Drug-Targeting für das Colon |
15.01.2001 00:00 Uhr |
Das Dünndarm-Targeting ist mit magensaftresistenten, sauren Polymerüberzügen relativ leicht realisierbar, erklärte Professor Dr. Claudia S. Leopold vom Institut für Pharmazeutische Technologie in Leipzig.
Im Gegensatz dazu seien Entwicklung und Design dickdarmspezifischer Arzneiformulierungen eine technologische Herausforderung, der sie sich auch persönlich durch eigene Forschungsarbeiten gestellt habe. Ausgehend von der Galenik würden zurzeit vier Ansätze verfolgt, um ein Dickdarm-Targeting zu erreichen, so die Referentin.
pH-kontrollierte Freisetzung
Dieser Ansatz vertraue auf den physiologischen pH-Unterschied zwischen Dünndarm (pH 6,0 bis 6,8) und distalem Dickdarm (pH 6,5 bis 7,0), der beim Gesunden zwar nur ungefähr 0,5 pH-Einheiten ausmacht, beim Colitis-Patienten mit Colon-pH-Werten zwischen 2,3 bis 4,7 aber wesentlich größer sei. Das Prinzip: Magensaftresistente Überzüge schützen nicht nur die Arzneiform vor dem sauren Magenmilieu, sondern passieren den Dünndarm auch in Abhängigkeit von ihrem Auflösungs-pH und der Schichtdicke, um sich erst im Colon vollständig aufzulösen. Viele perorale Mesalazin-Produkte, die bei der Colitis ulcerosa eingesetzt werden, folgen diesem Prinzip.
Eine spezielle magensaftresistente Formulierung für das Dickdarm -Targeting stellt das OROS®CT-System (Oral Osmotoc System for Colon Targeting) dar, bestehend aus einem Wirkstoffkompartiment mit osmotisch aktiver Substanz und einem weiteren Kompartiment aus quellendem Polymer. Letzteres drückt nach Eindringen von Wasser den Inhalt des osmotischen Wirkstoffkompartiments in flüssiger Form durch eine Mikropore im Überzug zeitkonstant heraus.
Zeitkontrollierte Freisetzung
Diese Form des Targeting basiert auf der Überwindung der Dünndarmtransitzeit von circa drei Stunden, während der keine Wirkstofffreigabe stattfinden soll. Erreicht werde dieses Ziel durch quellende Verbindungen oder osmotisch aktive Substanzen, deren Volumen durch Zutritt von Wasser zunimmt. Dadurch wird Druck aufgebaut, der nach einer bestimmten Zeit (Lag-Phase) zur Wirkstofffreigabe führt. Auch durch langsame Erosion oder durch Auflösung einer Überzugsschicht kann eine solche Verzögerungszeit erreicht werden. Als Beispiele stellte Leopold das CTDC-Prinzip (Colon-targeted Delivery Capsule), das Chronotropic®-System, das TES (zeitkontrolliertes Explosionssystem) und das TIME-CLOCK®-System vor.
Enzymkontrollierte Freisetzung
Als dritten galenischen Ansatz nannte die Referentin die enzymkontrollierte Freisetzung, die auf enzymproduzierenden Mikroorganismen im Colon beruht. Die Dickdarmmikroflora bildet eine Reihe von Enzymen, wie Azoreduktasen, Glykosidasen, Esterasen und Peptidasen, deren Aktivität für das Dickdarm-Targeting genutzt werden könne. Daraus ließen sich Prodrug-Systeme ableiten als Konjugate von Arzneistoffen mit Trägermolekülen, die im Idealfall inert sind, und unter der Katalyse der mikrobiellen Colon-Enzyme in den eigentlichen Wirkstoff überführt werden. Beispiele seien Azoverbindungen, Glykoside, Ester und Amide. Voraussetzung sei natürlich, dass diese Prodrugs nicht schon im oberen gastrointestinalen Raum durch Verdauungsenzyme abgebaut werden oder einer chemischen Hydrolyse unterliegen. Als Azo-Prodrug nannte die Leipziger Professorin Sulfasalazin. Als Nachteil bezeichnete sie die Tatsache, dass sich nur Stoffe dafür eignen, die entsprechende funktionelle Gruppen besäßen.
Eine weitere Methode sei die Verwendung bioabbaubarer Umhüllungsmaterialien mit glykosidischen Bindungen auf der Basis von Galactomannanen, Chitosan sowie des hochmolekularen Dextranfettsäureesters Lauryldextran.
Druckkontrollierte Freisetzung
Von der vierten Möglichkeit eines druckkontrollierten Systems war die Referentin selbst nicht überzeugt. Dieses System baue auf den temporär erhöhten luminalen Druck im Colon bei peristaltischen Wellen. Es basiert auf einer Ethylcellulosekapsel, deren Hülle durch den intraluminalen Druck zerrissen wird und so die enthaltene Wirkstofflösung freigeben kann.
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