wichtig, den wissenschaftlichen Aspekt oder Basiswissen zu vermitteln. Wichtiger sind Beispiele für gutes Essen und ein Bezug zum Lustgewinn bei der Ernährung. Es bringe nichts, dem Verbraucher fünfmal täglich Obst oder Gemüse zu empfehlen, und wenn dies nicht eingehalten werde, zu sagen: Ihr seid selber schuld. Besonders negativ dabei sei, daß 10 Prozent der deutschen Bevölkerung nie Obst und Gemüse essen.

Prävention ist momentan eine Grauzone zwischen Essen und Medikation. Immer stärker kommt die Verhältnisprävention zum Tragen, also die Anreicherung von Lebensmitteln. Ab 1998 wird zum Beispiel in USA die Nahrungsanreicherung mit Folsäure betrieben. Es wäre voreilig und falsch, diese Art der Prävention von vornherein abzulehnen. Die präventive Supplementierung scheitert, wenn man sie richtig betreiben will, derzeit noch an unserem Arzneimittelgesetz, das Prävention ausnahmslos mit Medikation gleichsetzt. Korrekturen, darüber waren sich alle einig, seien dringend notwendig. Es gelte auch, individuelle Risikofaktoren stärker zu beachten. Frage bleibt nur, wer den Anstoß gibt und wo die Dosisgrenzen liegen sollen. Das Ausland ist uns da bereits um Längen voraus.

PZ-Artikel von Gunther Metz, Bonn

   

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